24. März 2015

"Heute nimmt man Hip Hop ernst"

Interview geführt von

Aggro Berlin gehört längst der Vergangenheit an, doch kaum ein Independent-Label prägte Hip Hop-Deutschland so nachhaltig wie jenes mit dem Sägeblatt. Während Künstler wie Sido und Bushido konstant Gold-Platten sammeln und in ausverkauften Hallen spielen, hat sich B-Tight nach einem Ausflug Richtung Crossover wieder auf seine musikalischen Wurzeln besonnen und befindet sich zur Zeit auf ausgedehnter Club-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dort präsentiert er nicht nur sein aktuelles Album "Retro", sondern spielt auch jede Menge altbekannte Tracks.

B-Tight pflegt engen Kontakt zu seinen Fans und lädt zwei Stunden vor Konzertbeginn im Frankfurter 'Nachtleben' zum Meet & Greet: Gut gelaunt posiert er für Selfies, schreibt Autogramme, hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Anschließend nimmt er sich Zeit, um vor versammelter Runde unsere Fragen zu beantworten.

Gefühlt kommen gerade ständig neue Tour-Dates hinzu. Keine Lust mehr auf Zuhause?

(Lacht) Nein, so ist es natürlich nicht. Aber ich muss eben gucken, dass ich live vom Tempo her wieder anziehe und das Ganze ein bisschen größer wird. Gerade sind wir zu viert im Bobby-Car unterwegs. Ich hab' ja eine lange Pause hinter mir und muss jetzt ein bisschen ranklotzen. Neunzig Prozent meiner alten Texte konnte ich aber tatsächlich noch auswendig, das war total strange. Die sind bei den Proben einfach so rausgeflutscht und dann war alles cool.

Du hast in einem Interview gesagt, dass du dich durch das Album und die Tour wieder jung fühlen willst. Heißt das, du fühlst dich sonst richtig alt?

Ja, auf jeden Fall. Damals konnte man wirklich eine Woche durchsaufen und die ganze Zeit Party machen. Mittlerweile machst du das an einem Tag und brauchst die ganze Woche, um dich wieder zu regenerieren. Das geht schon in die Knochen, deswegen ist diese Tour jetzt nicht mehr so Rock'n'Roll, wie das damals war. Es ist schon lustig, ich bin ja auch kein Kind von Traurigkeit. Aber es wird nicht mehr so hart gefeiert wie damals.

Warum hast du eigentlich keinen Support-Act dabei? Credibil hab' ich zum Beispiel gerade hier rumsitzen sehen ...

Ja, das war aber eher Zufall, dass er heute dazukam. Ansonsten hätte ich eigentlich Schmökill beziehungsweise Grüne Medizin dabei gehabt, aber da ist leider jemand krank geworden. Jetzt spielt mein DJ halt ein paar Deutschrap-Klassiker vor dem Auftritt.

Spielst du lieber mit DJ im Rücken oder den B-Tight-Playaz?

Das hat beides seine Vorteile. In kleinen Clubs finde ich einen DJ besser. Aber in etwas größeren Venues mag ich es, wenn eine Band dabei ist. Dann passiert auf dieser großen Bühne einfach mehr, als wenn dauernd nur ein Rapper hin und her läuft. Das kann auf Dauer auch ein bisschen langweilig werden.

Wie siehts denn in deinem Publikum aus, im Vergleich zu früher?

Das ist tatsächlich ziemlich jung geblieben. Ich dachte, wenn ich jetzt auf Tour gehe, sind alle ungefähr in meinem Alter, so um die dreißig. Aber es gibt ganz viele, die sind siebzehn, achtzehn bis fünfundzwanzig. Die haben einfach sehr früh angefangen, meine Musik zu hören. Dann frage ich auch immer ganz fürsorglich: Was ist denn aus dir geworden? (Allgemeines Gelächter). Meistens sind das aber, wie man auch sieht, ganz normale Menschen, die im Leben stehen. Ich hab' sie nicht zu Junkies gemacht, also alles entspannt. Ihn vielleicht ein bisschen (zeigt auf jemanden, alle lachen).

"Retro" ist vor zwei Monaten erschienen. Bist du mit dem Feedback zufrieden?

Voll, das ist super. Ich hätte mir nicht erträumt, dass es so gut ankommt und sogar alle so positiv darüber schreiben. Das ist für mich eine Premiere. Und mit der Chartposition bin ich auch super zufrieden.

"Ich bekam in 24 Stunden über 1000 Nachrichten."

Hast du es selbst schon ein bisschen totgehört?

Nee, überhaupt nicht. Ich freue mich jeden Tag darauf, die Songs zu spielen. Für mich sind das irgendwie Evergreens. Normalerweise ist es ja so: Du nimmst das Album auf, produzierst es, bringst es raus und dann reicht es auch. Dann hast du keine Lust mehr, das zu hören. "Retro" kann ich aber immer noch reinwerfen und mich freuen, dass ich es gemacht habe.

Du hast gesagt, dass du ab Februar oder März wieder ein paar Newcomer auschecken willst, eventuell auch für dein Label. Bist du schon dazu gekommen?

Ich dachte, dass ich auf Tour total viel Zeit habe. Aber wir haben den Zeitplan so straff gehalten, dass ich überhaupt nicht dazu komme. Ich kann ein paar Nachrichten am Tag beantworten, aber nicht so viele, wie ich gerne schaffen würde.

Nach der rapupdate.de-News, dass du jede Nachricht persönlich beantwortest, kam wahrscheinlich noch viel mehr als vorher, oder?

Auf jeden Fall. Nachdem die das geschrieben hatten, kamen tatsächlich innerhalb von 24 Stunden über tausend Nachrichten. Die habe ich alle beantwortet. Auch wenn die nur schreiben "Beantwortest du das wirklich?", dann schreibe ich halt: "Ja, sieht so aus." (lacht). Wenn ich das sage, muss ich das auch machen. Wenn es natürlich irgendwelche Hater-Kommentare sind, schicke ich vielleicht nur einen Smiley zurück oder irgnorier' das dann mal. Das wär' sonst einfach zu viel Energie, die draufgeht.

Sonst hast du ja bei deinem Album vieles oder fast alles selbst gemacht. Die Boxen gepackt, Promo gemacht und so weiter. Wieso?

Ich denke, wenn es von Hand und mit Liebe gemacht ist, dann hat das einen ganz anderen Wert für die Leute. Zum Beispiel beim Basketball, da war ich riesiger Michael Jordan-Fan. Hätte der damals einen Ball produziert, verpackt oder was auch immer, dann hätte ich mich sehr gefreut. Und so, dachte ich, freuen sich die Leute, wenn sie etwas von mir bekommen.

Mir ist aber aufgefallen, dass du weder in der Juice noch auf dem Splash! vertreten warst oder bist. Warum nicht?

Das liegt daran, dass ich mal bei der Juice gearbeitet habe. Bis vor einen halben Jahr ungefähr. Ich habe Musik-Videos oder Beiträge für die gedreht, was sehr viel Spaß gemacht hat. Danach war es mir wichtig, dass keiner sagen kann: Der bekommt jetzt eine gute Bewertung oder ist bei der Juice-Party, weil er dort gearbeitet hat. Das fanden die zwar gar nicht gut, aber sie mussten sich eben entscheiden.

"Mein Wunsch wäre ein neues Royal TS-Album."

Findest du es einfacher, heute als Rapper Erfolg zu haben, weil es gerade so populär ist?

Nein, nicht unbedingt. Es ist aber mittlerweile sehr leicht, sich darzustellen. Aber erfolgreich damit zu sein, ist immer noch genau so schwer. Vielleicht sogar noch schwerer als vorher, weil es so viele Sachen gibt. Du musst aus der Masse herausstechen. Alle, die jetzt seit ein paar Jahren dabei sind und Erfolg haben, die haben sich den auch verdient.

Gibt es aktuell jemanden, von dem du sagen würdest, er prägt die Szene so wie ihr zu Aggro-Zeiten?

Das kann ich leider nicht sagen. Damals, als wir die ersten Erfolge in den Medien hatten, gab es so eine Art von Rap offiziell noch nicht. Es gab die Hamburg-Sachen, ein paar Münchner ... diesen "Quatsch-Hip Hop" sag' ich jetzt mal. Wir waren halt etwas ganz Neues und alles, was jetzt in die Richtung Ähnliches hinterherkommt, würde nicht so funktionieren, wenn wir nicht dafür gekämpft hätten. Und wir hatten wirklich viel zu kämpfen, damit Rap als Genre ernstgenommen wurde. Wir kamen da mit unseren 3XL-Sachen an und überall hieß es: "Guck mal, die Hip Hopper ... Süß!" (Allgemeines Gelächter). Und wenn du dann halt versucht hast, vernünftig mit den Leuten zu sprechen, haben die dich ausgelacht. Wenn du heute als Hip Hopper irgendwo hinkommst, heißt es eher: "Hoffentlich hat der nicht seine ganze Gang dabei ..." Jeder weiß mittlerweile, dass Hip Hop ein ernstzunehmendes und etabliertes Genre ist. Wenn man sich die Charts anguckt, dann merkt man das ja auch.

Was mir in den Interviews mit dir, besonders bei den Fan-Fragen, aufgefallen ist: Quasi jede zweite Frage dreht sich um dein Verhältnis zu diesem und jenen Rapper, und ob du dir ein Feature mit XY vorstellen könntest. Nervt das?

Nee, das interessiert die Leute halt. Anscheinend gucken sie sich aber nicht die anderen Videos an, sonst wüssten sie ja die Antwort. Als würdest du in der Schule nicht aufpassen und der Lehrer muss es ständig wiederholen. Nicht, dass ich jetzt der große Lehrer wäre, aber ... (lacht).

Dann schiebe ich gleich die Feature-Frage hinterher: Du hast gemeint, dass du Bock auf einen Track mit Teesy hättest. Hast du das schon angeleiert?

Stimmt, das hatte ich schon wieder vergessen. Aber jetzt, wo du's sagst! Noch nicht, aber das wird hoffentlich bei meinem nächsten Album was.

Apropos, hast du schon konkrete Pläne für die Zukunft?

Ich habe einen Jahres-Plan gemacht: Erstmal ein neues Album aufnehmen und mit Sido auf Tour gehen. Das steht zu 80 Prozent, wir müssen nur noch ein bisschen quatschen. Und danach ein Royal TS-Album. (Im Publikum bricht spontanes Jubeln aus.) Das ist nicht offiziell, ich habe nur gesagt, es wäre schön (lacht). Ich kann da nichts versprechen und muss schauen, wie wir das hinkriegen. Aber es wäre mein Wunsch, dass es so läuft.

Willst du auf deinem Solo-Album musikalisch bei dem "Retro"-Sound bleiben?

Im Moment macht mir das extrem viel Spaß, also wahrscheinlich schon. Auf Tour erfüllt es auch gerade mein Herz, diese Musik zu machen. Ich bin voll auf dem "Retro"-Film hängen geblieben. Ich habe auch schon Beats und Ideen gesammelt. Aber wer weiß schon, wie es nächstes oder übernächstes Jahr aussieht ...

Das sehen wir ja dann. Vielen Dank!

Ich danke dir, war sehr entspannt.

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