laut.de-Kritik

Das New York der 90er im Hier und Jetzt.

Review von

"Meine Alben erscheinen immer im Herbst, also im September oder Oktober. Diese Jahreszeit entspricht dem Gefühl meiner Musik. Ich mache keine Oben-ohne-am-Strand-Musik, keine Party-Tracks. Das hier ist vielmehr den Stuff, den du bei nasskaltem Wetter und grauem Himmel hörst", erklärt Apollo Brown seine zu Teilen düsteren Beats. Passend dazu läutet das Intro "Soapbox" die Platte ein: "Easy? Is not an option. Life is hard!"

Vinyl-Knistern, ein Piano-Loop, klatschende Drums - arg viel mehr Zutaten braucht der Produzent aus Detroit nicht um Skyzoo eine Steilvorlage für dessen MC-Qualitäten zu liefern. Dieser beobachtet genau und weiß wie es ist, wenn zwar noch Tage bis zum nächsten Monat aber keine Dollars mehr übrig sind. "They told us that countin' up somethin' / Seems the only way you can live."

"A Couple Dollars" mehr könnten nie schaden, klar. Was bei diesem Track aber wirklich heraussticht, ist der Featurepart von Joell Ortiz: "MJs before they dropped, but a lot started to drop / Stick up kids got the drop, my sneaker box dropped / Dropped crack, switched to diesel when some fiends dropped / Feds eavesdropped on my drop, got 'em street blocked / They dropped by my man's spot so now he locked / I drop to both knees prayin' dimes don't get dropped."

"Wassup with the vibes, wassup with the vibes / We just tryna keep it where the aura stay alive / Like pardon us for breathing like if we in '95" beginnt das großartige "The Vibes" und bringt damit die Quintessenz auf den Punkt: Die Platte klingt zwar nicht exakt wie die Golden Era, verbaut aber über weite Strecken genau die Elemente, die den New York-Sound vor zwanzig Jahren ausmachten. Um dabei trotzdem im Hier und Jetzt zu bleiben, dreht Brown zuweilen die 808 auf und lässt einige Doubletime-Hi-Hats durch die Boxen zischen.

"Ich will kein klassischen Old-School-Golden-Era-Rap machen. Das steht nicht auf der Agena, das ist nicht meine Motivation", rechtfertigt Skyzoo den von einigen als 'überholt' bezeichneten Sound. "In meiner Musik ging es nie darum, in der Vergangenheit zu leben. Wir nehmen uns einige Elemente heraus, klar. Aber wir sind nicht in der 90ern hängengeblieben, sondern verbinden die Einflüsse mit denen aus den Nullerjahren. Durch den 808-Sound und die modernen Synthies über den Samples entsteht ein Gefühl von heute mit Elementen von gestern."

Eigentlich müsste sich Sky gar nicht so ausführlich für seinen Sound rechtfertigen. Es gibt sie schließlich noch, diese Boom Bap-Nerds die im Untergrund die Fahne der Rucksack- und Studentenrapper hochhalten und Wert auf Inhalt und Technik legen. Es braucht keine Rechtfertigung dafür, dass man warme, Soul-basierte Beats abfeiert, dafür aber mit den elektronisch angehauchten, tickenden Trap-Sounds nichts anzufangen weiß. "We're not here to make old school music, we're here to make music that the old school can be proud of."

Der Brooklyn-MC begeistert über weite Strecken besonders mit zahlreichen Flow-Variationen. Er erarbeitete sich über die letzten zehn Jahre einen Style, der aus einer Mischung aus Nuscheln und ungewöhnlichen Betonungen sehr gut ins Ohr geht. Er flowt seine Zeilen scheinbar so leichtfüßig ins Mic, dass einem erst beim Genius-Check auffällt, dass sich gar nicht alles reimt. Trotzdem stolpert er dabei nicht über die Ecken und Kanten, sondern kaschiert sie mit seinem Flow-Verständnis. "Addicted to trophies, so bet that's what I shoot at", rappt er in "The Vibes".

Einzelne Songs herauszupicken, fällt schwer, da sich sowohl Brown als auch Sky durchweg auf sehr hohem Niveau bewegen. Düstere, staubtrockene Drums gehen ebenso harmonisch einher wie melodiöse Kopfnicker-Beats, mit Samples so mollig-warm wie ein Lagerfeuerknistern. Skyzoo erzählt von der Straße, vom Leben, flowt auch mal nur um des Flows Willen und wirkt dabei hungrig und zugleich elegant ambitioniert.

"Ich denke dieses Album kann jeder hören", so Brown. "Ich sehe es nicht als ein Nischenalbum im Hip-Hop-Kontext, sondern hier ist für jeden etwas dabei." Glaubt dem Mann, er weiß, was er tut.

Trackliste

  1. 1. Soapbox
  2. 2. One In The Same (feat. Patty Crash)
  3. 3. Jordans & A Gold Chain
  4. 4. A Couple Dollars (feat. Joell Ortiz)
  5. 5. Basquiat On The Draw (feat. Westside Gunn & Conway)
  6. 6. The Vibes
  7. 7. On The Stretch & Bob Show
  8. 8. Spoils To The Victor
  9. 9. Visionary Riches
  10. 10. They Parked A Bentley On The Corner
  11. 11. The Flyest Essence
  12. 12. Innocent Ambition
  13. 13. Care Package
  14. 14. Payout (feat. Stalley)
  15. 15. Nodding Off

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7 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Album endlich voll verfügbar, erwartungsgemäß Bombe und Hammer zum Herbst.

    4/5

  • Vor 7 Jahren

    "Meine Alben erscheinen immer im Herbst, also im September oder Oktober. Diese Jahreszeit entspricht dem Gefühl meiner Musik. Ich mache keine Oben-ohne-am-Strand-Musik, keine Party-Tracks. Das hier ist vielmehr den Stuff, den du bei nasskaltem Wetter und grauem Himmel hörst"

    Perfekt für Sodi also :D

    Geiles Album, Skyzoo top, Apollo auf dem nächsten Level, alleine das Trompetensolo am Ende von "Nodding Off" - Gänsehaut! "Care Package" auch killer Sample!

    Features passen auch gut rein, geile Parts von Joel Ortiz und Conway. Den Hype um Westside Gunn verstehe ich allerdings nicht so wirklich, komischer Nuschelflow mit Eunuchenstimme, naja.

    Mittlerweile reingehört, Lauti? ;)

  • Vor 7 Jahren

    "Die Platte klingt zwar nicht exakt wie die Golden Era, verbaut aber über weite Strecken genau die Elemente, die den New York-Sound vor zwanzig Jahren ausmachten. Um dabei trotzdem im Hier und Jetzt zu bleiben, dreht Brown zuweilen die 808 auf und lässt einige Doubletime-Hi-Hats durch die Boxen zischen."
    Das fasst es sehr gut zusammen.
    Apollo Brown halt. Killer! Mal wieder ! Eignet sich auch sehr gut zum durchhören. Leider selten geworden heutzutage.