laut.de-Kritik

Hochgradig misanthropischer Metaebenen-Battle-Rap mit Hang zum Zynismus.

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Zuallererst war er blau, dann grün und jüngst auch noch lila. Dieser Samt, der seit fünfzehn Jahren durch Deutschrap geistert, war schon so ziemlich alles, nur nicht normal. Finden zumindest Audio88 & Yassin, und die bestimmen ja bekanntermaßen, was normal ist und was nicht.

In ihrem Fall ist das hochgradig misanthropischer Metaebenen-Battle-Rap mit Hang zum Zynismus. Also alles wie immer, könnte man meinen. Wäre da nicht dieser neue, "zugänglichere" Sound, der die beiden Antihelden des Deutschraps aus ihrer staubigen Rumpel-Nische befördert und somit ein Album zulässt, das den Titel tatsächlich rechtfertigt.

"Normaler Samt" macht nämlich all das richtig, was viele Alben dieser Zeit missen lassen: es bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen überspitzter Szenekritik und Selbstironie und macht dabei keinerlei Abstriche. Und das sogar auf einem Trap-Instrumental wie dem Intro, auf dem das "Duo Numero Burr [...] gegen die Kultur" schießt.

Ansonsten bleibt die Platte ihrer soundtechnischen Marschroute treu: Torky Tork verbindet nerdiges Diggertum mit brettharten Bummtschak-Produktionen, die nur so vor Wärme strotzen und dadurch mit der Verschachtelung vergangener Releases brechen. Ob mit entschleunigten Orgel-Klängen ("Die Welt Dreht Sich Weiter"), einem monströsen Carpet Patrol-Leftover ("Schmutzige Rapper") oder dem fast schon epischem Outro ("Das Letzte Lied") – Torky Tork leistet sich keinen Fehltritt. Genauso wenig wie Breaque, der sorgsam ausgewählte Cuts von Company Flow bis Action Bronson einstreut.

Ähnlich konsequent gehen Audio88 & Yassin auf ihrem selbsternannten Klassikeralbum zu Werke. Nicht ganz so Anti-Alles wie zu vergangen Tagen, doch wehe, wenn: "Dein Album könnte von uns sein, doch dann wär's wesentlich besser." Das bereits im Vorfeld veröffentlichte "Schmutzige Rapper" inklusive Kool Savas-Reminiszenz und Torch-Seitenhieb gibt den Leitfaden treffend vor: "Alle MCees sind Schmutz in Deutschland".

In eine ähnliche Kerbe schlagen das Backstage-Konfrontations-Szenario "Nett Sind Sie Alle", der Abgestumpftheits-Spott zeitgenössischer Kunst ("Mann Im Mond"), der vernichtende Posse-Cut "Normale Freunde", aus dessen Grund-Dopeness am ehesten noch DCVDNS, grim104 und Hiob hervorstechen. Oder ganz schlicht dein "Hundestammbaum".

Im Gegensatz dazu dreht sich ein nicht zu vernachlässigender Teil von Audio88 & Yassins Kunst auch um Kritik an gesellschaftlichen Gepflogenheiten. Die taucht zwar unterschwellig im gesamten Schaffen der beiden auf, nimmt auf "Normaler Samt" aber größeren Platz ein, als man hätte annehmen können. In "Taschentuch" als sarkastische First-World-Problem-Verhöhnung mit einem glänzend aufgelegten Mädness treibt es Audio88 dabei auf die Spitze: "Laktoseintoleranz – das Aids des kleinen Mannes".

Und spätestens, wenn "Das Letzte Lied" mitsamt geballter Pathosladung und Kinderchor dahinfadet und die beiden ihrem "Meilenstein des Mittelmaßes" huldigen, sollte klar sein: "Normaler Samt" ist vielleicht nicht das auf allen Ebenen kompromisslose Gegenmodell zum kommerzialisierten Deutschrap-Wahnsinn , bringt dank einiger Themen-/Konzeptsongs ("Täter Oder Opfer") und seiner Detailverliebtheit mit Sicherheit aber ein kleines Stück "Liebe zurück".

Trackliste

  1. 1. Normaler Samt
  2. 2. Schmutzige Rapper
  3. 3. Das Orakel Von Delfin (mit grim104)
  4. 4. Der Rest Der Band Stellt Sich Vor
  5. 5. Mann im Mond (mit Mädness & Döll)
  6. 6. Gangzeichen (Dresden)
  7. 7. Hundestammbaum
  8. 8. Die Welt dreht sich weiter
  9. 9. Köfte Und Schnitzel
  10. 10. Dieses Interlude
  11. 11. Täter Und Opfer (mit Enoq)
  12. 12. Taschentuch (mit Mädness & Tua)
  13. 13. Nett Sind Sie Alle
  14. 14. Normale Freunde (mit Hiob, Sylabil Spill, JAW, Mädness, Dexter, El Ray, Rufmord3000, Döll, DCVDNS, grim104, Morlockk Dilemma, Megaloh, Betty Ford Boys)
  15. 15. Das Letzte Lied

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