laut.de-Kritik

90er - im besten Sinne.

Review von

Liebe Nachgeborene: Zu erklären, wie cool Ash mal waren, ist fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. "Girl From Mars" und "Shining Light" waren nicht nur tolle Pop-Punk-Songs, sondern die (coolen) Mädchen mochten das auch noch. Frontmann Tim Wheeler selbst datete nur die angesagtesten Models, links und rechts hagelte es Kooperationen mit erfolgreichen Bands. Ash wurde nie so recht langweilig - sei es die ihrer Zeit vorauseilende Veröffentlichungspraxis um ihre "A-Z Series" oder das tief verletzt wirkende Break-Up-Album "Islands", bei den drei Briten war immer etwas los.

Das Video zu "Race The Night" fällt ästhetisch durchaus okay aus, im Narrativ allerdings mindestens seltsam: Die asiatische Stripperin scheint sich die drei Nordiren angekettet als Hausband zu halten, während sie in einem leeren Club ihre Performance übt. Viel dramatischer jedoch: Das Video ist seit zwei Monaten online, und nicht einmal 30.000 Leute haben es sich angeschaut. Da greifen die meisten Katzenvideos mehr ab. "Islands" chartete vor fünf Jahren noch auf Platz 18 im UK.

Unbeirrt startet "Race The Night" mit dem Titeltrack, der die Richtung klar vorgibt: Ash sind zurück bei grundsätzlich positiv gestimmten Poprock-Tracks, die leichte Punkanteile und einen stärkeren Schuss Collegerock vereinen. Tim Wheelers Stimme ist sowieso 90er im besten Sinne. Der Titeltrack schafft es aber über Durchschnitt nicht hinaus, zu wenig catchy fällt die Grundidee des Songs aus. Daran ändert auch das schöne Gitarrensolo in der Songmitte nichts.

"Race The Night" umfasst die rockigen Aufnahmen vor und während Corona, ein elektronischerer Teil folgt vielleicht noch in diesem Jahr. "Usual Places" zeigt das Trio dann auch in bester R'n'R-Verfassung: ein schmissiges stück dessen Lockerheit trotz des fortgeschrittenen Alters der Protagonisten nie erzwungen wirkt. Der Track fließt angenehm vorbei und schwemmt "Reward in Mind" gleich mit, das ebenfalls rockig mit noch gelungenerem Riff daherkommt und genauso ungefährliche Lyrics auffährt.

Die musikalische Weiterentwicklung von "Islands" greifen Ash nicht auf - was per se nicht schlecht ist. Schließlich waren die Nordiren in den 90ern, wie gesagt, eine tolle Band. Aber "Oslo" verkommt trotz der stimmlich stabilen Démira zur Pflichtübung – klingt nach: 'Jungs, machen wir noch eine getragene Streicherballade rein, das freut die netten Leute von der Plattenfirma.' Handwerklich sicher nicht verkehrt, Seele geht trotzdem anders.

Der Groove von "Like A God" macht es besser, man bleibt bei diesem 60s-Rock beeinflussten, deutlich schwereren Albumhighlight besser hängen. Die Lyrics von "Peanut Brain" geraten dann eine Spur zu simpel, musikalisch kommen wir zudem zwischen Pop-Punk und Alt-Rock wieder im Bereich mittelprächtig an.

"Crashed Out Wasted" beginnt zunächst schwachbrüstig und ziellos, Wheeler trägt den Song aber mit einer astreinen Performance bis hin zum zwei Minuten langen Schluss samt Gitarrensolo, in dem deutlich mehr zusammenfindet als noch zu Beginn des Tracks. Insgesamt macht der Song gut Druck und Laune. "Braindead" bleibt wie "Peanut Brain" – nur schlechter und gänzlich ohne Songideen.

Bei "Double Dare" kommt Dick Kurtaine, der zuletzt "Nu-Clear Sounds" mixte, mit an Bord - und dem Trio tut der Schuss (altes) Frischblut sehr gut. Der Song gewinnt dank Kurtaine eine nach vorne preschende Dramatik, die dem Rest des Albums abgeht. Kurtaine und Bassist Mark Hamilton zwängen das Biest runter und wieder hoch, dass es eine Freude ist.

"Over & Out" kommt als unterdurchschnittliche Rocknummer, zu der man wenig sagen kann: Alle Boxen sind gecheckt, Spaß macht der Track aber nicht. "Like A God (Reprise) schließt dann die Türe und greift die gelungene Bassline des Originalsongs einfach noch mal auf. "Race The Night" ist wahrlich kein Abgesang, dafür ist es viel zu souverän und handwerklich sauber eingespielt. Auf Konzerten werden die Fans trotzdem die alten Songs verlangen.

Trackliste

  1. 1. Race The Night
  2. 2. Usual Places
  3. 3. Reward In Mind
  4. 4. Oslo feat. Démira
  5. 5. Like A God
  6. 6. Peanut Brain
  7. 7. Crashed Out Wasted
  8. 8. Braindead
  9. 9. Double Dare
  10. 10. Over & Out
  11. 11. Like A God (Reprise)

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