laut.de-Kritik

Die Kirchenorgel und der Tod.

Review von

Zwei Dinge stehen auf "Dead Magic", Anna von Hausswolffs neuestem Werk, im Mittelpunkt: der Tod und die Kirchenorgel. Das passt natürlich schon alleine aus liturgischen Gründen ganz, ganz wunderbar zusammen. Die schwebenden, tonnenschweren Klänge, die von Hausswolff in der Kopenhagener Marmorkirken, einer Mamorkirche, am hauseigenen Instrument aufnahm, tönen sakral, mystisch, schwebend.

"After the fall / I'll find you", singt von Hausswolff auf dem Eröffnungsstück "The Truth, The Glow, The Fall". Sie, die ihre eigene Musik als "Funeral Pop" bezeichnete, widmet sich auch auf ihrem vierten Album wieder dem Unausweichlichen, Unvorhersehbaren. Zwölf Minuten baut sie eine Kathedrale aus sich windenden Orgelklängen, dissonanten Streichern und Geräuschen. Sie lässt mit dem Wechselspiel aus Meditation und Noise eine Ambivalenz zwischen Trost/Wärme und Schwere/Düsternis entstehen.

Fieberhaft exerziert sie die Realität des Todes durch, als wolle sie alle, aber auch wirklich alle Aspekte und Möglichkeiten der Sterberealitäten ausloten, sichergehen, ob es nicht doch einen Hoffnungsschimmer gibt, den unergründlichen Schrecken abarbeiten. Dafür hat sie mit dem Produzenten Randall Dunn (unter anderem Sunn O))), Marissa Nadler) gearbeitet.

"The Mysterious Vanishing Of Electra" wirkt von Anfang an untröstlich. Ein Schlagzeug treibt stoisch an, es bleibt bei wenigen harmonischen Veränderungen, mit sirenenhaften Schreien und atmosphärischer Steigerung verdichtet sich das Stück immer mehr.

Mit "Ugly And Vengeful" folgt das längste Stück der Platte. Das baut sich mit Drones langsam auf, schwillt langsam wieder ab, treibt einen durch einen Irrgarten, der sich gegen Ende der achten Minute bedrohlich-sinfonisch erhebt. Eine Reise, der man mit ganzer Aufmerksamkeit beiwohnt, abwartend, lauernd, gespannt.

Elegisch wird es bei "The Marble Eye", einem gespenstischen, nie stehen bleibenden Orgelstück ohne Gesang. Der Track wirkt wie eine Verschnaufpause, wie ein fünfminütiges Luftholen nach dem Rennen. Mit Moll-Kadenzen und Klangschichtungen steht es in punkto Schwere den anderen Stücken um nichts nach, nur einige Sekunden wechselt das Äolische in eine Dur-Kadenz, gibt einen kurzen Moment von Süße, einen Lichtstrahl.

Tonnenschwer wird das Herz beim abschließenden "Källans återuppståndelse". Über die Thematik der Stücke möchte Hausswolff wenig Worte verlieren. Um die Platte zu erklären, zitierte sie vorab ein Gedicht des schwedischen Poeten Walter Ljungquist:

"Take the fate of the human being, a thin pathetic line that contours and encircles an infinite and unknown silence. It is in the this very silence, in an only imagined and unknown centre, that legends are born. Alas! That is why there are no legends in our time. Our time is a time deprived of silence and secrets; in their absence no legends can grow", heißt es darin.

"Dead Magic" lebt zwischen Hoffnung und Verzweiflung, den zwei finalen Gefühlen. Anna von Hausswolff hat damit ein großartiges Werk gegen das Verdrängen des Letztendlichen geschaffen, ein Werk das einen beim Hören gänzlich in Beschlag nimmt.

Trackliste

  1. 1. The Truth, The Glow, The Fall
  2. 2. The Mysterious Vanishing Of Electra
  3. 3. Ugly And Vengeful
  4. 4. The Marble Eye
  5. 5. Källans återuppståndelse

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24 Kommentare mit 153 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Atmosphärisch eines der dichtestes alben, das ich jemals gehört habe. vom ersten stück an befinde ich mich da in einer blase, die ich eigentlich gar nicht wieder verlassen will.
    "Ugly and Vengeful" ist nicht von dieser welt. Und kann man "Winter" besser vertonen als es "Källans återuppståndelse" schafft?
    Nach ende des albums bleibt eigentlich nur eins: repeat!

    • Vor 6 Jahren

      "Kann man 'Winter' besser vertonen.." ja. Und zwar "hast du Hunger" von M&E und "kein entkommen" von osculum infame zB
      ;) Aber dennoch ist das vorliegende Lied sehr gut und ich werde mir das albung wohl anhören, trotz. Hype und Hipster. Aber werde dies wohl leugnen

    • Vor 6 Jahren

      torque, da gibt es nix zu leugnen. vergiss die hipster. die hausswölfin ist absolut weltklasse; dunkle göttin.

    • Vor 6 Jahren

      hype?
      für das konzert am sonntag in berlin gibt es nich karten!
      hype......

    • Vor 6 Jahren

      noch karten.

      (es muss die hölle sein, so einen "Kommentar ändern"-Button im Kommentarbereich einzupflegen.)

    • Vor 6 Jahren

      Für Hamburg gibt es auch noch Karten. Freue mich schon richtig darauf Ugly And Vengeful live zu hören.

    • Vor 6 Jahren

      Der schon von der Källan EP bekannte Orgelpart in "Källans återuppståndelse" ist so unglaublich erhaben und episch. und wenn sich der part bei ca. 5 minuten wie von streichern untermalt anhört, ist gänsehaut garantiert.

    • Vor 6 Jahren

      Ich bleibe erst einmal bei Ugly And Vengeful, an den kommt so schnell kein anderer Song heran.

    • Vor 6 Jahren

      ich könnte nicht sagen, welchen track ich am besten finde. das ist absolut stimmig aneinander gereiht und ich will keinen einzigen track missen. im gesamtpaket schon sehr stark finde ich es auch "überraschend", dass jeder einzelne track auch ausserhalb des albumkontext "funktioniert". Das hat sie der "Miraculous" ein wenig "vorraus" wenn man so will.

      aber "ugly and vengeful" sticht natürlich ob des grandiosen, verrückten, dem wahn nahen finales ab ca. 9:50 schon hervor.

      Grandios auch der zweite teil von "the mysterious vanashing....". diese kraft, energie und ausdrucksstärke in ihrer stimme, einfach nur stark.

    • Vor 6 Jahren

      Bei mir hat sich bisher die Kombination aus den letzten drei Songs eingespielt, die ich schon den ganzen Tag auf Repeat höre und halt Ugly And Vengeful immer den Startpunkt darstellt und ich auch manchmal einfach so auf den Song zurückspringe.

      Das Album ist aber insgesamt sehr stark und funktioniert perfekt am Stück. Vielleicht überspringe ich die ersten beiden Songs derzeit auch noch relativ häufig, weil die beiden schon vorher veröffentlicht wurden und deshalb der Überraschungseffekt bei den letzten drei höher war.

  • Vor 6 Jahren

    Das was Para sagt. Klingt für mich wie das gemeinsame Kind von Pink Floyd und den Swans garniert mit einer Kirchenorgel. Hochatmosphärisch und intensiv. Eindeutig die volle Punktzahl.

  • Vor 6 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.