laut.de-Kritik
Von hart zu zart - Keep It Simple.
Review von Yan VogelAnneke van Giersbergen verfügt über eine faszinierende Stimme. Egal was sie singt, sie klingt in allen Segmenten fantastisch. In den vergangenen Jahren war ihr Organ häufig eingebettet in anspruchsvolle Arrangements und eine dichte Instrumentierung.
Im Projekt The Gentle Storm präsentierte die Holländerin ihre zarte und harte Seite auf einer Veröffentlichung. Als musikalische Partnerin von Devin Townsend führte sie mit ihren melodischen Interpretationen durch das Dickicht überbordender Kompositionen.
Mit ihrer eigenen Metal-Kapelle VUUR lotete sie die Grenzen des Machbaren aus, stieß damit nicht überall auf Gegenliebe. Mit der opulenten Orchester-Platte "Symphonized" lieferte sie einen Querschnitt durch ihre Karriere, die Mitte der Neunziger mit The Gathering Fahrt aufgenommen hatte.
Nach dieser Zeit häuften sich die Herausforderungen im privaten Umfeld. Die Ehe stand vor dem Aus, der Kopf war voll mit Problemen. Die Lust hingegen weiter Musik für ihr Bandprojekt zu schreiben, steuerte auf einen Nullpunkt zu. Anneke setzte fortan auf einen reduzierten Ansatz, dessen Resultat nun auf "The Darkest Skies Are The Brightest" zu hören. Ein Song fasst die Marschrichtung des Albums brillant zusammen: "Keep It Simple".
Die 47-jährige Musikerin behält die Kontrolle über ihr Schaffen, spielt gemeinsam mit Produzent Gijs Coolen die meisten Instrumente selbst. Es wäre zu einfach, die Akustik-Einspielungen unter dem Singer/Songwriter-Banner zu vermarkten. Das tiefschürfende "Hurricane" oder das melancholische "Lo And Behold" wurzeln tief im Delta Blues mit ihrem stampfenden Rhythmus, geizen dabei nicht mit tollen Melodien, die sowohl an Folk-Granden wie Fleetwood Mac als auch an neuere Vertreter wie Larkin Poe erinnern.
In "Hurricane" kommt eine Trompete zu Einsatz, die an einen Western-Showdown erinnert. In die gleiche Kerbe schlägt "My Promise", aber auf der Stimmungs-Ebene. "Survive" hingegen gelingt dem Duo peppig und modern. In einem wiederum sehr rhythmisch gehaltenen Track schwingt die Sängerin hier das Tanzbein.
Die Klammer des Albums bilden die auf den ersten Höreindruck naiven Tracks "Agape" und "Love You Like I Love You". So simpel die Arrangements so tiefschürfend die Message, die zudem viel über die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre aus dem Leben von Anneke erzählt. "Agape" ist ein Bekenntnis zur Liebe an sich, "Love You Like I Love You" schlägt die Brücke dahin, dass man sich selbst akzeptieren muss, bevor man sich auf einen Partner einlässt.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Rückblickend betrachtet gefiel mir Anneke im letzten Jahrzehnt echt am besten auf dieser "The Diary"-Platte - und zwar überwiegend auf dem klassisch arrangierten Teil der des Doppel-Albums... Ich hab mir eine Stimme wie ihre halt immer schon eher auf was musikalisch tooleskes gewünscht. Oder mit ner Isis-Schlagseite, mit nem Oceansize-Gewand...
...wahrscheinlich ist sie bei all ihrer Experementierfreude (für die ich echt dankbar bin, auch wenn sie aus meiner Sicht mit Townsend und Ayreon an "den falschen Punkten des emotionalen Spektrums" kollaboriert hat) doch auf den unter ihrem Namen veröffentlichten Platten ihrem "wahrem musikalischen Ausdruck" am nächsten, weswegen ich auch hier wieder zugegriffen habe, obwohl mir der Vorgänger echt irgendwie zu leise, zu vorsichtig, zu wenig prägnant im Songwriting war.
Mir reicht die "How To Measure A Planet?" im Grunde völlig aus, was die experimentelleren Pfade Annekes angeht. Höre ich gerade wegen dem Trippigen immer noch sehr gerne. Anneke light und acoustic nehme ich gerne mit, zumal trotz der schweren Thematik oftmals eine gewisse Leichtigkeit mitschwingt. Stimmlich ohnehin unangreifbar.
Weiß gar nicht, ob ich dich lobpreisen oder erst mal paar Tage verdammen soll nach dem Kommentar, Toni...
Wobei deine "Schuld" in dem Fall wohl überschaubar bleibt... Hatte mir die Scheibe hier ja physisch geholt und Beschäftigung mit Annekes' Output führt irgendwann unweigerlich zurück zu "Nighttime Birds", und wenn ich erst mal mit denen hänge, ist erfahrungsgemäß der Gedanke, auch wieder mal einen Planeten zu vermessen, doch eh längst eingenistet zwischen den Ohren.
Und trotz all dem Geflenne währenddessen und hinterher (oder dem "prämenstruieren", wie es einige Wannabe-Influencer ja gerne als laut-Duktus etabliert bekämen - Congratulations from me and DJ Khaled, u played yourself - The Gathering halt einfach schon zu Beziehungsbeginn damals geteilte Liebe zwischen mir und verstorbener Ex, kann kein MannIn-Mensch gegen anstinken, joa ), der nahtlose Trip durch "How to measure..." war mal wieder nötig.
Sogar nötiger als gedacht, denn just währenddessen schrieb unser Produzent von seiner vollständigen Remission und machte Terminangebote für die Bassaufnahmen unserer Platte für Ende März - Schlagzeug für die 7" war vor seiner Erkrankung so weit schon im Kasten. Roisin Murphy wusste ja auch schon deutlich früher als ich, wenn das Universum dir "The time is now!" zuflüstert, so ne Erfahrung sollte mensch sich zu Nutze machen...The Gathering allgemein und "How to measure..." im Speziellen sollte ich wohl auch als Pseudo-Co-Produzent gut abrufbar im Arbeitsgedächtnis haben...
...denn in Ermangelung nennenswerter Alternativen (inkl. dieser Solo-Scheibe hier) bleibt das Fazit meines Eingangsposts bestehen. Anneke hat so viel ausprobiert, mal gelang was phänomenal abseits meiner sonstigen Vorlieben (The Gentle Storm / classic arrangements Disc), mal ging was daneben gehörig gefühllos daneben (VUUR, imo) - aber mir persönlich war bis heute noch nicht "ihr eigenes" 'From Sinking/Grinning Mouths' von Isis, ihre "Saturday Morning Breakfast Show / Long Forgotten" von Oceansize oder ihr "Fortysix & 2/Pushit" von Tool dabei.
So it seems "How to measure..." stays as far out as it gets for her...
So ne tolle Sängerin und so egale Songs. Tragisch...
Ich finde das Album ist sehr gelungen besonders die Stimme von Anneke van Giersbergen ist Toll.