22. Dezember 2021

"Viele Deutschrap-Hörer sind sehr toxisch"

Interview geführt von

Zwei Jahre liegt es nun zurück, dass Universal Music Badmómzjay mit einem Künstlervertrag bedachte und mit dem Song "Zirkus" selbigen um die Rapperin herum eröffnete. Mit ihrem Debütalbum findet er nun einen vorläufigen Höhepunkt.

"Ich kann euch gar nicht beschreiben, was dieses Album für ein Kampf war. Da steckt genauso viel Liebe wie Hass drin." Ihr Statement zur Veröffentlichung von "Badmómz." lässt erahnen, wie schwer die Geburt ihres Debüts auf sie gewirkt haben muss. Mitte Dezember steht Badmómzjay zum telefonischen Interview bereit, um über die Albumaufnahmen, den Weltschmerz ihrer Generation, unterstützende Fans, toxische Deutschrap-Hörer und übergroße Rapper-Egos zu sprechen.

Du wurdest vor etwa zwei Jahren einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Damals haben Kollegen spekuliert, dass dein Label dich verheizen könnte. Am Ende hast du zwei Jahre Zeit bekommen. Bestand von Seiten des Labels keine Eile?

Nein, tatsächlich gar nicht, wir verstehen uns alle sehr gut. Ich bin sehr frei in meiner Kunst und kann so lange daran herumwerkeln, bis für uns und für mich alles fein ist. Ich arbeite einfach immer konstant weiter und gehe mit dem Flow mit.

Ich bilde mir ein, dir in Songs wie "Don't Play Me" dein Training am Mirko anzuhören. In meiner Review stelle ich dich als Rap-Handwerkerin der eher intuitiven Haiyti gegenüber. Findest du dich darin wieder?

Du meinst im Training, um meine Skills zu verbessern? Ja, ich bin allgemein sehr krass gewachsen in den letzten Jahren und habe mich auch flowtechnisch verbessert, aber ich denke, das ist normal. Übung macht den Meister. Je öfter du im Studio bist, desto schneller verändert sich alles. Aber dafür machen wir es ja auch.

Du hast auf "Weißt Du Wer Ich Bin?" auch gesungen. Bei vielen Rappern fällt es eher unangenehm aus, wenn sie das wagen. Hast du Gesangsunterricht genommen?

Ich hatte nie Gesangsunterricht, aber bevor ich gerappt habe, hatte ich mein ganzes Leben schon gesungen. Ich habe nur für mich selbst gesungen, aber meine Stimme hat sich über die Jahre einfach extrem weiterentwickelt. Das habe ich mir mehr oder weniger alles selbst beigebracht. Deswegen ist es für mich nichts Neues. Ich kann es und weiß, wann ich es einzusetzen habe. Nur ist es nicht das, was ich machen möchte.

Also hat es dich auch keine Überwindung gekostet auf dem Album?

Nein, gar nicht. Es hat mich Überwindung gekostet, über die Themen zu singen, über die ich gesungen habe, aber allgemein zu singen nicht.

Du hast die Arbeit an dem Album mit einer "Gruppenarbeit in der Schule" verglichen. Wie wichtig ist dir dieser Teamgedanke?

Ich habe angefangen, mit diesem Team Musik zu machen und wir sind immer noch alle zusammen. Es ist mir unglaublich wichtig, dass es so bestehen bleibt. Ich bin nur von Leuten umgeben, von denen ich auch umgeben sein möchte. Ich fühle mich wohl, das ist mein Safe Place. Alle sind unglaublich talentiert und immer darauf fokussiert, dass alles so ist, wie ich es haben möchte. Und sie glauben sehr an meine Kunst.

Fühlst du dich durch das Team auch innerhalb dieser Industrie geschützt? Nicht jeder ist ja in jungen Jahren so abgebrüht.

Ich weiß, dass ich selbst sehr stark bin. Und ich weiß, was ich will und kann mich durchsetzen. Tatsächlich habe ich vor der Szene an sich nicht wirklich Angst, weil ich weiß, wer ich bin. Und ich weiß, wer ich sein kann. Aber natürlich fühle ich mich bestärkter, wenn die anderen auch um mich herum sind. Das sind alles sehr starke Personen und wir ziehen alle an einem Strang.

Du hast zur Veröffentlichung von "Badmómz." auf Instagram geschrieben: "Ich kann euch gar nicht beschreiben, was dieses Album für ein Kampf war. Da steckt genauso viel Liebe wie Hass drin." Kannst du das erläutern?

Wenn man sich das Album anhört, merkt man, dass es immer hoch und runter geht. Das sind manchmal Songs, die voll nach vorne gehen und happy sind. Dann gibt es sehr traurige Songs oder welche, in denen ich sehr wütend bin. Und genauso war das Album: Ein konstanter Kampf – auch mit mir selbst und was ich fühle. Es stecken sehr viel Liebe und Glücksgefühle darin, aber auch sehr viel Hass und Momente, in denen ich sehr traurig oder wütend auf alles war. Das spiegelt sich auf jeden Fall in den Songs wider.

"Es gibt einfach viele böse Menschen."

Du legst großen Wert auf Themen wie Depressionen oder Überforderung mit der Außenwelt, die du in Songs wie "Sterne Unterm Dach" oder "Zimmer Allein" verarbeitest. Siehst du diese psychischen Erkrankungen als typisches Problem deiner Generation?

Ja, ich merke immer wieder, dass Leute aus meiner Generation irgendwie alle sehr traurig sind, was mich auch sehr traurig macht anzusehen. Wenn ich über solche Themen rede, kriege ich sehr viel Feedback. Ich merke, dass ich meiner Community sehr helfe, weil viele damit struggeln. Aber ich glaube, dass es ein allgemeines Problem in unserer Gesellschaft ist. Und ein allgemeines Problem in jeder Generation, nur dass die jüngeren Leute viel mehr woke sind und darüber sprechen. Es ist jetzt anerkannt, dass man darüber redet und den Leuten hilft. Früher wurdest du nur als schwach angesehen oder du warst einfach nur eine kranke Person, mit der niemand etwas zu tun haben wollte. Und jetzt reden die Leute offen darüber. Deswegen kommt es glaube ich so herüber, als wäre das ein Ding unserer Generation, aber die Menschen waren schon immer traurig.

Weshalb sind die Menschen traurig? Ist es der allgemeine Zustand der Welt oder das Leben in Deutschland?

Ich glaube, es ist einfach der Weltschmerz. Und weil viele Leute sich nicht so sehr mit sich selbst beschäftigen und dadurch andere Leute falsch behandeln. Viele Menschen sind einfach eingeschränkt. Eltern gehen falsch mit ihren Kindern um. Ich glaube, es hat viele Ursachen. Es gibt einfach viele böse Menschen. [lachen]

Depressionen spielen im deutschen Rap generell eine größer werdende Rolle. Mehrere Rapper haben dieses Jahr Alben veröffentlicht, die sich zum Großteil darum drehen. Findest du dich in dieser Musik wieder?

Ich finde allgemein, wenn Leute über Panikattacken oder was sie beschäftigt rappen, ist es immer ein Schritt weiter zu einer offeneren Gesellschaft. Auch weil viele Deutschrap-Hörer sehr toxic sind, was man sagen muss. Ist ja einfach so. Wenn die von ihren Lieblingsrappern, die sonst eher so aggressive Sachen machen, auch mal diesen Einblick bekommen und sehen, dass es denen auch schlecht geht, dann wird man ein bisschen offener für solche Dinge.

Hat sich deine psychische Gesundheit durch die Pandemie verschlimmert? Oder rechnest du ohnehin mit dem Schlimmsten?

Ich finde, es ist immer ein Auf und Ab. Manchmal komme ich sehr gut damit klar und händele es voll gut. Ich mache einfach das gleich wie die anderen Leute auch: Mich an die Regeln halten und das Beste daraus machen. Aber jetzt in dieser Winterzeit, in der es so schnell dunkel wird, kann es manchmal ziemlich belastend sein. Man entwickelt so eine Panikstörung, wenn dieses Thema aufkommt. Wann hört es auf? Wann wird es weniger? Sind wir immer noch am selben Punkt? Es fühlt sich irgendwie so an, als würde jetzt wieder all das passieren, was am Anfang schon passiert ist. Und man weiß irgendwie nicht, wo das Ende ist.

Der Zeit hast du erzählt, dass du generell unter sehr viel Angst leidest, selbst wenn es nur darum gehe, zum Rewe zu gehen. Fürchtest du dich auch vor solchen Interviewterminen?

Angst ist immer ein Teil von mir. Auf der einen Seite bin ich sehr stark, traue mir viele Dinge zu und ziehe auch alles durch, aber trotzdem sitzt die Angst immer auf meiner Schulter. Das ist tatsächlich bei vielen Dingen so. Ich habe keine Angst vor dem Interview an sich, sondern eher vor der Konfrontation mit anderen Menschen. Sehr oft habe ich mitbekommen, dass ich anecke. Ich weiß, dass viele Leute mich nicht verstehen. Viele Sachen kommen bei anderen Menschen nicht so an, wie ich sie sagen will. Deswegen habe ich allgemein immer ein bisschen Angst, aber ich bin trotzdem sehr gefestigt in meiner Person.

Du hast der Zeit auch erzählt: In der Oberschule wurde über mich so ziemlich alles gesagt, was man so sagen kann." Du hättest dadurch gelernt, "nicht über andere zu urteilen". Wie gehst du auf der anderen Seite damit um, wenn über dich geurteilt wird? Jetzt stehst du ja dauerhaft im Fokus.

Tatsächlich gehe ich damit gar nicht mehr um. Ich habe gelernt, es nicht mehr so emotional zu sehen und erst recht nicht persönlich zu nehmen. Die Leute da draußen kennen mich nicht. Sie verbringen nicht jeden Tag mit mir und wissen, wie ticke und fühle. Es ist sehr einfach, zu jemandem im Internet seine Meinung zu sagen. Das kann ich ja auch über jeden machen. Die Leute können gerne urteilen, feel free, aber das hat nichts mit mir zu tun am Ende.

Wie findest du es denn, wenn du gelobt wirst? Farid Bang meinte neulich, du seist "stabiler als viele Gangsterrapper". Freut dich das oder geht das auch eher an dir vorbei?

Ich nehme alles sehr dankend an, was Liebe ist. Meine Fans sind jeden Tag unglaublich nett. Und egal, welche Person mich aus der Szene supportet, feiert oder wie Farid sagt, dass ich krass bin, sowas nehme ich natürlich an. Ich finde auch unglaublich wichtig, dass das passiert. Liebe überwiegt einfach. Deswegen mache ich mir um diese schlimmen Sachen nicht so viel Kopf, weil ich sehe, dass der Support von den Leuten immer stärker ist als die anderen Kritiken.

"Die deutsche Rap-Szene ist dominiert von Leuten mit sehr großen Egos."

In "Hahaha" greifst du die Geschwätzigkeit der Szene an, wenn du bemängelst, dass Rapper dich nach einem Feature fragen und dich hinterher angreifen. Herrscht dir zu viel Klatsch und Tratsch im Rap?

Ich bin sehr auf mich fokussiert. Deswegen kümmere ich mich nicht wirklich darum, was die anderen machen. Aber was natürlich einfach offensichtlich ist: Die deutsche Rap-Szene ist dominiert von Leuten mit sehr großen Egos. Es fällt denen auch sehr schwer, die Egos beiseite zu legen. Ich glaube, das ist ein allgemeines Problem.

À propos große Egos: Ich habe einige Interviews gesehen, die du bei Radiosendern gegeben hast. Und die fand ich wirklich ganz furchtbar, weil sich diese Moderatoren derart in den Mittelpunkt rücken. Wie erlebst du diese Interviews?

Ich finde, man sieht und merkt mir an, wenn ich beruhigt und nicht nervös bin. Dann rede ich ganz offen, bin voll drin und sage genau das, was ich sagen will. Man merkt mir aber auch an, wenn ich sehr krampfig bin, über meine eigenen Worte stolpere und die ganze Zeit darauf achte, was ich sage und wie ich es sage. Das habe ich auch selbst beobachtet. Es gibt halt Leute, die mir ein gutes Gefühl geben. Und es gibt Leute, bei denen ich halt ein bisschen nervös bin, weil die mir ein bisschen zu viel sind.

Hast du den Eindruck, dass du anders interviewt wirst als deine männlichen Kollegen?

Mir werden vielleicht mehr Fragen zu Frauen im Rap-Game und Female Empowerment gestellt. Es wäre ja auch mal cool, wenn den männlichen Leuten gefragt werden, was sie darüber denken, wie es als Frau im Rap-Game ist.

Warum wird das nicht gemacht?

Bei manchen Leuten hat man vielleicht schon so eine Ahnung hat, was für eine Antwort kommt...

Du meinst, im Zweifelsfall kommt sowieso etwas Frauenfeindliches?

Ja, entweder kommt so etwas oder nichts mit Hand und Fuß, keine krasse Aussage, die irgendwas verändert.

Bei Markus Kavka hast du betont: "Ich habe einen Impact auf die Leute und ich nutze meine Stimme richtig." War dir diese Vorbildfunktion von Anfang an wichtig und auch klar, dass du sie ausfüllen wirst?

Ja, weil ich schon sehr oft bemerkt habe, dass ich eine krasse Wirkung auf Leute habe und sie gezielt zu mir kommen, um meine Ansichten zu hören. Auch als ich noch jünger war. Als ich dann im Internet angefangen habe über Sachen zu reden, ist es mir noch mehr aufgefallen, dass ich eine Wirkung auf die Menschen habe. Dann wusste ich, dass ich es positiv nutzen kann, um sie in gute Richtungen zu lenken. Deswegen habe ich das von Anfang an immer gemacht.

Hast du eine Vorstellung davon, was diese Wirkung ausmacht? Woher kommt das?

Ich glaube, es gibt einfach Leute, denen du die Dinge abkaufst. Erst recht, wenn du ein Mensch bist, der fühlen kann, wenn sie es wirklich ernst meinen. Wenn du fühlen kannst, dass die Leute das jetzt nicht gerade machen, weil sie es müssen, sondern weil sie es wirklich wollen. Ich glaube, ich strahle einfach etwas aus, was sie wissen lässt, dass ich es ernst meine. Ich will wirklich einfach nur Liebe verbreiten.

Du bist also praktisch ganz klassisch authentisch. Was viele von sich behaupten...

...aber es nicht sind.

Da sich deine Texte stark um Selbstfindung und Empowerment drehen, habe ich sie als "Teenie-Musik im besten Sinne" bezeichnet. Kannst du diese Beschreibung für dich annehmen? Dass du ganz klassisch Teenager-Probleme und –Themen ansprichst und verarbeitest?

Ich würde sagen, ich mache Musik für jeden. Klar, ich spreche natürlich viele Teenie-Themen an, weil es meine Generation ist und ich ein Teenie bin. Aber ich habe auch sehr viele Leute in meiner Community, die wesentlich älter sind und schon Kinder haben. Emotionale Songs wie "Supernova" oder "..." betreffen jeden. Ich will einfach nur Menschen empowern, glücklich machen und dafür sorgen, dass sie sich gut in ihrem eigenen Körper fühlen.

Du versprichst: "Top 3 von allen Rappern hier, Top 2 in Sachen Sex-Appeal. Nach diesem Jahr bin ich die Beste hier." Was macht den Besten oder die Beste aus?

Für mich macht den Besten aus, dass er authentisch ist und seine Stimmt nutzt. Man muss ihm die Kunst abkaufen. Und er muss durchziehen, ohne andere in den Schatten stellen zu wollen oder anzufeinden. Er muss einen Weg verfolgen, aber nicht in so einem Ego-Modus, sondern einfach im Sinne seiner Community und auch allgemein der Welt.

Der Beste zeichnet sich also nicht dadurch aus, dass er der technisch beste Rapper ist, sondern einen anständigen Charakter hat.

Klar, rappen sollte man vielleicht auch schon können, aber das ist nicht alles, denn das können viele. Viele können im Takt klatschen oder tanzen, aber das macht sie nicht zu den Besten. Dazu gehören viele andere Dinge. Deswegen finde ich es immer lustig, wenn ich so Kommentare lese, wie [äfft nach]: 'Das kann ja jeder. Wenn Badmómzjay jetzt der beste German Act ist, dann kann ich das ja auch sein.' Nein, ich glaube, die Leute verstehen nicht, was hinter den Kulissen abgeht, was du alles machen und wie stak du sein musst. Da gehören so viele Sachen mehr dazu, als nur stumpf ins Mic zu rappen.

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