laut.de-Kritik

Scheißt der Bbou in den Wald?

Review von

Wenn man gleich beim Titel des Einstiegstracks innerlich zusammenzuckt, dann ... ja, dann haben Kollegah, Shindy und die vereinigte Querschwurblerfront ganze Arbeit geleistet und den Begriff "Freigeist" erfolgreich besudelt und verbrannt. Dass Bbou eine Anspielung in irgendeine dieser Richtungen im Sinn hatte, ist allerdings nicht anzunehmen. Wahrscheinlich hat er in seinem Wald-und-Wiesen-Idyll noch nicht einmal mitbekommen, was andere unter dem Etikett "Free Spirit" so alles in die Runde blubbern. Nö, dieser Mann ist einfach im wahrsten, echtesten und besten Sinne ein Freigeist. Frei von Zwängen und Konventionen, oft auch frei von Klamotten, Hemmungen und jedem Schamgefühl spaziert der Hippierapper aus der Oberpfalz durch sein Leben und kommt zu dem beneidenswerten Schluss: "Grod Schey Is".

Unabhängig davon, wie gelungen man sein Album findet, egal, ob man seinen Rübenbauerndialekt verstehen oder auch nur halbwegs ertragen kann: Um seine gelassene Zufriedenheit kann man Bbou wirklich nur beneiden. Statt Geld, Fame oder irgendwelchen Moden nachzurennen, hat er sich in seiner kleinen Welt mit einigen Gleichgesinnten gemütlich eingerichtet. Er erfreut sich am Wald, an Blumen, Getier, Luft und Liebe, der einen oder anderen bewusstseinserweiternden Substanz und einer (offensichtlich gar prächtig funktionierenden) Verdauung.

Die Lagerfeuergitarrendichte ist hoch. Welches Instrument passte auch besser zu einem barfuß durch die Flur stromernden Aussteiger? Eben. Authentizität, Baby! An Realness mangelt es Bbou und seiner halben Handvoll Mitstreiter jedenfalls nicht. Zudem verströmen sie eine geerdete Entspanntheit, die man auch manchem FOMO-getriebenen Großstadtkind von Herzen wünschen würde. Zum Lifestyle-Guru, der stressgeplagten Manager*innen den Weg zurück zur Natur weist, taugt Bbou allerdings gar nicht. Predigen? Viel zu anstrengend. Er erzählt lieber locker, wie er die Dinge handhabt. Wer sich dann dazusetzen will und sich nicht nicht daran stört, dass es vielleicht ein bisschen mieft, ist an seinem Feuer jederzeit herzlich willkommen.

Ja, es wirkt oft genug wie eine Postkarte aus Utopia, wenn Bbou Hippiephrasen des Kalibers "Liebe und Frieden hat jeder auf dieser Welt verdient" drischt, aber macht das die Vorstellung von Liebe und Frieden für alle deswegen weniger erstrebenswert oder weniger schön? Kleinigkeiten schätzen, den Moment genießen, das Wunder des Lebens feiern, sich eins fühlen mit Flora und Fauna, sich gelegentlich an den Errungenschaften von Dr. Albert Hofmann delektieren und einen telepathischen Gruß von der Erde in die Milchstraße entsenden: Im Grunde spricht doch wirklich wenig gegen diese Lebensart.

Im Albumformat funktioniert "Grod Schey Is" trotzdem nur so mittelgut, leider. Bbou hat dafür ganz offensichtlich schlicht zu wenig zu erzählen. Oder warum sonst musste er die verzichtbare Volkslied-Witzelei "Da Franz" oder das, mit Verlaub, echt beschissene Skit "Auf Diesem Scheiszhaus" mitnehmen? Letzteres erklärt sich vermutlich damit, dass, wenn man die Verpflichtungen des bürgerlichen Lebens erst erfolgreich abgestreift hat, als Taktgeber für die Tage nur noch das Kacken bleibt. Für Bbou jedenfalls ganz offensichtlich eine Riesensache.

Berichte über den richtigen Sitzwinkel zum und das Ergebnis vom "Shicen Im Wold" habe ich trotzdem in etwa so dringend gebraucht wie detaillierte Ausführungen über Intim- und sonstige Behaarung (über "Houah", wie der Oberpfälzer sagt). Viel lieber hätte ich mir öfter die Nicht-Aussteiger-Gesellschaft aus seiner Eremiten-Perspektive heraus beschreiben lassen. Wenn er das einmal tut, zeigt sich Bbou nämlich ausgesprochen scharfsichtig. "Industriestandard" etwa erklärt bestens den (eigentlich ja auf der Hand liegenden) Zusammenhang zwischen Behandlung von Mitarbeiter*innen und deren Arbeitsleistung.

"A Bayer Trinkt A Bier" geht maximal bei oberflächlicher Betrachtung als kritiklose Abfeierei von Suff und Tradition durch. Trotzdem: Die Gefahr ist durchaus gegeben, dass diese Nummer das "Fight For Your Right"-Schicksal erleidet und gerade die Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Fraktion, deren Engstirnigkeit und Bigotterie Bbou da ja eigentlich vorführt, das abfeiert. Mit den finsteren, teils aus ploppenden Flaschen zusammengeloopten Samples ist das jedenfalls einer der einprägsameren Beats.

Wahrscheinlich auch, weil er aus der Reihe fällt: In der Regel geht es, passend zum Inhalt, entspannter, freundlicher, melodischer zu, oder träge einlullend in "Kneippkur". Das oldschool vor sich hin schrappende "Freigeist" birgt Spuren von Funk, an vielen anderen Stellen sickert Reggae-Vibe durch. Vogelgezwitscher? Versteht sich von selbst. Das Instrumental von "Hippies" weckt gute Erinnerungen an "He Got Game", bei "Feia Lou Niad Nou" sind wir dann eher in "Knocking On Heaven's Door"-Gefilden angekommen, außerdem endlich am Lagerfeuer, wo diese Platte wirklich bestens aufgehoben ist.

Gruß vom Übersetzungs-Service übrigens noch: Auch, wenn Bbou öfter klingt, als habe er tief, tief in eine reingeschaut, mit einer Bong hat "Regenbong" nix zu tun. Das unaufgeregte Liebeslied besingt einen Besenritt zum RegenBOGEN. Bitte, gern geschehen.

Trackliste

  1. 1. Freigeist
  2. 2. Hippies feat. Taju7
  3. 3. Shicen Im Wold
  4. 4. Kneippkur feat. Kiste
  5. 5. A Bayer Trinkt A Bier feat. Monaco F
  6. 6. Da Franz
  7. 7. Houah
  8. 8. Auf Diesem Scheiszhaus
  9. 9. Industriestandard
  10. 10. Geniesz Ma Die Zeit feat. Taju7
  11. 11. Regenbong
  12. 12. Feia Lou Niad Nou
  13. 13. Grod Schey Is

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