laut.de-Kritik
Ein Mix aus Whigfield, The Cure und Dung.
Review von Sven KabelitzEins der wohl häufigsten Vorurteile gegenüber DSDS ist, dass dieser Talentwettbewerb ja ohnehin nie einen Star hervorgebracht hat. Okay, die meisten sind schnell wieder in der Versenkung verschwunden, aber ein paar haben sich eben doch festgezeckt. All diesen voran steht Beatrice Egli. Die Frau, die den Bumms-Schlager in die Show brachte. Diese Art von Schlager, der ganz trendy Mitte der 1990er in Richtung Techno schielte, sich seitdem kaum weiterentwickelt hat und dabei ein ganzes Genre in den Untergang riss.
Seitdem füllen mechanische Texte mechanische Melodien: im Grunde nichts anderes als das Downgrade all jener eh schon schlimmen "Songpoet:innen" dort draußen. Texte, die sich nur um das eigene Ich und dessen Befindlichkeit drehen und bei denen sich jede Tätowiernadel krümmt. Hier noch etwas simpler und mit etwas mehr penetranter Bassdrum garniert.
In diesem Umfeld veröffentlichte die Akkord-Helene aus der Schweiz seit ihrem Sieg 2013 sechs erfolgreiche Alben, lässt nun mit "Alles Was Du Brauchst" ihr insgesamt zehntes Werk folgen. Ausgestattet mit der Natürlichkeit der A5 singt sie sich durch Wegwerfmusik für die Wegwerfgesellschaft. Wer's braucht ...
Wenn das Leben es nicht gut mit dir meint, versuche, dich auf das Schöne zu konzentrieren. Selbst auf "Alles Was Du Brauchst" gibt es davon ein wenig. Auch wenn man es mit der Lupe suchen muss. Man findet es meist, wenn Egli die schablonenhaften Texte und Arrangements hinter sich lässt. In "Ganz Egal" setzt sie ein Statement gegen Bodyshaming. "Dann Tanz Ich Halt Allein" könnte auf Englisch auch manch Electropop-Liebhaber:in feiern. Beatrice Egli goes La Roux. Das war es dann auch schon.
Welcher Beatrice Egli-Song mag wohl der schlimmste sein? Die Antwort auf diese Frage, die sich wirklich nie jemand gestellt hat, lautet "Leise Lieder". Hier beschäftigt sie sich aus der Perspektive des kleinen Yannik mit den Problemen mit der häuslichen Gewalt seines Vaters gegenüber ihm und seiner Mutter. Gut. Ein schweres, ein wichtiges Thema, das Egli in einem gruselig betulichen Sprechgesang vorträgt, der dann einem tantenhaften Refrain weicht. Das Ergebnis ist einfach grauenerregend. Am Ende bleibt man entgeistert mit einem Kopfschütteltrauma zurück.
Auf die Idee, sich bei "Boom, Boom, Boom, Boom!!" von den Vengaboys zu bedienen – dem "Smells Like Teen Spirit" des Eurodance - muss man auch erstmal kommen. Dafür, es dann mit "Power" auch dermaßen durchzuziehen, gibt es von mir… "Respekt" ist ein zu großes Wort. Sagen wir: etwas weniger Abscheu als für Songs wie "Granada". Diesem Latin-Schlager aus der Alleinunterhalter:innen-Hölle. "Denn ich geh' nach Granada, dahin, wo ich noch nie war / Para und Escada sind mir heut' egal / Denn in Granada fließt die Lebensader / Wenn ich zum ersten Mal da asunto de corazón."
"Matterhorn", das Egli in ihrer Heimatsprache singt, entstand zusammen mit dem Schweizer Reggae- und Ragga-Sänger Dodo. Mit ihm war Egli bei "Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert" zusammen zu sehen. Die Produzenten Joachim Wolf und Achim Radloff verwandelten das Ganze ungeniert in einen Billo-Karibik-Riddim. Passend zur Veröffentlichung bestieg die Sängerin dann noch den zwölfthöchsten Berg der Alpen für die "100% Women Peak Challenge". Was nun Thematik und Arrangement miteinander zu tun haben, bleibt ein Rätsel.
Kein Klischee lässt Egli auf "Alles Was Du Brauchst" unbedient. Sie singt zum Dudelsack über die "Ewige Freundschaft", tanzt durch den "Sommerregen". Von der schmalzdurchtränkten Klavierballade "Jedes Mal", bis hin zum Diddl-Schlager "Kein Wenn Und Kein Aber": "Im Gefühlskarussell fahre ich viel zu oft viel zu schnell / Doch was hilft mir der Verstand / Wenn ich mit dir die Liebe fand?"
"Samstagnacht" ist eine Mischung aus Whigfields "Saturday Night", The Cures "Friday I'm In Love" und Dung. "Montag, Dienstag checke ich, wer ist am Start / Mittwoch werd' ich langsam nervös / Donnerstag, Freitag halte ich's fast nicht mehr aus / Denn schon Morgen geht's ab, ohja, wir gehen wieder raus / Samstagnacht das wird heut' riesengroß / Zurück ins Leben, es geht wieder los." Wenn einem Helene Fischer plötzlich wie hochwertige Qualitätsmusik vorkommt, hat man davor Beatrice Egli gehört.
14 Kommentare mit 7 Antworten
Schon weil sie Schweizerin ist: 5 Sterne!
Also ich persönlich finde ja, dass gerade die A5 aufgrund ihrer vielen (Dauer)Baustellen noch mit am organischsten unter den bundesdeutschen Autobahnen wirkt!
Da kann die A3 nur lachen
Perfekte Musik zum Reihern in ein fremdes Klo unter flackerndem Neonlicht in einer fensterlosen, von Kakerlaken heimgesuchten Altbauwohnung in Neukölln während man von einem notgeilen Mittfünfziger befingert wird dessen Grinsen nach Zigaretten und Haftcreme riecht.
Ich hoffe sehr, so werden auch die Musikvideos aussehen.
Klingt ein wenig zu spezifisch um ausgedacht zu sein. Hoffe es geht dir jetzt wieder besser.
Naja, hab mit dem Rauchen aufgehört, insofern ja.
Ein Sprechgesang Song über einen Yannik der von seinem Papa vermöbelt wurde? Mir dünkt...
Es ist eigentlich Yanniks Mama, die vermutet wird....aber ich glaube, wir denken an den gleichen Yannik....
Dunnnnngggg... No, that's cow poo. (Bad News)
klingt nach zeitgenössischem Deutschrap