laut.de-Kritik
Uninspiriert oder zeitlos? Rente geht jedenfalls anders.
Review von Tom KüppersWenn eine Metal-Band den Spinal Tap-Ehrenpreis verdient hat, dann Anvil. Seit 41 Jahren am Start, so ziemlich alle Tiefen, aber nur wenige Höhen dabei mitgenommen, doch einfach zu stur, um aufzugeben und deswegen immer einmal mehr aufgestanden als auf die Fresse gefallen. Nachzusehen in der vorzüglichen Dokumentation "Anvil: Die Geschichte einer Freundschaft".
Manchmal geht es eben einfach nur ums Durchhalten, weswegen die sich die Kanadier seit dem selbst von der Mainstream-Kritik in den höchsten Tönen umjubelten Film über einen unerwarteten Karriere-Spätherbst freuen. Der sei ihnen vollumfänglich gegönnt. Mit der gleichen Dickköpfigkeit allerdings verweigern sich Sänger/Gitarrist Steve "Lips" Kudlow und Schlagzeuger Robb Reiner seit jeher großartigen Stilkorrekturen. Das gilt selbstredend auch für "Pounding The Pavement".
Auf ihrem siebzehnten Studioalbum weichen die beiden High-School-Freunde (erneut unterstützt von Bassist Chris Robertson) mal wieder kein Jota von ihren Vorstellungen ab. Sie präsentieren zwölf Songs, die im großen und ganzen auch auf jedem anderen Anvil-Werk eine gute Figur gemacht hätten.
"Ego" hat den traditionellen Reiner-Doublebass-Groove. "Smash Your Face" ist der schleppende Groover mit banal-fesselnder Hookline, wie sie nur die Kanadier hinbekommen. Der instrumentale Titelsong wirkt zwar nicht ganz so epochal wie seinerzeit "March Of The Crabs" vom 1982er Klassiker "Metal On Metal", gerät aber trotzdem zu einem Highlight. Der Opener "Bitch In A Box" hat dann diese gemein-geilen bandtypischen Zählzeit-Haken und punktet mit feinen Gesangs-Harmonien.
Dass Kudlow nicht der beste Sänger der Welt ist, weiß er selbst am allerbesten. Dafür muss man ihm aufs Neue attestieren, das keine andere Stimme der aktuellen Metalwelt klingt wie die seine. Ein Ton, und der Hörer weiß Bescheid. Andere verkaufen einem soetwas übrigens als Markenzeichen.
Wenn er in der tollen Black Sabbath-Hommage "World Of Tomorrow" von einer Welt voll "Love And Peace" singt, kann diese ehrliche Offenheit bei übermäßig kritischen Zeitgenossen schon einmal zu einem Schmunzeln führen, auch wenn es, rein tonal gesprochen, nichts zu meckern gibt. In "Doing What I Want" packen Anvil sogar ein Riff aus, dem man einen Hauch Moderne unterstellen kann (in homöopathischen Dosen, versteht sich), und unterstreichen textlich noch einmal: "Wir machen unser Ding."
So weit, so gut. Aber wenn im an etwas zahmere Motörhead angelehnten "Rock That Shit" Zeilen wie "Gotta do it right, rock with all your might, heavy metal fight, rock that shit tonight" erklingen, fragt man sich unweigerlich, wie das noch gleich mit Spinal Tap war. "Don't Tell Me" (natürlich, wer hätte das gedacht, keine Fake News) sorgt dann wieder für einen versöhnlichen Abschluss.
Natürlich hat "Pounding The Pavement" nicht nur Volltreffer zu bieten. Aber welche Metal-Band der ersten Generation kann das heute noch von ihrem aktuellen Album behaupten? Die musikalische Konsequenz, mit der Anvil an die Sache herangehen, lässt sich problemlos wahlweise entweder als zeitlos oder als uninspiriert bewerten. Allerdings hat "Pounding The Pavement" in Summe mehr gute Songs zu bieten als die letzten drei, vier Alben zusammen. Das ist die erste Metal-Überraschung 2018.
1 Kommentar mit einer Antwort
als ob nicht das ganze Rockbusiness durchzogen ist von affigen Texten
Stimmt auffallend, aber der hier hat schon "Werthers Echte"-Niveau. Wie in "Was ganz besonderes"