laut.de-Kritik

Die R'n'B-Mädels können sich ein Scheibchen abschneiden!

Review von

Die große Dame des Soul präsentiert mit ihrem neuen Album eine Mischung aus alter Soul-Tradition und zeitgemäßem R'n'B. Wenn ein älteres Semester sich dem Stil der heutigen Jugend annähert, kann das leicht anbiedernd oder sogar peinlich wirken. Nicht bei Aretha Franklin! Im Gegenteil: Die R'n'B-Mädels können sich ein Scheibchen bei der Queen Mom abschneiden.

Dies liegt daran, dass Franklin die gerade angesagten Stilmittel nur sparsam einsetzt und ihre musikalisch Vergangenheit nicht verleugnet. "The Only Thing I Missin' " beginnt sparsam instrumentiert mit einer Akustikgitarre und schleppendem Schlagzeug, wie man es vom aktuellen R'n'B kennt. Dabei ist die Härte des Beats nicht übertrieben, Franklin ist ja keine zwanzig mehr. Der kurz danach einsetzende Lead-Gesang richtet sich mit seinen fließenden Linien an älteren Soul-Nummern aus und unterstützt das Arrangement des weiblichen Backgroundchors, das sehr an die alte Gospel-Tradition erinnert.

"Wonderful" ist ein Glanzpunkte der CD. Das Tempo ist im langsamen Midtempo gehalten. Der gerade einfache Beat von Schlagzeug und Bass groovt mächtig, ein sparsames Klavier und eine Art Streichersound lassen genug Platz für das gesangliche Zwiegespräch zwischen der "Queen" und dem Chor. Wundervoll setzt Franklin ihre Stimme ein. In großer Höhe ist sie immer noch kräftig, wobei sie ebenso klar wie auch rau klingen kann, wenn es die Musik erfordert. Aretha Franklin kann singen und weiß ihre Möglichkeiten dazu auch noch richtig einzusetzen.

"No Matter What" verbindet neuen und alten R'n'B auch in der Besetzung. Die junge Mary J. Blige tritt in die zweite Reihe zurück, singt den Background und überlässt der alten Dame den Platz im Scheinwerferlicht. Über eine wiederum langsam und stakkato gespielte Begleitung scattet am Anfang und Ende des Liedes Franklin. Dazwischen improvisiert sie die Gesangmelodie, dass einem die Ohren schlackern, während Blige den Refrain wiederholt.

Auf der Platte findet sich kein einziges schnelleres Stück, und so wird es mit der Zeit etwas eintönig, einen Gefühlsausbruch nach dem anderen über sich ergehen zu lassen. Dazu kommt, dass Aretha gelegentlich zu stark aufträgt. "You Are My Joy" oder "Falling Out Of Love" enthalten einfach zu viele schwülstige Streicher. Und bei "Everybody's Somebody's Fool" strengt der zu Tränen gerührte Chor irgendwann an. So sind sie nun mal, die amerikanischen Soul-Schnulzen.

Trotzdem ist Aretha Franklin eine gekonnte Mischung zwischen zwei Musikgenerationen gelungen, ohne sich bei den jüngeren Musikern und Hörern übertrieben einzuschmeicheln. So könnten die amerikanische und vielleicht deutsche Hausfrau wie die R'n'B hörende Teenagerin Gefallen an der Platte finden. Männer vermissen wahrscheinlich die eine oder andere rockige Nummer.

Trackliste

  1. 1. The Only Thing Missin'
  2. 2. Wonderful
  3. 3. Holdin' On
  4. 4. No Matter What
  5. 5. Everybody's Somebody's Fool
  6. 6. So Damn Happy
  7. 7. You Are My Joy
  8. 8. Falling Out Of Love
  9. 9. Ain't No Way
  10. 10. Good News
  11. 11. You Are My Joy (Reprise)

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