laut.de-Kritik

Die Dornen schützen vor unliebsamen Feinden.

Review von

Billy Nomates zweites Album "Cacti" erscheint auf Invada Records, dem Label von Geoff Barrow, den wir u.a. von Portishead oder Beak> kennen und der auch für die Veröffentlichung ihres Debüts verantwortlich war. "Billy Nomates" erschien mitten in der Pandemie (August 2020), und nicht nur mit der Single "No" fand sie die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Es folgten Auftritte mit Sleaford Mods und der gemeinschaftliche Song "Mork n Mindy". Und auch die EP "Emergency Telephone" (2021) kam bei den neu gewonnenen Fans gut an.

Aber genug des Namedroppings. Billy Nomates schafft das nämlich alles ziemlich gut allein. Sie schreibt, sie spielt (Gitarre, Bass, Synthesizer) und singt. Früher war sie in verschiedenen Bands unterwegs, aber da funktionierte es nicht so gut mit der Zusammenarbeit. Es brauchte eine längere Pause, bis sie sich wieder auf die Bühne und ins Studio traute. Herrlich angepisst bewegt sich die englische Musikerin heute als Solistin zwischen Post-Punk und gängigen Melodien. Die Straßen im englischen Süden sind oft rau. In ihren Texten taumelt sie zwischen Brexshit und sexueller Belästigung. Immer tiefer beschert sie dem Hörer einen Einblick in ihr geschundenes Seelenleben.

Ihr neues Prachtstück "Cacti" beginnt gleich mit einem reduzierten Hitmonster. "Balance Is Gone". Ich freue mich immer, wenn ich diese schwungvolle 80s-Wave-Beat-Disko schon morgens bei Radioeins höre, auch wenn es textlich nicht gerade heitere Frühlingsgefühle hervorbringt. Erinnert ein wenig an die Melancholie von Kate Bush. Mehr Pop als Rock und mit traurigen, eher düsteren Worten. Lyrische Explosionen, bedrückende Erfahrungen, schräge Erlebnisse und Beobachtungen, unterlegt mit einer sehr angenehmen und charakteristischen Stimme, oft gesungen oder gesprochen.

Billy Nomates experimentiert gerne an neuen Musikstrukturen und Melodien. Der Drumcomputer darf dabei nicht fehlen, aber es werden auch mal Utensilien aus der Küche dazu gemischt. Frei nach dem Motto: Ich mach's mir lieber selbst. Teils zuhause und teils in ihrem zweiten Wohnzimmer, den Invada Studios. Die Basslinien sind ruhiger geworden, aber ihre lyrischen Gedanken bleiben laut und ehrlich. Lieber solo motzen, als unglücklich zusammen sein. Billy Nomates spricht die Wahrheit aus und verarbeitet das politische Dilemma und ihren ganz persönlichen Herzschmerz. Tiefe Gefühlsausbrüche, vertonte Geschichten, wie etwa in "Blue Bones (Deathwish)": "If you wanna die then do it. You don't need my permission. If such an iffy ambition has got the better of you. If you really wanna go then i don't think you should stay here. Its been a pleasure to lay here next to you."

"Spite" ist eine weitere herausragende Single mit klaren Aussagen: "Don't you act like i ain't the fucking man." Motzen kann auch eine Billy Nomates sehr gut, vor allem wenn es darum geht, jemandem auf einer Party den Spaß zu verderben. Die Musik bleibt dabei weniger aggressiv, aber um so melodischer im Ohr kleben.

Wunderschön auch der akustische Gitarrensong "Fawner". Da zeigt sich wieder die angenehme Gesangsstimme. Mit dieser Country-Einlage bricht sie ihre Punk-Motz-Moral, aber das passt trotzdem wunderbar auf diese Platte und ihr Gemüt. Es folgt mit "Same Gun" ein kraftvoller Dance-Track.

"Cacti" heißt nicht nur das Album, sondern auch ein Song. Warum hat der Kaktus noch mal Stacheln? Damit er nicht austrocknet und die Dornen schützen ihn vor unliebsamen Feinden, damit er nicht gefressen werden kann. Irgendwann sollte man sich ein Stachelfell zulegen, vor allem wenn man häufiger belästigt wird und jemand einem zu oft auf die Pelle rückt. Nein heißt Nein! Verletz mich nicht, dann tu ich das auch nicht: "To dance on hostile sands, me and the desert holdin hands. A thorn in my side, the sun in my eyes and off again."

Billy Nomates bekommt nicht nur den Support von Geoff Barrow oder der Sleaford Mods Familie, auch Iggy Pop ist ein großer Fan und spielt ihre Songs auf BBC Radio 6. Darauf könnte man sich etwas einbilden, das tut Tor Maries aka Billy Nomates aber nicht. Sie ist einfach nur sehr dankbar. Ihre Fans liegen ihr am meisten am Herzen. Immer wieder betont sie das und teilt ihre Dankbarkeit auch gerne auf Instagram. Dabei scheut sie auch nicht mal ein paar Tränen zu vergießen oder eben kritische Worte loszuwerden. Für immer solo, für immer Billy Nomates!

Trackliste

  1. 1. Balance Is Gone
  2. 2. Black Curtains In The Bag
  3. 3. Blue Bones (Deathwish)
  4. 4. Cacti
  5. 5. Saboteur Forcefield
  6. 6. Roundabout Sadness
  7. 7. Spite
  8. 8. Fawner
  9. 9. Same Gun
  10. 10. Vertigo
  11. 11. Aapathy Is Wild
  12. 12. Blackout Signal

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