laut.de-Kritik
Der perfekte Soundtrack für stundenlange Bahnfahrten.
Review von Kai ButterweckEs gibt nicht viele Künstler, die es sich erlauben können, ein komplettes Album nur mit einem Bestandteil ihres Sounds zu füllen, ohne dass das Schaffen in grenzenloser Monotonie versinkt. Ben Harper ist eine dieser Ausnahmeerscheinungen.
So präsentieren sich auf seiner ersten Retrospektive zwölf durchgehend balladeske Drei- und Vierminüter. Selbige warten dennoch mit mehr Facettenreichtum auf, als manches Debütalbum einer aufstrebenden Crossover-Combo, die zwanghaft versucht, Blues, Folk, Rock und erdigen Soul in ein gehaltvolles Ganzes zu quetschen.
Mit handverlesenen Weichholz-Perlen à la "Forever", "Diamonds On The Inside" oder "Morning Yearning" liefert der zweifache Grammy-Preisträger den perfekten Soundtrack für stundenlange Bahnfahrten. Aber keine Angst: Es besteht keinerlei Gefahr, den angepeilten Zielbahnhof aufgrund einsetzender Ermüdung zu verpassen. Ben Harper schafft es wie kaum ein anderer, Elemente aus Soul, Blues, Gospel und Rock zu einem sich permanent neu erfindenden Ganzen zu mixen.
Mit der Slide-Gitarre im Arm und reichlich Bottleneck-Sounds im Gepäck verblüfft der Amerikaner hinter jedem gespielten Akkord mit Neuem und Unerwartetem. Selbst bei einer triefenden Nummer wie "Beloved One" lauscht man gespannt vor den Boxen, um auch ja sicher zu gehen, dass sich keine Stimmphrasierung und kein akzentuierter Piano-Anschlag des Sängers ungehört in den Äther verabschiedet.
Neben Altbekanntem wartet das Album aber auch mit zwei besonderen Leckerbissen auf. Da ist zum einen eine bisher unveröffentlichte Studio-Version von "Not Fire Not Ice". Die erbringt den Beweis, warum der Kalifornier bei Fans und Kritikern gleichermaßen als einer der eindringlichsten und gefühlvollsten Songwriter unserer Zeit gilt.
Zum anderen gibt es mit dem abschließenden "Crazy Amazing" auch noch einen komplett neuen Song zu hören, der sich mit jazzigem Besenspiel, Harpers rauchzartem Organ und sphärischem Bottleneck-Background perfekt in das Gesamtpaket einfügt. Wunderbar. Und jetzt auf schnellen Füßen zum nächstgelegenen DB-Schalter: Einmal Langstrecke, bitte.
2 Kommentare
Yeah, Ben "Quality" Harper, sehr guter Mann!
Blues, Soul, Rock, Punk ... was kann der Mann nicht alles auf seinen Platten verwirklichen. Es ist schade das Deutschland diesen Ausnahmekünstler noch nicht für sich entdeckt hat...obwohl gerade die kleinen Gigs von Ben ihren Reiz haben.