laut.de-Kritik

Live höllisch gut.

Review von

Bad Religion. Ein Bandname, der wie wenige andere für die neuere Punkrockgeschichte steht. Eine Band, die wie kaum eine andere Melodie und Message, Anspruch und Appeal verbindet. Eine Band, die live höllisch gut ist. Wer das noch nicht am eigenen Leib erfahren hat, kann es jetzt im Wohnzimmer erleben.

Nach über 25 Jahren Bandgeschichte entschlossen sich Gurewitz, Graffin und Konsorten endlich, ein Livedokument zu veröffentlichen. Ein Live-Album gab es gewiss in den Neunzigern schon einmal, allerdings keinen Mitschnitt nur eines Konzerts. Und so gibt es auf "Live At The Palladium" dann auch die volle Packung. In ihrer Quasi-Hometown Los Angeles im namhaften Hollywood Palladium aufgenommen, kann man sich einen Auftritt aus dem letzten Jahr mit 31 Songs (!) zu Gemüte führen.

Ohne Zwischeneinblendungen dauert der Gig gut anderthalb Stunden, brutto ergeben sich locker zwei Stunden Spielzeit. Unter der Westküsten-Nachmittagssonne werden zu Beginn die ersten Die-Hard-Fans interviewt, die schon früh vor den Toren des Palladiums warten, später am Abend steht die Menge Schlange und geht jener scheinbar uramerikanischen Lieblingsbeschäftigung nach, sich wie ein Idiot aufzuführen, sobald eine Kamera in der Nähe ist.

Das Licht geht aus, und zum Intro, das bald in "Sinister Rouge" übergeht, betreten Greg Graffin, Brett Gurewitz, Jay Bentley, Greg Hetson, Brian Baker und Brooks Wackerman die Bühne. Was für eine Supercrew: Drei Gründungsmitglieder von Bad Religion, dazu Ex-Mitglieder von den Circle Jerks, Minor Threat und den Suicidal Tendencies. Fetter gehts kaum. Doch wer meint, diese Jungs haben alles gesehen und agieren entsprechend, irrt. Jeder gibt alles, Wackerman liefer Worldcup-Drumming ab, der sonst eher introvertiert wirkende Gurewitz rennt im Kreis, Hetson springt wie ein Derwisch und Graffin fuchtelt in der Gegend rum, bis sein Hemd am Ende komplett durchnässt ist.

Zwischen dem Potpourri - es fehlt kaum ein wichtiger Song - kommen in Interviewschnipseln immer wieder Fans zu Wort, die danach gefragt werden, was die Band aus dem San Fernando Valley eigentlich so besonders macht (klar, die Tatsache, dass man ihre Lyrics ohne Wörterbuch kaum versteht), und natürlich die Bandmitglieder selbst. Sie stehen ausführlich Rede und Antwort zur Bandgeschichte und zu ihrem Selbstverständnis. Höchst interessant für Fans und Nichteingeweihte, vor allem, weil sie auch unverblümt über den Ausstieg von und die Zeit ohne Gurewitz reden. Wer mag, kann sich das Konzert natürlich auch am Stück ohne Unterbrechung ansehen.

Die technische Umsetzung gelingt leider nicht immer zur hundertprozentigen Zufriedenheit, mitunter wird der Sound auf einmal unerklärlich leise, und auch die Kameraführung ist eher schlecht gemachtes MTV als gut gemachter Livemitschnitt. Ganz so viele Wackler und Schnitte hätten es dann doch nicht sein müssen. Was die Lichtshow angeht, darüber kann man streiten, mir ist es einen Tick zu bunt. Dennoch, es ist und bleibt eindeutig, dass Bad Religion auch oder vielleicht gerade zu sechst nach all den Jahren eine Superliveband sind.

Das Ganze kommt in einer superschicken Verpackung und mit einigen mehr oder weniger sinnvollen Extras. Die beiden Fernsehauftritte aus den Anfangstagen von 1980 und 1982 sind höchst unterhaltsam; beim Ersten dürfen sie dämliche Fragen bezüglich ihres Bandnamens beantworten, wobei erstaunlicherweise Graffin ganz schön ins Schwimmen kommt, während Gurewitz abgeklärt aufklärt. Beim zweiten Auftritt in der selben Show tragen die beiden Masterminds Motörhead-T-Shirts und Graffin obendrein noch eine Punk-as-fuck-Lederjacke. Those were the days.

Die Sammlung von sechs Videos aus den letzten dreizehn Jahren ist ein wenig mager und sicher mal ein Fall für eine richtige Videographie, und auch die Fotos schaut man sich sicher nur einmal an. Aber das Konzert bleibt, und das macht großen Spaß.

Trackliste

Live At The Palladium

  1. 1. Sinister Rouge
  2. 2. All There Is
  3. 3. No Control
  4. 4. Supersonic
  5. 5. Social Suicide
  6. 6. Los Angeles Is Burning
  7. 7. Modern Man
  8. 8. Kyoto Now
  9. 9. Stranger Than Fiction
  10. 10. Struck A Nerve
  11. 11. Let Them Eat War
  12. 12. Suffer
  13. 13. Change Of Ideas
  14. 14. God's Love
  15. 15. Recipe For Hate
  16. 16. Atomic Garden
  17. 17. 10 In 2010
  18. 18. You
  19. 19. Come Join Us
  20. 20. I Want To Conquer The World
  21. 21. 21st Century Digital Boy
  22. 22. Generator
  23. 23. Fuck Armageddon
  24. 24. Anesthesia
  25. 25. Infected
  26. 26. Cease
  27. 27. American Jesus
  28. 28. Along The Way
  29. 29. Do What You Want
  30. 30. We're Only Gonna Die
  31. 31. Sorrow

Extras

  1. 1. Live at New Wave Theater Show 1980
  2. 2. Live at New Wave Theater Show 1982
  3. 3. Los Angeles Is Burning Video
  4. 4. Broken Video
  5. 5. Sorrow Video
  6. 6. Struck A Nerve Video
  7. 7. American Jesus Video
  8. 8. Atomic Garden Video
  9. 9. Foto Gallery

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