laut.de-Kritik
Ein bisschen DJ Bobo, ein bisschen Igorrr.
Review von Manuel BergerKurz schien die Zukunft Babymetals unklar. Im Oktober 2021 verkündete die Band ihren Abschied, erklärte sich selbst zu Mythos und lebender Legende. Was noch komme, wisse nur der Fuchsgott, hieß es… und dann herrschte tatsächlich Funkstille. Jedenfalls bis exakt ein Jahr später die Kampagne zum Konzeptalbum "The Other One" startete. Fans atmeten auf, Hater schüttelten mal wieder den Kopf. Beide zurecht, denn im Grunde bleibt alles beim Alten. Babymetal mörsern quer durch die Musiklandschaft und frankensteinen ihr eigenes Metalmonster.
Das "Konzept" der Platte ist schnell erklärt. Neben ihrer Hauptquest der vergangenen Jahre – "Metal Resistance" – habe die Band noch verschiedene Parallelwelten erkundet, so die Prämisse. Jeder der zehn neuen Songs repräsentiert eine davon. Kurzum: Es gibt eigentlich gar kein Konzept, man brauchte nur eine schöne Umschreibung, um das Material in den Babymetal-Kosmos einzubetten. Die vorherige Storyline war beendet und bleibt es auch. "The Other One" dient als eine Art Übergangswerk, bevor sie die nächste größere beginnen. Trotzdem passt die "1 Song, 1 Welt"-Metapher. Jedes Lied klingt anders.
Zuerst besuchen wir das "Metal Kingdom". Kaum geht das Tor auf, wähnt man sich in der Arena zum Endboss-Fight. Der Opener entfaltet genau das plakative, epische Setting, das der Titel nahelegt. Die Hook versprüht "König der Löwen"/World Music-Feel, die Gitarren wildern tiefgestimmt im Metalcore. Ein bisschen DJ Bobo, ein bisschen August Burns Red, ein bisschen Igorrr. Durch die Circle Pit-Maschine "Divine Attack – Shingeki" flirren Streicher, "Mirror Mirror" paart Nevermore-Riffing mit Plini-Melodien, Vocoder-Vocals, lushen Dreampop-Einschüben, Kamikaze-Breakdown und einem optimistischen Anime-Refrain. In "Maya" sagen Rammstein Hallo. Bei "Time Wave" pulsiert 4-to-the-floor-Beat zu Cascada-Synths. "Believing“ zitiert t.A.T.u.s "All The Things She Said" – no joke.
Als Highlight sticht "Metalizm" hervor. Es klingt wie der Soundtrack zu Mad Max im Tomorrowland. Die erste Minute bestreiten Babymetal ausnahmsweise völlig ohne Metal. Dafür wummert ein massiver Technobeat und rattert die Trap-HiHat. Man fiebert dem großen Drop entgegen, die Snare zieht an, die Hook lauert quasi schon um die Ecke ... doch statt einem euphorischen Chorus gniedelt plötzlich der Gitarrist los. Selbiges wiederholen Babymetal später nochmal. Statt klassischem Refrain gibts in diesem Song Gitarrensoli. Richtig gute noch dazu.
Haftete früheren Babymetal-Alben beim Kombinieren so vieler verschiedener Elemente immer auch etwas Hyperaktives an, wirkt "The Other One" grundsätzlich ernster, die Stücke kompakter. Schlüsselrolle dabei spielt neben der Produktion vor allem Su-Metal. "Metal Kingdom" funktioniert in erster Linie deshalb so gut, weil die Leadsängerin den Track über ruhige, konzentrierte Strophen und hymnische Eruptionen hinweg zusammenhält – mit einer Stimme, die noch um ein Vielfaches kräftiger strahlt als auf "Metal Galaxy" und die dynamischen Wechsel der Musik gekonnt stützt. Das gesteigerte Selbstbewusstsein am Mikro spiegelt sich auch auf dem Papier wider. Su-Metal hält auf "The Other One" erstmals einen Writing-Credit für einen Babymetal-Song ("Divine Attack – Shingeki").
Zum entstehenden Gesamtbild passt, dass die Band im Gegensatz zum Vorgängerwerk "Metal Galaxy" auf prominente Gastfeatures verzichtet. Dem Abwechslungsreichem tut das keinen Abbruch. "The Other One" mag insgesamt etwas weniger abgefahren ausfallen, trotzdem gibt es soundmäßig jede Menge zu entdecken. Fantastisch produziert spielt "The Other One" mit Klischees und hebelt sie gleichzeitig aus. Man könnte meinen, neun Jahre nach "Gimme Chocolate" sei der Witz langsam auserzählt. Stattdessen wird der Arschtritt für die Metalszene einfach nur härter. Babymetal bleiben eine der spannendsten Mainstream-Combos des Genres out there.
4 Kommentare mit einer Antwort
Feiere das wie Lauti die Fantas auf der Halfpipe!
Sie vereinen stets all das, was beim Metal in den letzten 30 Jahren schief gelaufen ist. Aber immerhin wissen sie das, und versuchen gar nicht erst, Hintern zu treten.
Für mich sind Babymetal die beste Frischzellenkur die sich der Metal hätte wünschen können. Dies war längst überfällig und funktioniert so perfekt weil sie den Metal nicht parodieren sondern lieben, leben und und um ein neues Genre erweitert haben!!! Sie haben das geschafft was niemand für möglich gehalten hat. Ich habe sie kürzlich live gesehen und bin auf ewig dankbar, dass es Babymetal gibt! Gläser hoch auf den Fuchsgott und seine Botschafter!!!
Super
Geil geil schwarze Band