10. Mai 2022

"Wie willst du Rammstein toppen?"

Interview geführt von

Auf Songs von Fugazi, Madonna, Biz Markie, Abba und den Scorpions versammelt Aaron Bruno von Awolnation eine illustre Runde von Freunden, die sich mit ihm das Mikro teilen.

"My Echo, My Shadow, My Covers And Me" ist der klingende Titel des neuen Albums mit elf Covers, die zu gleichen Teilen Arbeitstherapie und Collabo-Album sind. Warum 2022 die richtige Zeit für ein vollwertiges Cover-Album ist und was genau ein "Scorpions-Moment" ist, verriet uns Awolnation-Chef Aaron Bruno bei einem morgendlichen Telefonat aus seinem Studio.

Guten Morgen, Aaron. Warst du heute schon am Surfbrett?

Heute nicht, aber in paar Tagen wird es klappen. Deshalb kümmere ich mich jetzt um alle anderen Aufgaben, dass ich dann den besten Wellen nachjagen kann. Ich mag auch diese Planung, die Wettervorhersagen, die Wissenschaft dahinter. Dann plane ich mein restliches Leben auch gerne danach, wann und wo die beste Welle zu finden ist. Aber dadurch konnte ich gestern und heute noch viele Sachen im Studio weiterbringen.

Wie wichtig ist dir dieser Ausgleich? Ist es für dich immer noch deine Inspirationsquelle für Kunst?

For sure. Natur im Ganzen, da geht's sicher vielen Künstlern nicht anders. Und es ist gut, auch etwas anderes als Musik zu haben, dass dich ausmacht. Nicht eindimensional zu sein, nicht nur Songwriter, nur Sänger oder nur Performer zu sein. Das Musikgeschäft ist ein ständiges Auf und Ab. Da ist es hilfreich, auch Leidenschaft für andere Dinge mitzubringen. Es ist egal, ob du mit Familie abhängst, ein Buch liest oder Golf spielst - so lange du damit deinen Kopf frei bekommst. Mir helfen diese Dinge, auf Reset zu gehen und offener für neue Ideen zu sein.

Als wir das letzte Mal gesprochen haben, war die Pandemie noch recht frisch. Der erste Lockdown war gerade in vollem Schwung. Wie sahen die zwei Jahre bis heute aus für dich? Wie leicht war es, trotzdem diese Offenheit für neue Ideen und Musik zu haben?

Nun, ich bin generell schon der Typ "Glass halb leer". Deshalb schreibe ich Songs, zu denen die Leute eine Bindung aufbauen. Diese Situation war so heftig und universell, dass ich instinktiv in diesen Modus ging und mich doppelt reinkniete. Ich sah es als Chance an: Reisen für Tourneen oder Promo waren vom Tisch, also habe ich es mir zuhause mit meiner Frau und meinem Hund gemütlich gemacht. Back to basics. Und weil ich nicht unbedingt neue Musik liefern musste nach meinem "letzten Album, kam die Cover-Idee auf.

In dieser beängstigenden, ungewissen Zeit wollte man vermehrt Musik hören, die einen in eine bekanntere, vielleicht unschuldigere Zeit zurückversetzt. Nostalgie hat etwas Beruhigendes. ich empfand es als sehr hilfreich, mich mit diesen bekannten Songs auseinander zu setzen. Gleichzeitig war das Album auch dieser angesprochene Reset und etwas, das ich schon immer machen wollte. Bisher kamen unsere paar Covers immer gut an. Ein neues Studioalbum war das letzte, was ich tun wollte, nachdem "Angel Miners" komplett im Lockdown versunken ist. Eigentlich ist das Cover-Album eine gute Art, mit dessen Tod abzuschließen.

Der Begriff Tod ist wohl etwas harsch, das letzte Album bleibt ja bestehen und ist eine starke Platte.

Dankeschön, aber da wir die Songs nie live gespielt haben, macht es die Platte irgendwie zu einem komischen Ding. Das ging allen so, ich will mich nicht beschweren. Musik ist Ausgleich, Flucht, Erlösung von den schweren Zeiten im Leben, egal ob Liebeskummer oder Tod. Musik machen war immer schon meine Therapie, und in dieser Zeit gleich doppelt. Sobald das Cover-Album im Kasten war, hat es mir direkt den Weg zur nächsten Awolnation-Platte eröffnet. Plus: Surfen war im wahrsten Sinne des Wortes die beste Form von Social Distancing.

Ich kann es nachfühlen, dass es in Krisenzeiten schwieriger wird, sich mit neuen Alben, Filmen oder Kunst zu beschäftigen und man eher bei seinen bewährten Gewohnheiten bleibt, die einem ein beruhigendes Gefühl geben.

Wenn du neue Musik gehört hast, war doch der riesige Elefant dieser globalen und kollektiven Situation im Raum: Wie kann man über neue Dinge schreiben und singen, wenn wir nicht mal unser Haus verlassen sollen? Wie ordnet man das ein? Bei Filmen war es ähnlich, wobei ich neben vielen schlechten Achtziger-Filmen aus meiner Jugend da die Zeit auch genutzt habe, um endlich ein paar alte Sci-Fi-Filme von meiner Watchlist zu streichen. Das war cool, da es ja auch keine neuen Serien damals gab, nachdem alles stoppte. Jetzt gerade gibt es wieder so viel neues Zeug - ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

"Ich kann ja nicht Beatles oder Nirvana covern."

Kommen wir zur Platte: Der aktuellste Song auf dem Album stammt aus dem Jahr 1997, "Flagpole Sitta" von Harvey Danger, die meisten entstammen den Achtzigern. Erklärst du dir das mit diesem "Komfortzone"-Argument von eben?

Ja, das Album sollte ein paar Songs haben, die jeder kennt, oder die man schon irgendwo gehört hat. "Beds Are Burning" zum Beispiel.

Ich glaube, dass viele junge Menschen das tolle Original von Midnight Oil noch nicht bewusst gehört haben. Aber man kennt die Nummer trotzdem, weil sie vielleicht in einem Lokal, im Fernsehen oder auf einer Party mal gelaufen ist. Diese Herangehensweise zieht sich durch die ganze Tracklist. Ich kann ja nicht die Beatles covern. Das geht nicht. Nirvana auch nicht, das wäre verrückt. Es sollte eine bunte Mischung sein. Songs, die mir Freude machen und die auch in meiner Vergangenheit immer wieder aufgetaucht sind.

Auf Reisen, vielleicht auf Pre-Show-Playlists oder einfach Lieblingssongs. Es gibt keine tiefere Bedeutung hinter der Songauswahl. Ich denke, "Alone Again" hat noch am ehesten lyrische Bedeutung, da ich das Album komplett allein aufgenommen habe. Mit Ausnahme der Gastauftritte der Künstler, denen ich das File geschickt habe und die auf den Tracks singen. Wir konnten nicht gemeinsam in einem Raum sein, daher beschreibt der Song die Umstände des Albums ziemlich gut. Und gleichzeitig konnte ich dadurch auch mit anderen Menschen abhängen, auch wenn ich jetzt nicht mit Beck oder Jewel in einem Raum war. Wir haben per E-Mail, SMS oder Telefon kommuniziert und es hat sich manchmal so angefühlt, als wären wir gemeinsam in einer Band.

Elf Songs schafften es aufs Album. Wie viele stehen noch auf der Liste?

Es gibt immer neue Kandidaten. Vielleicht mache ich in zehn Jahren nochmal so ein Album. Diese elf Songs waren für mich die einfachsten und auch emotional die richtigen. Dass ich dafür noch diese unterschiedlichen Künstler zusammen bekommen habe, machte es noch besser. Es war sinnvoll, andere Menschen an Bord zu haben, denn dieses Album ist auch Teil einer Partnerschaft mit der Jed Foundation, die sich für Mental Health einsetzt und dem Thema mehr Aufmerksamkeit geben soll. Was auf mehreren Ebenen großartig war. Unter anderem, dass die Arbeit an diesen Songs auch für meine eigene mentale Gesundheit sehr hilfreich war. Wenn du an den Songs von jemand anderem arbeitest, denkst du sicher nicht an dich selbst.

Gut, dass du es ansprichst, denn ich erkenne schon einen roten Faden bei einem Großteil der Songs: Mentale Gesundheit, innere Kämpfe, oft verbunden mit einem gefälligen äußerlichen Rahmen.

Nun, Musik hat mir schon immer das Gefühl gegeben, dass ich nicht der einzige Mensch im Universum bin, der etwas Bestimmtes fühlt. Angst, Unsicherheit, Betrug, Liebeskummer, Freude, Hoffnung, Inspiration – Musik deckt das alles ab. Es ist meine Therapie, meine Religion, meine Meditation, mein Alles. Ich hoffe, dass diese Songs bei anderen Menschen ähnlich wirken. Und ich hoffe, dass es zu einem guten Zeitpunkt kommt, da man wieder mehr und mehr zu einer Normalität zurückkehrt als noch vor sechs Monaten oder einem Jahr.

Wenn wir in die Songs reinschauen: Wie hast du ausgewählt, welcher Gast auf welchem Teil des Songs am besten passt?

Ich habe jeden Künstler und jede Künstlerin gebeten, den ganzen Song einzusingen. Normalerweise haben wir dann beide Stimmen im Refrain für die Harmonien und noch entweder eine oder zwei Strophen. Als ich dann ihre Gesangsspuren bekommen habe, wählte ich einfach aus, was für mich am meisten Sinn machte. Zum Beispiel war Taylor Hanson bei "Material Girl" in den Strophen so viel besser, als ich es jemals hätte sein können. Also hat er alle Strophen alleine übernommen. Der Song "Just A Friend" von Biz Markie war auch so ein Fall. Biz Markie rest in peace, er ist übrigens erst nach der Aufnahme dieser Version gestorben. Aber Hyro the Hero war einfach so gut und hat die Raps perfekt hinbekommen. Ich hab's auch versucht, klang aber scheiße. Ich bin da auch mein strengster Kritiker. Aber alle anderen sollten einfach so viel wie möglich einsingen und mein Engineer und ich haben dann gevotet, was wohin kommt.

Kanntest du eigentlich alle Gäste schon vorher?

Ich kannte alle bis auf Jewel und Beck. Zufälligerweise überschneiden sich die zwei Stories auch. Jewel hatte einen Fundraiser, für den ich angefragt wurde, einen Coversong beizusteuern. Ich wollte natürlich helfen, wusste aber nicht, welchen Song ich beisteuern sollte. Also habe ich einen Beck-Song ausgewählt, "Guess I'm Doing Fine" vom Album "Sea Change". Habe ihn live eingespielt und ihr geschickt. Beim Fundraiser hat Beck selbst mein Cover gesehen und meldete sich bei mir. Vielleicht hat er auch das Wort "beautiful" verwendet, ich weiß es nicht mehr. Auf jeden Fall war ich dann sowohl mit Beck als auch mit Jewel in Kontakt, daher eröffnete sich eine gute Chance, bei beiden anzufragen, ob sie auf diesem Album mitmachen wollen. Und beide haben sofort zugesagt.

Welche Absagen hast du bekommen?

Ein paar Leute haben abgesagt, das stimmt. Ein alter Freund hat einfach nur Nein gesagt, und ich danke ihm für die brutale Ehrlichkeit. Ich dachte mir schon, dass er es nicht machen wird, weil er einfach ungleich dicker im Geschäft ist. Aber versuchen muss man es ja trotzdem. Bei zwei anderen hat der Schedule nicht gepasst, aber meistens sagten die Leute zu. Die Jungs von Portugal. The Man waren sehr cool. Ich kannte nicht alle Bandmitglieder, aber habe mit ihrem Bassisten Zach schon Zeit verbracht. Ein toller Typ, ein großartiger Kommunikator. Also habe ich sie angefragt und sie sagten zu, was mich schon überrascht hat. Im Grunde hat es mich immer überrascht, wenn irgendwer zugesagt hat. Dann hat es sich aber zeitlich in die Länge gezogen, und es sah so aus, als würde es nicht mehr passieren. Deshalb habe ich noch Brandon von Incubus gefragt, den ich schon lange kenne. Er hat es gemacht und genau dann kamen die Portugal. The Man-Jungs in mein Studio und sangen ihre Spuren ein. Ein glücklicher Zufall, sehr unbeabsichtigt. Aber alle Parteien fanden es cool. Ich kann nur Gutes über sie sagen, sowohl menschlich als auch gesanglich.

"Rammstein war einfach nur wild"

Mit "Wind Of Change" von den Scorpions hast du auch deutsche Beteiligung auf dem Album. Wie stehst du zu den Scorpions? Hierzulande scheiden sich an der Band mitunter die Geister.

Riesige Power-Balladen sollte man sowieso nicht immer ernst nehmen. Mir gefällt der Song einfach, ich habe immer mitgesungen, wenn ich ihn gehört habe. Ich dachte, er würde Spaß machen und irgendwie lustig sein, weil es wahrscheinlich der bekannteste Song auf dem Album ist. Wenn du in Amerika aufwächst, wird er anderes interpretiert. Es ist einfach dieser fette Song von weit weg, mit diesen politischen Tönen im Video. Vor allem verbinde ich damit Kindheitserinnerungen: Abertausende Feuerzeuge im Stadion bei diesen Songs, was damals so unerreichbar ausgesehen hat. Als wir dann mit der Band auch vor größerem Publikum gespielt haben, habe ich mich immer daran erinnert und auch unsere Fans dazu ermutigt, ihre Feuerzeuge bzw. Smartphones hervorzuholen. Auf der Bühne sage ich dann: "Let's have a Scorpions moment". Wahrscheinlich hatten die ganzen Kids keine Ahnung, wovon ich spreche, aber für Leute in meinem Alter ist es klar. Hoch mit dem Feuerzeug für einen gemeinsamen Moment. Aus diesem Gefühl herau fand ich den Song gut für die Platte. Ich nehme mich und all diese Songs jetzt auch nicht zu ernst. Ich will mit keiner Version das Rad neu erfinden. Das sind alles großartige Songs und Künstler. Ich wollte lediglich ein bisschen Spaß haben und dem Song meinen Respekt erweisen.

Eine wirkliche Stiländerung passiert auch nur auf einem Song: "Flagpole Sitta" mit dem Feature von Elohim.

Das war keine Absicht. Elohim ist eine sehr gute Freundin, fast wie eine Schwester. Die Gesangsspur hat sie mir schon vor langer Zeit geschickt und ich habe den Song drumherum gebaut. Und jetzt passte es gut. Sie selber hat eine Version davon auf einer EP veröffentlicht, aber da passiert noch mehr. Meine Version ist etwas gechillter, was ihre tolle Stimme besser in den Vordergrund stellt.

Noch einmal zurück zu den Scorpions: Wie wärs mal mit anderen deutschen Bands? Kraftwerk, Rammstein?

Rammstein? Haha. Ich habe die einmal 1999 oder 2000 im L.A. Forum gesehen, auf so einer schrägen Tour mit Korn und Eminem oder so. Und die standen einfach in Flammen, als sie auf die Bühne gekommen sind. Ich meine, wie willst du das toppen? Ich erinnere mich auch an viele übertrieben sexuelle Dinge auf der Bühne. It was wild, man.

Wenn wir von Covers reden, welche Cover-Alben findest du persönlich toll?

Ganze Alben weniger, eher hier und da. Wie du weißt, liebe ich ja Weezer. Ihre Covers von "Take On Me" und natürlich "Africa" von Toto sind toll, wobei "Africa" ja sowieso einer der besten Songs ever ist. Natürlich sind auch die Covers von Nirvanas "Unplugged"-Album ganz ganz oben auf meiner Liste. "Where Did You Sleep Last Night?", die Sachen von den Meat Puppets, das Vaselines-Cover, "The Man Who Sold The World" von Bowie natürlich auch. Auch das Slayer-Cover-Album, wo sie unter anderem Minor Threat nachspielen, fand ich gut.

Zum Abschluss eine etwas andere Frage: In den Staaten war der Disney-Song "We Don't Talk About Bruno" wochenlang an der Spitze der Charts. Singen dir Menschen diesen Song jetzt auch vor wegen deines Nachnamens?

Ich kenne diesen Song leider nicht. Aber jetzt wo du es sagst: Ich hab mir letztens einen Burrito geholt. Bei solchen Sachen gebe ich meinen Namen immer als Bruno an statt Aaron, das wird zu oft missverstanden und dann schreiben sie Eric oder Sharon drauf. Und als ich das der Frau an der Kasse gesagt habe, meint sie: "Oh we don't talk about Bruno, haha". Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was sie meint. Das erklärt's jetzt.

Alles klar. Danke für das Gespräch!

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