laut.de-Kritik

Fast wie einst June Carter und Johnny Cash.

Review von

Normalerweise vergehen Monate, ehe sich Grammy-prämierte und erfolgsverwöhnte Künstler vom Aufnahmeprozess eines neuen Studioalbums lösen und das Ergebnis der Endmix-Abteilung überlassen. Da spielt es keine Rolle, ob es sich bei den Verantwortlichen um U2, Pearl Jam oder Lady Gaga handelt. Wer Massen begeistern will, holt entsprechend aus.

Auch Norah Jones und Billie Joe Armstrong brechen eigentlich nichts mehr übers Knie. Dass es aber auch anders geht, beweisen die beiden dieser Tage mit ihrem Duett-Debüt "Foreverly". Ganze neun Tage brauchten der Green Day-Frontmann und das Jazz-Soul-Kätzchen für ihr intimes Erstwerk, das ganz im Zeichen des Schaffens einer der wohl einflussreichsten Harmony-Bands der Nachkriegszeit steht – den Everly Brothers.

Die veröffentlichten im Jahr 1958 "Songs Our Daddy Taught Us" – ein Album, das Billie Joe in den vergangenen Monaten daheim rauf und runter hörte: "Ich war wie besessen von dieser Scheibe. Und ich dachte mir, wie schön es doch wäre, all diese Songs mit einer Sängerin im Duett noch einmal neu aufzunehmen", so der Punkrock-Shouter vor einigen Tagen.

Gesagt, getan. In Norah Jones fand Billie Joe schließlich das perfekt passende Puzzleteil für sein Vorhaben. Und so klemmten sich die beiden die Akustik-Klampfen unter den Arm, schlossen die Augen und katapultierten sich für neun Tage in eine Zeit, in der die Menschen noch mit einem "Wow!" vor dem Brüsseler Atomium verharrten.

Herauskam ein am Höhepunkten reiches Kammer-Päckchen fernab von Glitter und Glamour. Lediglich von Percussions, vereinzelten Blues-Harp-Einschüben und dem archaischen Klangzauber einer Pedal-Steel-Gitarre unterstützt verlassen sich die beiden Protagonisten in erster Linie auf das Zusammenspiel ihrer beiden Stimmen. So entsteht ein aufwühlendes Country-Folk-Potpourri, das in vielen Momenten an die Wohlfühl-Duette von Johnny Cash und June Carter erinnert.

Wahlweise beschwingt ("Silver Haired Daddy Of Mine", "Oh So Many Years") oder Arm in Arm kuschelnd ("Down In The Willow Garden", "Put My Little Shoes Away") schieben Billy Joe Armstrong und Norah Jones Gegenwart und Zukunft sanft beiseite und widmen sich genüsslich der Vergangenheit. Hier fehlt im Hintergrund eigentlich nur noch das Kratzen der Nadel auf welligem Vinyl. Sehr schön. Der Winter kann kommen.

Trackliste

  1. 1. Roving Gambler
  2. 2. Long Time Gone
  3. 3. Lightning Express
  4. 4. Silver Haired Daddy Of Mine
  5. 5. Dowen In The Willow Garden
  6. 6. Who's Gonna Shoe Your Pretty Little Feet
  7. 7. Oh So Many Years
  8. 8. Barbara Allen
  9. 9. Rockin' Alone
  10. 10. I'm Here To Get My Baby Out Of Jail
  11. 11. Kentucky
  12. 12. Put My Little Shoes Away

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