laut.de-Kritik

Fünf ermutigende Lebenszeichen von Doherty.

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Ja, er ist zurück. Von Indie-Fans wie ein neuer Messias gefeiert, sorgte der ehemalige Freigeist Pete Doherty in den letzten zwei Jahren eher für negative Schlagzeilen. Drogenkonsum und eine unstetige Liaison mit Supermodel Kate Moss stellten für die Regenbogenpresse ein gefundenes Fressen dar. Dass er zu den wichtigsten und talentiertesten Indie-Künstlern des aktuellen Jahrzehnts zählt, verkam dabei zur Randnotiz.

Nun also, trotz Entziehungskuren und nicht enden wollenden Angriffen des verlogenen Boulevards, ein Lebenszeichen, eine EP. Hören wir einen Lückenbüßer oder ein kleines Geschenk aus dem Indie-Himmel? Der Opener und Titeltrack klingt vertraut. Er scheint eine Brücke zu schlagen zwischen den Libertines und den Babyshambles. Der Missing link erleichtert den Einstieg deutlich und man möchte den blassen Schlacks eigentlich gleich umarmen und zurück willkommen heißen in der Welt der Lebenden.

Und es passt ja auch so schön: "You might be free, freer than you've ever been", singt Doherty, und wenn ich ihm eines abnehme, dann ist es die Freiheit. Nicht von den Drogen, die ihn zu einer durchaus bemitleidenswerten Kreatur machen, sondern von gesellschaftlichen Konventionen. Auf eine komische Art und Weise verkörpert der Londoner Junkie eine Authentizität, die es ihm scheinbar erlaubt, auch heute noch als Fürsprecher einer Generation durchzugehen.

Das alles funktioniert natürlich nur, so lange er auch musikalisch mit den Nachahmern mithalten kann. Er muss sich nicht sorgen, denn auch das zum Schwofen einladende "Love You But You're Green" verleitet zum Schwelgen. Zart und verträumt gesteht er: "I was a troubled teen, untroubled only in my daydreams". Genauso verhält es sich wohl heute noch. Dream on, Wildhead, möchte man ihm zuflüstern.

Doch dann hat sichs ausgeträumt, mit "I Wish" liefern die Babyshambles eines der großartigsten Stücke ihrer Karriere ab. Die liebevolle und technisch perfekte Hommage an Twotone-Helden wie die Specials oder Selecter skankt so lässig und authentisch, dass man sich in den späten Siebzigern wähnt. "Nothing left in this place for the likes of me ... I got no money in my pockets you see", eignet sich Doherty musikalisch und textlich die working class an.

Mit Bigband-Drums eröffnet "Beg, Steal Or Borrow", und auch hier fühlt man sich fast wieder mehr an die Libs als an die Shambles selbst erinnert. Die verspielte Leadgitarre geht ins Ohr, allein die Tempiwechsel erinnern mehr an den eher experimentellen Albion-Sound der Babyshambles. Handclaps und Harmonika halten das Stück organisch und geben ihm eine warme Lebendigkeit.

Äußerst verhalten meldet sich zum Schluss "Sedative" an, und der Frontmann beginnt tatsächlich, wie leicht benommen zu singen, um sich im Refrain in scheinbar alter Stärke zu erinnern: "It's been a long long time since I've step outside into the morning sun", gefolgt von der Bitte "Would you take me out?" Fast bekommt man den Eindruck, er wäre bereit, das dunkle Kapitel seiner Abhängigkeit hinter sich zu lassen. Was wir hören ist nur Musik, doch diese Musik zeichnet ein ganz anderes Bild von dem Doherty, den wir blass und schwitzend kennen.

Er scheint stark, kreativ und bereit, die Babyshambles auch in Zukunft als Kopf anzuführen. Und man wünscht es ihm so sehr, dass er es schafft. Ein wahrer Freigeist würde sagen, er solle nach seiner Facon glücklich werden, ich bedanke mich für dieses kleine Geschenk und sage: "Du machst das schon, Pete!"

Trackliste

  1. 1. The Blinding
  2. 2. Love You But You're Green
  3. 3. I Wish
  4. 4. Beg, Steal Or Borrow
  5. 5. Sedative

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