laut.de-Kritik

Den Klassenkampf mit Konsensmucke überwinden.

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Es soll ja immer noch so einige, vorzugsweise alternative Musikhörer (wie Kritiker) geben, die Popmusik und dem sogenannten Mainstream regelmäßig den Klassenkampf ansagen. Hier ehrliche, leidenschaftliche, handgemachte Musik, für die die Mehrheit selbstredend zu doof ist. Dort billige Bierzelt-Melodien und Grundschultexte, gesungen von traurigen Handlangern bourgeoiser Großproduzenten.

Doch stimmt diese Gleichung überhaupt noch? In den USA herrscht diesbezüglich gerade ein kleiner Kulturkampf, exemplarisch um Best Coasts Album "Crazy For You" ausgetragen, das es bei überwiegend positiven Kritiken immerhin auf Platz 36 der Billboard-Charts geschafft hat. Der Vorwurf der Gegner: Hier wird der reflexive DIY-Stil von Lo-Fi, Garage und Punk in seinem Markenkern durch die Produktionsmittel von Popmusik verraten.

Ungeheuerlich. Freilich lassen sich Belege für eine solche These finden. Man könnte durchaus sagen, dass sich Sängerin Bethany Cosentino und ihr musikalischer Partner Bobb Bruno wie Trendscouts an subkulturellen Stilrichtungen bedienen und daraus ein gefälliges, kosteneffizientes Derivat zimmern, das keinem weh tut und jedem passt.

60's Girl Pop, Doo Wop, Garage, Pop-Punk, Surf Rock, Pseudo-Grunge – irgendwie steckt alles und nichts drin im Sound von Best Coast. Und noch schlimmer für die Szene: mit verzerrter Gitarre und etwas Shoegazing-Hall auf Cosentinos Stimme sollen einem die zwölf harmlos-oberflächlichen Zweiminüter unter einem nostalgischen Deckmantel auch noch als "credible" untergeschoben werden.

Noch schlimmer wiegt da nur noch der Ärger über die simplen Lyrics voller Love & Trivia. "Crazy For You" ist da nur ein Beispiel: "I can't do anything without you / Can't do anything with you / You drive me crazy, but I love you / You make me lazy, but I love you / I want to hit you, but then I kiss you / Want to kill you, but then I'd miss you." Es ist doch ein Ärgernis, dass Cosentino sogar noch weniger zu sagen hat als Rivers Cuomo von Weezer. Oder?

Ist es nicht. Denn "Crazy For You" gibt zu keiner Zeit vor mehr zu sein als ein kleines Pop-Album, das einfach nur etwas kalifornisches Lebensgefühl und den Vibe der Beach Boys oder der Ramones transportieren will. Die Melodien sind allesamt catchy, das Tempo ist erquickend und das Album leistet sich inklusive des angehängten Superhits "When I'm With You" nicht einen Durchhänger.

Man muss deshalb nicht gleich ins andere Extrem umfallen und "Crazy For You" als stilbildend hypen. Dafür nutzen sich die produktionstechnisch nivellierten Songs dann doch zu schnell ab. Im Idealfall kann das Album aber besagten Klassenkampf überwinden und Konsensmusik werden, bei der nun wirklich niemand Bauchschmerzen bekommen dürfte. Karl Marx würde sich ausnahmsweise mal nicht im Grab umdrehen.

Trackliste

  1. 1. Boyfriend
  2. 2. Crazy For You
  3. 3. The End
  4. 4. Goodbye
  5. 5. Summer Mood
  6. 6. Our Deal
  7. 7. I Want To
  8. 8. When The Sun Don't Shine
  9. 9. Bratty B
  10. 10. Honey
  11. 11. Happy
  12. 12. Each And Everyday
  13. 13. When I'm With You

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