laut.de-Kritik
Chickenfoot? Chickenwer? Hühnerwas?
Review von Josef GasteigerSupergroup ist ein böses Wort. Ganz fies. Denn dieses Attribut steht für turmhohe Erwartungen, die meist nur enttäuscht werden. Zuviele Chefköche verderben halt tatsächlich den Brei. Mal mehr, mal weniger.
Die Lebensläufe der Black Country Communion-Mitglieder schreien nun geradezu nach dem schlimmen S-Wort. Glenn Hughes (Deep Purple, Gary Moore) und Joe Bonamassa zusammen mit Drummer Jason Bonham (Sohn des legendären John) und Keyboarder Derek Sherinian (Dream Theater, Billy Idol), produziert von Iron Maidens Hofproduzent Kevin "Caveman" Shirley. Na super!
Letzterer ist auch Geburtshelfer der Band. So sah er Hughes und Bonamassa bei einem gemeinsamen Jam und erkannte Potenzial erster Güte. Dann brachte er die Herren Bonham und Sherinian ins Spiel und fertig war das Rock-Quartett.
Wie bei diesem Line-Up nicht anders zu erwarten, bietet das selbstbetitelte Debüt lupenreinen 70er-Rock, der Anno 2010 herrlich unangepasst klingt. Minutenlange Gitarrenausuferungen, schwere Riffs und natürlich unvermeidliche (wenn auch sehr spärlich eingesetzte) Drum- und Orgelsoli.
Unter der Federführung von Hughes als Dienstältestem tritt der Titeltrack und Opener "Black Country" mit einem hektischen Riff gleich voll aufs Gaspedal und erlaubt sich schon nach einer Minute das erste Led Zeppelin-Zitat. Nach 3:15 geht der kompakteste Track der Scheibe über die Ziellinie, nicht ohne ein Gitarrensolo und eine weitere Page/Plant-Ähnlichkeit auszupacken.
Apropos Gitarre: dass Bluesrock-Klampfer Bonamassa als legitimier Nachfolger von Stevie Ray Vaughan gehandelt wird, kommt nicht von ungefähr. Was Joe sich hier saitenweise aus der Gitarre schüttelt, ist durch die Bank auf höchstem Niveau, aber stets songdienlich. Und in den zahlreichen Solo-Spots stellt er sich gerne ins Scheinwerferlicht, um Kinnladen aus Nah und Fern gegen den Hallenboden klappen zu lassen. Bestes Beispiel: "Song of Yesterday".
In der Nummer schlägt Bonamassa zunächst zum ersten Mal ruhigere Töne an, bevor er dann mit einem RATM-Riff um die Ecke kommt, und schließlich ein grandioses, fast dreiminütiges Solo drauflegt. Bei diesem Song und bei "The Revolution In Me" stellte sich Bonamassa ans Mikro, sonst übernimmt Hughes die Leadvocals. Seine klassische Rockstimme fährt stets volles Programm und zeigt besonders in den hohen Regionen ihre Einzigartigkeit. In solchen Momenten wird klar, wo sich ein Chris Cornell seinen Gesangsstil mit abgekuckt hat.
Ansonsten bedienen sich der Herren aus Black Country gerne und oft am reichen Rock-Fundus vergangener Jahrzehnte. Einflüsse von Deep Purple und Led Zeppelin sind klar. Aber auch eine Sabbath-Heavyness ist mehr als einmal auszumachen. "No Time" hat anfangs noch eine gehörige Portion "Paranoid" intus, gegen Ende mutiert es zum kleinen Kashmir-Bruder, Synthie-Streicher inklusive. Und der Teufel soll mich holen, wenn das Riff von "Stand (At A Burning Tree)" nicht von Jack Whites James Bond-Nummer gemopst wurde.
Besagter Song ist auch einer der wenigen, bei denen man Derek Sherinians Hammond-Orgel deutlich vernehmen kann. Meistens im Mix begraben, kommt er nur zum Zug, wenn der Rest der Bande einmal Rast macht. Viele Pausen gönnen sie sich aber nicht. So offenbaren die fünf Tracks über sechs Minuten einige Längen, die auch das durchweg erstklassige Handwerk der Band nicht überbrücken kann. Doch gerade weil im Classic Rock überlange Soli noch erlaubt und geduldet sind, übersteht man auch die elfminütige Tour de Force "Too Late for the Sun".
Taktisch klug, versucht diese Rockband (bloß nicht Supergroup sagen) nicht, das Rad neu zu erfinden. Sie machen klassischen Hardrock, stellenweise etwas langatmig, aber immer authentisch. Und mit einem Gitarristen, der sicher zu den besten seiner Zunft gehört.
2 Kommentare
Schön zu hören, daß Hughes immer noch gut bei Stimme ist. Das kann man ja leider nicht von allen alten Recken behaupten - Ian Gillan etwa hat sein Organ inzwischen total zerschossen und auch Dio (R.I.P.) war mit seinem heiseren Krächzen in den letzten Jahren nicht unbedingt mehr ein Hörgenuß.
Ich freu' mich jedenfalls nach der Kollabo mit Iommi vor ein paar Jahren, die echt gelungen war, wieder was Neues von Glenn zu hören.
Wie schon in der Kritik angesprochen kann man die Leistung BONAMASSAs bei der Platte nicht hoch genug loben. Das ganze Album ist von vorne bis hinten auf "dicke Hose" getrimmt - von Musikern, die ganz genau wissen, dass sie das auch komplett drauf haben. Schönes Scheibchen. Nix für Heiligabend.