laut.de-Kritik
Steckt in der italienischstämmigen Londonerin die neue PJ Harvey?
Review von Christoph DornerIst es ein selbstloses oder doch eher ein gewollt extravagantes Statement, ein Debütalbum mit einem impressionistischen Blues-Instrumental zu beginnen? Zwar steigt Anna Calvi gen Ende noch als jodelnde Rock-Walküre in das wogende "Rider To The Sea" ein, dennoch lenkt der Morricone-eske Track das Hauptaugenmerk auf ihre scheinbar besonders intime Beziehung zu ihrer Telecaster.
Hört (und sieht) man sich durch das Album der italienischstämmigen Londonerin, die von der BBC und dem großen Sounddesigner Brian Eno bereits als Entdeckung des Jahres gehandelt wird, rattern die etwas gebrauchten, übermäßig devoten Referenzen nur so vom Fließband: Hendrix, die Callas, Patti Smith, David Lynch, natürlich Polly Jean Harvey.
Tatsächlich erinnert Calvi gleich mit dem spröden Twang und dem Hauchen in "No More Words" sowie ihrer etwas eindimensionalen Teufelsbeschwörung ("The Devil") an PJ Harvey, die mit ihrer archaisch-spröden Mixtur aus Blues und Grunge die Rockmusik der 90er Jahre mitdefiniert hat. Auch dass Rob Ellis, einstmals Drummer und Produzent bei Harvey, Calvis Debüt als eine rohe Basement-Session unterproduziert hat, fördert diesen Eindruck.
Dennoch trügt er bisweilen. Calvi ist zweifelsohne eine talentierte Gitarristin und Sängerin. Sie schürft in ihren Songs nach ebenso existenzialistischen Wesenszuständen, besitzt aber ein anderes, ein plakativeres Verhältnis zu Erotik und Pop als PJ. Schon mit ihrer ersten Single, der (nicht auf dem Album enthaltenen) Coverversion des durch Edith Piaf weltberühmt gewordenen "Jezebel" hatte Calvi ihr Gespür für großformatigen, zerschepperten Chanson-Rock bewiesen.
Das dezent mit Streichern ausstaffierte, gestenhafte "First We Kiss" und der Refrain des starken "Suzanne and I" zielen genau auf solche designten, historisierenden Pop-Momente. Verführerisch und stark klingt Calvi an diesen Stellen, so inszeniert sie sich mit roten Lippen, hellem Teint und strenger Frisur auch. Sie gibt sich eher als sinnliche Muse denn als wütende Feministin.
"I could be your lover in the night / these words are true / then we wait / wait forever", haucht sie passenderweise in "I'll Be Your Man", einer zweiten Forschungsarbeit frei nach Morricone. Mit "Desire" und "Blackout" unterliegt die Chansonnière dagegen der Versuchung, dem werkstättischen Charakter des Albums große, streng melodische Rock-Panoramen entgegenzusetzen.
"Love Won't Be Leaving", singt Calvi kraftstrotzend im finalen Rock-Crescendo. Ganz so weit geht die Liebe bei diesem zeitlosen, dabei jedoch teils künstlich sublimierten Debüt dann doch nicht. Kann bei dieser Frau aber noch kommen.
10 Kommentare mit einer Antwort
Im ROLLING STONE-Forum kriegen sie wegen der Platte schon wieder alle feuchte Höschen. Mich haut's nicht um.
Um die Frage zu beantworten: Nein, in ihr steckt keine neue PJ Harvey. Aber das muss ja nichts heißen.
find das nicht so überragend, dass man es gleich als neuen Meilenstein feiern muss. "Die" Newcomerin 2011 - ist das Jahr noch jung und das mag auch sein (weil was soll den anderes kommen?!?).
Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.
...also ich habe nie verstanden wie man Calvi mit der Maestra Harvey nur entferntest vergleichen kann. Sie hat eine ganz schöne Stimme, die aber sehr schwülstig eingesetzt wird und grade deswegen ihre Wirkung bei mir verfehlt. Beeindruckendend sind die Gitarrenklänge. Trotzdem, nur ganz schön, aber nie nachhaltig treffen mich ihre Lieder nicht ins Herz. Und dann ist da der Umstand, dass sie sehr produziert auf mich wirkt und einen uniformen, poppigen Stil zeigt, in welchen sich eine Harvey nie hineinzwängen lassen hätte oder hat... Erotik hat wie immer seine mediale Wirkung, auch Harvey weiß sie an richtiger Stelle einzusetzen (!), lässt aber hier genauer betrachtet völlig kalt, da nie authentisch... überbewertet...
...also ich habe nie verstanden wie man Calvi mit der Maestra Harvey nur entferntest vergleichen kann. Sie hat eine ganz schöne Stimme, die aber sehr schwülstig eingesetzt wird und grade deswegen ihre Wirkung bei mir verfehlt. Beeindruckendend sind die Gitarrenklänge. Trotzdem, nur ganz schön, aber nie nachhaltig treffen mich ihre Lieder nicht ins Herz. Und dann ist da der Umstand, dass sie sehr produziert auf mich wirkt und einen uniformen, poppigen Stil zeigt, in welchen sich eine Harvey nie hineinzwängen lassen hätte oder hat... Erotik hat wie immer seine mediale Wirkung, auch Harvey weiß sie an richtiger Stelle einzusetzen (!), lässt aber hier genauer betrachtet völlig kalt, da nie authentisch... überbewertet...
Du bist zu spät. Nach Anna Calvi schreit kein halber Hahn mehr. Heutzutage dreht sich die Welt nur noch um Joon Wolfsberg.