laut.de-Kritik
Ein Wintergruß des The Coral-Siebenschläfers.
Review von Josephine Maria BayerEigentlich müsste Bill Ryder-Jones Country-Musik machen, denn er hat einfach den perfekten Cowboy-Namen. Doch das Genre liegt dem ehemaligen The Coral-Gitarristen sowohl geografisch als auch inhaltlich fern. Das Herz des Engländers schlägt weder für die weite Prärie noch für die Südstaaten, sondern für einen ganz anderen Flecken Erde: Wales. Seiner Liebe zur walisischen Sprache ist auch der Albumtitel "Iechyd Da" geschuldet, was so viel wie "zum Wohl" bedeutet.
Doch wer jetzt ein Album voller walisischer Folk-Songs erwartet, liegt daneben. Ryder-Jones bedient sich zwar gerne zarter Folk-Elemente, seine Klavier-lastigen Indie-Pop Songs sind jedoch alle auf Englisch. Bills Sound lässt sich irgendwo zwischen Nick Cave und Leonard Cohen verorten. Die typisch melancholischen Songs prägt seine müde Stimme. Apropos: Seine letzten beiden Alben hießen "Yawn" ("Gähn") und "Yawny Yawn" ("Doppelgähn"). Langweilig sind Bills Songs nicht gerade, aber durchaus beruhigend, einlullend gar. Eine Vorliebe des Traumtänzers sind erzählende Balladen und langsame Walzer, dazu gehören die Titel "Thankfully For Anthony" und "How Beautiful I Am". Letzterer endet mit einer rührseligen "La la la"-Begleitung eines Kinderchors.
Dieser taucht auch an anderen Stellen auf, zum Beispiel im rockigeren "Nothing To Be Done" und im Bläser-versetzten "We Don't Need Them". Es ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man die Kinderchor-Begleitung als herzerwärmend oder schrecklich kitschig empfindet. Ich tendiere zu letzterem und finde: Songwriter sollten komplett auf Kinderchöre verzichten, außer sie heißen Rolf Zuckowski. Zu viel Sentimentalität lässt sich auf Dauer schwer ernstnehmen.
Die unbeschwerte Melodie und Gitarrenbegleitung von "I Hold Something In My Hand" und "If Tomorrow Starts Without Me" wirken etwas munterer. Ausdrucksstarke Streicher geben letzterem eine Soundtrack-Note. Der optimistische Song klingt, als würde der Hauptcharakter eines Films neuen Schwung finden und das Alte hinter sich lassen.
In "And The Sea" liest Bills Indie-Pop-Kollege Michael Head ein Zitat aus James Joyces "Ulysses" vor: "And the sea, the sea crimson sometimes like fire and the glorious sunsets and the figtrees in the Alameda gardens yes and all the queer little streets and the pink and blue and yellow houses and the rosegardens". Passend zu dem Zitat weist das Albumcover ein pinkes und gelbes Reihenhäuschen am Ende einer Backsteinpflasterstraße auf. Im Hintergrund des Monologs dudelt ein opernhafter, theatralischer Gesang, ähnlich wie im sentimentalen "This Can't Go On".
Mit "A Bad Wind Blows In My Heart Pt.3" knüpft Bill an sein Frühwerk an. Der Sound hat sich seitdem nicht großartig verändert. Auch inhaltlich bleibt Ryder-Jones weitestgehend bei der guten alten Melancholie: "Though I'm too much, I'm not enough for you to love", singt er im Opener "I Know That It's Like This (Baby)", im Intro sampelt er die brasilianische Sängerin Gal Costa. Ganz zum Schluss nimmt Ryder-Jones noch einmal Bezug auf Wales: Mit dem abschließenden Instrumentaltrack "Nos Da" ("Gute Nacht") bleibt er seinem verschlafenen Vibe treu.
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