laut.de-Kritik
Den Moment verpasst, die eigene Party zu verlassen.
Review von Magnus HesseBeck Hansen, das Chamäleon des Pop, muss auf seinem dreizehnten Studioalbum eigentlich niemanden mehr von seinem Innovationstalent überzeugen. Leider klingt "Colors" über weite Strecken aber genau so. Gleich mit dem titelgebenden Opener zündet er die Konfettikanone. Und wahrlich, hier regnet es Farben, als hätten die Gorillaz der Nullerjahre einen Regenbogen verschluckt. Satt produzierte E-Drums, strahlende Hintergrundchöre, und ein massiver Funk-Bass machen zwischendurch gar einer Art synthetischer Panflöte Platz, die munter lostrillert.
Schon hier zeigt sich, dass Becks Farbpalette getreu dem Cover mehr mit den knalligen Tönen ausgestattet ist und dass er dabei nicht zu dünn aufträgt. Im Gegenteil, auch das nachfolgende "Seventh Heaven" will dem Hurra-Pop nicht den Wind aus den Segeln nehmen: Mit Upbeat, Retro-Sprechgesang und einem Chorus aus der Kategorie "Für die ganze Familie". Chris Martin würde sofort mit einstimmen.
Die langwierige Schaffensphase, die angeblich bereits vor der letzten Platte "Morning Phase" (2014) begann und zwischen diversen Tourneen unter anderem mit den vor allem in "No Distraction" anklingenden Strokes immer wieder fortgesetzt wurde, hört man dem Album kaum an. Es sei die frenetische Energie des Live-Erlebnisses, die er konservieren und von der Bühne mit ins Studio nehmen wollte, so Beck. Dies wiederum strahlt "Colors" mehr als alles andere aus: Kaum ein untanzbarer Rhythmus, kaum eine Hook, die sich nicht beim ersten Hören mitsingen und mitklatschen lässt. Der Amerikaner lädt zum Abfeiern. Aber wovon eigentlich? Refrain-Zeilen wie "Just wanna stay up all night with you" in "Up All Night" wirken wie völlig austauschbare Silbenfüller.
Becks experimentellere Vorstöße wirken dagegen etwas inszeniert, wie im überfrachteten Rock-Refrain von "I'm So Free", zu dem der ehemalige Slacker eine kurze Rap-Nummer bemüht oder in "Wow", das den Swag mit ordentlich Subbass endgültig auf "Drop It Like It's Hot"-Temperatur hochdreht und bei dem eigentlich nur noch Snoops Cameo fehlt. Wagnisse wie diese gehen leider allzu oft in der übersättigten Produktion unter, an der der Grammy-Gewinner gemeinsam mit Adele- und Foo Fighters-Produzent Greg Kurstin tüftelte.
"Dear Life" gelingt es schließlich, den Sound in den Dienst des Songs zu stellen und gleichzeitig die Beatles ins hiesige Jahrtausend zu beamen. Bluesiges Klavier begleitet hier den Gesang, der in der Strophe an einen fröhlich aufgelegten "Figure 8"-Elliott Smith erinnert. Ein Stück, das am Reißbrett entworfen auch ohne das üppige Effekte-Arsenal auskommt. Leider zieht es Beck danach wieder auf die Block Party mit Einheizern wie "Dreams".
"Colors" deutet den Freigeist Becks immer wieder an, will aber die eigene Party partout nicht verlassen. Dem Hörer bleiben die Konfetti-Schnipsel nach 45 Minuten dagegen etwas im Halse stecken. Man hat es allerdings auch nicht leicht, wenn das Brechen mit Erwartungen irgendwann allgemein erwartet wird und die stilistische Wandelbarkeit zum Markenzeichen gehört.
8 Kommentare mit 7 Antworten
Da scheiterte wohl jemand an zu hohen Erwartungen. Für ein kurzes Indie-Pop-Spaß-Album hat Beck hier aus meiner Sicht 1A abgeliefert.
Ich vermisse den Beck der Neuziger (gerade "Odelay"), als sein Sound noch Ecken und Kanten hatte.
"Colors" ist glatter, trendkonformer Pop für Pitchfork-Hipster.
Yeah sehe ich auch so..leider . Nach dem Gorillaz Album und jetzt das von Beck gab es dieses Jahr nichts als Enttäuschungen
sign
2/5 fand ich etwas zu hart. Dass er hier gerade songwritertechnisch stark nachgelassen hat, ist unüberhörbar, allerdings ist dieser Pop, schon allein klang- und kompositionstechnisch, weit entfernt vom allgemeinen Radio Gedudel.
Nicht falsch verstehen. Ich finde das Album absolut super, dennoch ist es, meiner Ansicht nach, das schlechteste Beck Album bisher.
7,2/10 - meine Wertung
Wenn Redaktions- und Leserwertung so weit auseinander gehen, dann scheint der Rezensent mit seiner Meinung recht alleine da zu stehen. Vorallem wenn die Kollegen von Spex, Intro oder Rolling Stone der Leserwertung recht geben.
Mindestens 4/5
Müssen auch alle die selbe meinung über ein album haben, hm?
Musikexpress, letzter Platz im Soundcheck, unterdurchschnittliche Note. Es gibt auch Gegenmeinungen.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Das beste Beck Album seit Sea Change. Kann die Wertung nicht im Ansatz nachvollziehen. Dreams und wow schwächeln. Aber allein für I‘m so free wären 3 Sterne gerechtfertigt. In meinen Augen 4/5.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Klar, Vergleiche zwischen einzelnen Albenwertungen sind, spätestens über Genregrenzen hinaus, eigentlich großer Käse und ein ziemlich guter Deppen-Indikator. Ich kann es mir aber leider nicht ganz kneifen, kurz darauf hinzuweisen, dass derselbe Rezensent das neue Album von Gloria mit einem Stern höher bewertet hat. Einfach mal kurz sacken lassen: Gloria - Beck 3:2 . Das ist schon eine Ansage
Wie man darauf kommt, kann ich ja in gewisser Weise schon nachvollziehen. Flache Texte, glatte, eingängige Mucke, auch im Vergleich zum ja schon genannten letzten "Party"-Album Midnite Vultures. Aber um ehrlich zu sein ist das recht nahe an dem, was ich mir von ihm mal gewünscht habe: Ein gute-Laune-Pop-Album eben, einfach & doch verspielt (aufgesetzt oder verkrampft kommt mir das übrigens nie vor).
Vielleicht nicht in einer Liga mit Mellow Gold oder Odelay (Meilenstein längst überfällig!), muss sich aber vor anderen hervorragenden Alben in der Diskographie nicht verstecken. Derzeit 4/5, von wegen Nachhaltigkeit mal schauen.