laut.de-Kritik

Tipps für den Weltuntergang.

Review von

Dass wievielte Atmosphere-Album mit "Mi Vida Local" vorliegt, weiß das Hip-Hop-Duo aus Minneapolis selbst nicht. Mit "Southsiders" hörte 2014 das Zählen auf. Seitdem wird jedes neue Album in den Presseinfos als das siebte bezeichnet. Für Chronisten und Musikjournalisten ein riesiges Problem. Für Fans, die sich über den stetigen und vor allem qualitativ hochwertigen Output von Rapper Slug und Produzent Ant freuen, eine Randnotiz.

Seit "Fishing Blues" von 2016 ging es für Slug persönlich bergauf, da er die Sicherheit, nach der er sich sein Leben lang sehnte, in seiner Familie fand. Parallel dazu rückten Trump-Wähler und Klimawandelverweigerer in den politischen Vordergrund, wovon Slugs Texte profitieren.

"I might be the last generation of grandparents", lautet eine Schlüsselzeile auf der Platte. Sie beschreibt eine Urangst vor dem Weltuntergang, wie uns der Rapper im Interview verriet. Doch Hoffnung besteht. Sie muss sogar bestehen. Seine Kinder und zukünftigen Enkel kann er nicht aufgeben: "I'm just trying to keep my head above the hopelessness".

Den pessimistischen Grundton schütteln Atmosphere im Laufe der 49 Minuten nicht ganz ab. Einige Versuche wagen sie trotzdem. Für "Trim" nimmt Slug die Kritik, er wäre mit 46 Jahren und einem Haus voller Kinder endgültig in den "Dad Rap" abgerutscht, auf die Schippe. Wie ein liebestoller Teenager versucht er seiner Frau in den kinderfreien Stunden die "Mommy Jeans" vom Körper zu reißen: "Feeling like I miss you, but I'm living with you / Help me take the garbage out so I can try to kiss you".

Wie es der Albumname bereits verrät, fanden Atmosphere die Inspiration zu "Mi Vida Local" in ihrer Heimatstadt Minneapolis. Entsprechend schauen auf "Drown", "Earring" und "Randy Mosh" Kumpels aus der hiesigen Untergrundszene vorbei. Die Stars bleiben jedoch Slug und Ant. Gerade letzterer sorgte für eine Produktionsvielfalt, die das Duo seit "The Family Sign" von 2011 nicht mehr hatte. "Virgo" setzt auf eine einsame Akustikgitarre, "Graffiti" eröffnet mit einem Piano, das in ein Chor-Sample übergeht und auf "Jerome" schlängelt sich eine verlorene E-Gitarrenspur durch die Takte.

"Mi Vida Local" kann lähmend wirken, führt es dem Hörer doch die Probleme unserer Welt vor Augen. Es regt aber auch zum Kampf für das Gute an. "And that's what we supposed to do, I guess / Spread love 'til you've used your last breath", fasst es Slug auf "Graffiti" am besten zusammen.

Trackliste

  1. 1. Jerome
  2. 2. Stopwatch
  3. 3. Virgo
  4. 4. Delicate
  5. 5. Drown (feat. Cashinova, The Lioness & deM atlaS)
  6. 6. Anymore
  7. 7. Earring (feat. Musab)
  8. 8. Trim
  9. 9. Specificity
  10. 10. Mijo
  11. 11. Randy Mosh (feat. The Dynospectrum)
  12. 12. Graffiti

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