laut.de-Kritik

Wie sehr Armut haften bleibt.

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"Noch immer such' ich mit jeden von euch Fotzen Stress." Die Eröffnung eines Albums ist wichtig, und Asche setzt mit den ersten Zeilen von "Noch Immer" den lieblosen Ton für "Was Bleibt Ist Asche". Über weite Strecken begegnet der Rapper der Sprache ähnlich achtlos wie zuletzt Ngee auf "Normalität". "Mein Lebenstraum war nur, dass jeder meine Strophen kennt", behauptet er absurderweise in "Painkiller", um in "One Punch Man" wie im Wahlkampf noch einen draufzusetzen: "Nie wieder Staatsschulden. Ich rapp', um die Welt zu retten."

Seine hehren Vorsätze verpuffen aber zunächst, denn Asche erweist sich als äußerst geschwätziger Zeitgenosse. Vor allem die Singles "Deathnote" und "Jahrhunderttalent" arbeiten sich an Pseudo-Gegnern ab, die entweder wie RIN, Lil Lano oder Negatiiv OG ganz andere Disziplinen als der Rapper ausüben oder wie Maestro und Gorex schlicht zu unbekannt sind. Den Höhepunkt erreicht er, wenn er dem Letztgenannten urophile Vorlieben unterstellt. Aber wen soll das interessieren? Als ob die Fans auf dem Schulhof johlen, wenn die sie vermeintliche Schmähung des Produzenten hören.

"Gorex nahm Beats von mir für 'CCN 4', ohne mir 'nen Cent zu zahlen." Angesichts des Sounds wirkt diese Aussage glaubwürdig. Asche setzt fast durchweg auf altbekannte Streicher, die ihm andächtig lauschen ("Nachtschatten"), leidvoll ("Hochkaräter") oder heroisch ("Tote Briefkästen") erklingen. "44" und "Shuriken" gehen als Pop-Versuche durch, während der Kampfsport-Song "Ohma Tokita Style" dämmrig-druckvoll einschlägt. Ähnlich düster sieht es lange Zeit inhaltlich aus. Nur vereinzelt greift der Rapper mal ein Thema auf, um es schnell wieder fallenzulassen, als habe er sich verbrannt.

Erst in der zweiten Hälfte nimmt Asche seinen Mut zusammen und gewährt Einblicke in seine Lebensgeschichte. In "Menorah" beschreibt er etwa, wie er im Alter von sieben Jahren nach Deutschland gekommen ist: "Wohnen in Friedland im Heim, eine Toilette für zehn. Mama, ich will zurück. Mama, ich will das nicht sehen." Mit hoher Glaubwürdigkeit skizziert er seinen Weg als Aneinanderreihung von Ohnmachtserfahrungen, die sein mitunter irritierendes Kämpferimage als mögliche Überkompensation begreifbar machen: "Mama, sag' mir, wer ich bin. Wo gehöre ich hin?"

Wie sehr Armut haften bleibt, betont der Rapper zu Beginn von "Friedlandstrasse": "Ich brauch' bis heute nur ein Bett und ein paar graue Wände." Es wirkt geradezu erholsam, dass Asche mit seinem Erfolg eher fremdelt, statt sich an den neureichen Albernheiten seiner Kollegen zu orientieren. Neben den fehlenden finanziellen Mitteln durchzieht das Album auch ein Mangel an Liebe. Ob es in "Friedlandstrasse" an "Geld für gekaufte Liebe" hapert oder er in "Shuriken" feststellen muss: "Wurd' ich einmal umarmt, dann nur wenn's Schwitzkasten gab."

Seine dargelegte Einsamkeit macht auch einen Song wie "Falscher Bruder" nachvollziehbar. Als wohl bester Beitrag unter den unzähligen Deutschrap-Songs über Ratten und Hyänen skizziert er eine enge Freundschaft, die durch gemeinsame Probleme zusammengehalten wird. Dann folgt Asches Aufstieg, den er durchaus selbstkritisch und bescheiden nacherzählt: "Das erste Mal im Leben zieh' ich etwas richtig durch. Doch es scheint dir nicht zu gefallen, dein Blick ist Furcht." Glaubhaft schildert der Rapper wie die innige Verbindung nach und nach zerbricht.

Im Grund reicht das für ein solides Album aus. Niemand verlangt von ihm, die Welt zu retten. Und erst recht hält ihn niemand von dieser edlen Mission ab: "Kein Mensch der Welt killt ihn, diesen einen Jungen. 83 Millionen Menschen, aber keinem ist es gelungen." Wer Haudrauf-Rap für die Autofahrt sucht, kann Automatikk aus dem Archiv fischen. Und wer Klatsch und Tratsch bevorzugt, möge die Freizeit Revue erwerben. Asche sollte sich auf die eigene Biografie konzentrieren. Dann klappt es auch mit den Vorsätzen: "Es geht um mehr als Rap, es geht um mein Lebenswerk."

Trackliste

  1. 1. Intro - Skit
  2. 2. Noch Immer
  3. 3. Jahrhunderttalent
  4. 4. Painkiller
  5. 5. Nachtschatten
  6. 6. Deathnote
  7. 7. Nummer 1
  8. 8. Hochkaräter
  9. 9. One Punch Man
  10. 10. Tote Briefkästen
  11. 11. Friedlandstrasse
  12. 12. Falscher Bruder
  13. 13. Wieso
  14. 14. Ohma Tokita Style
  15. 15. 44
  16. 16. Shuriken (mit Jaytee)
  17. 17. Menorah
  18. 18. Was Bleibt Ist Asche

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