laut.de-Kritik

Bei den Dad-Rock-Experimenten krampft das Fan-Herz zusammen.

Review von

Mark hat den Krebs besiegt, Travis einen Flugzeugabsturz überlebt, und Tom bekommt nun sogar von oberster Stelle ordentlich Rückenwind für seinen unerschütterlichen Glauben an extraterrestrisches Leben. Eine schwere Zeit, die aber die drei ältesten Teenager der Welt (mal) wieder zusammen brachte. Zu viel stand man gemeinsam durch, zu groß ist das Vermächtnis von Blink 182, um es nur wegen kleineren Streitereien unter Brüdern zu begraben.

Auch wenn das Pop-Punk-Revival nach dem überraschend erfolgreichen Machine Gun Kelly-Album "Tickest To My Downfall" letztendlich doch nicht so heftig explodierte: Die Kids stehen wieder drauf und wollen mehr von den Typen hören, die um die Jahrtausendwende zusammen mit New Found Glory und Sum 41 spätpubertäre Hymnen über einen gefühlt ewigen Teenager-Sommer schrieben. Anders lässt sich jedenfalls nicht erklären, wie der absolut durchschnittliche Klopper "Edging" bei mittlerweile beachtlichen 17 Millionen Clicks liegt. Die pure Freude über das Comeback überstrahlt gerade die Erinnerung an die letzten, mediokren Alben.

Erinnerung ist das Stichwort, denn hier funktionieren Blink am besten. Die kalifornische Lebensfreude, das sonnige Gemüt und die lustigen Streiche. Da war es egal, ob der deutsche Dauerregen so gar nichts mit Westküsten-Sonnen zu tun hatte. Das euphorische Bekenntnis zur ewigen Jugend brachte auch hier die Sonne hin. Blink kommen also auch etwas für uns zurück, weil seitdem alles viel ernster wurde und das Leben eben doch nicht so ein Dauerspaß war, wie man das einst dachte. Es geht auch etwas um die Erlösung aus der wahrscheinlich schwersten Zeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

Also Mütze umgedreht und hinein in "Anthem Part 3". Part 2 von der "Take Off Your Pants And Jacket" darf man als Klassiker bezeichnen. Kurz, rumpelig und trotz Toms mittlerweile berühmtem windschiefen Gesang über Teenager-Rebellion mit einem stabilen Pop-Fundament ausgestattet. Der dritte Streich klingt anfangs sehr ähnlich, bis das Schlagzeug-Geprügel und die hörbar bearbeiteten, cleanen Vocals deutlich machen, welches Jahr wir wirklich haben. Travis Barker produziert gerade alles, was nur entfernt die Pop-Punk-Legenden erinnert, und hielt es wohl auch für eine sehr großartige Idee, nun der Band, die alles ins Rollen brachte, den weiten Stadion-Sound breitarschig wie eine Kardashian einzuimpfen. Blink 182 auf Botox klingt enorm schlimm und holt wirklich nur die ganz späten Trittbrettfahrer ab.

Diesen ordentlich missglückten Opener abzuschütteln, fällt schon schwer genug, aber wer jemals 'Tote Hosen in amerikanisch' auf seinem Wunschzettel hatte: Eure satanischen Gebet wurden erhört. "Ole, Ole, Ole, Ole" grölt es hervor, fordert ein Mädchen zum Tanz auf und klingt als ob die Flippers kurz mal Gitarren umstiegen. Welche Aliens, die anscheinend wirklich existieren, meine damalige Lieblingsband auch immer entführten: Bitte gebt mir das Original und nehmt dieses Dad-Rock-Experiment wieder mit zurück auf euren traurigen Planeten. Tatsächlich glaubte ich für eine Sekunde an ein "Dancing With Myself"-Billy Idol-Cover, das Blink 1994 schön rotzig und absolut respektlos heraus kotzten. Wenn schon versuchen, wie früher zu klingen, dann doch lieber so. Oder gleich wie in der goldenen Zeit von "Dude Ranch" bis zum erstaunlich vielseitigen Self-Titled-Record von 2003. Ein nachdenkliches, gereiftes, aber vor allem würdiges Ende.

So dachte man jedenfalls, bis sie doch wieder zurück und nur noch selten an die Form von früher heran kamen. Immerhin fängt "When We Were Young" noch etwas von dem verflogenen Zauber wieder ein und bleibt einfach mal ein straighter Pop-Punk-Song. Da ist sie auch wieder, diese wirklich empfundene Wut von Tom, die zwar auch gut für Meme-Material taugt, aber wie herrlich zischte er "So here's your holiday / Hope you enjoy it this time / You gave it all away" in dem Scheidungsdrama "Stay Together For The Kids".

Der Albumtiteltrack "One More Time", ein Rip-Off von "I Miss You", besticht immerhin durch die hohe Emotionaltät von "Do I have to die to hear you miss me? / Do I have to die to hear you say goodbye? / I don't wanna act like there's tomorrow / I don't wanna wait to do this one more time". Mal von der absoluten musikalischen Unoriginalität abgesehen krampft das Fan-Herz zusammen. Gehört 2/5, aber 5/5 für die pure Existenz dieser drei Typen und ihren Kampf gegen Gevatter Tod.

Wenn man schon technisch und musikalisch nicht unbedingt brilliert, macht man es halt noch einmal mit Gefühl, und diese Formel hätte noch irgendwie zu einem soliden Album getaugt. "One More Time" vermeidet mit B-Seiten-Füllmaterial wie "Bad News" und weiteren Selbstzitate-Songs das Schlimmste noch, aber das Feuerzeug-Schwenken in "Childhood" lässt Betroffenheit zurück. Die Idee mit dem Sixties-Pop geht noch als Wunsch nach Experiment durch, und natürlich können sie nicht ewig die Erstsemester-Party durchspielen, aber wie bocklos das schwache, auf erwachsen getrimmte Songwriting in Nichts ausfadet, bleibt beachtlich. Diese Band hatte ihre Momente, teilweise sehr große, aber nach "One More Time" bleibt stark zu hoffen, dass das noch nicht alles war. Da muss noch mehr gehen, weil das hier nicht das Ende sein darf.

Trackliste

  1. 1. Anthem Part 3
  2. 2. Dance With Me
  3. 3. Fell In Love
  4. 4. Terrified
  5. 5. One More Time
  6. 6. More Than You Know
  7. 7. Turn This Off!
  8. 8. When We Were Young
  9. 9. Edging
  10. 10. You Don’t Know What You've Got
  11. 11. Blink Wave
  12. 12. Bad News
  13. 13. Hurt (Interlude)
  14. 14. Turpentine
  15. 15. F*ck Face
  16. 16. Other Side
  17. 17. Childhood

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29 Kommentare mit 66 Antworten

  • Vor 6 Monaten

    2/5?
    Das einzige Dad-Rock Fan Herz was zusammenkrampft kommt von der person die bei laut.de diese kritik geschrieben hat.
    Das album hat gute bewertungen von jedem bekommen except the Germans of course..

    • Vor 6 Monaten

      Ich würde am Liebsten auch nur Dinge lesen von Leuten, die alles genauso geil finden wie ich und mir das Selbstbild bestätigen.

    • Vor 6 Monaten

      Es ist ok es nicht zu moegen, es ist aber keine 2/5!

    • Vor 6 Monaten

      Wieso denn nicht? Vielleicht finden Leute das einfach scheiße. Und nu?

    • Vor 6 Monaten

      Wenn du dich mit de Band auskennen wuerdest und Ihren side projekten und die influence die in dieses album eingeflossen sind gibst du aus neutraler sicht keine 2/5.
      Lies dir die reviews auf Kerrang, Rolling stones und den anderen Magazinen durch. Die sind neutral geschrieben und feiern auch nicht alles und es wird nicht zerrissen wie von laut.

    • Vor 6 Monaten

      "Bursting into life with glistening guitars and thundering punk drums, the trio sound fired-up, tackling topics of dreams, death, and defying the odds"
      ist wohl kaum ein neutrales Statement.

      Du willst halt Sachen lesen die mit deiner Meinung kongruent sind, gib's schon zu. Wie alle erbosten Fanhörnchen seid ihr einfach nicht in der Lage, ne Meinung anzuerkennen, die das Werk nicht preist. Und da werden dann Alibiargumente wie "der Autor sollte neutraler sein" bemüht. So weit, so 1000 mal schon dagewesen.

    • Vor 6 Monaten

      2/5 für Dan sein Geschreibsel. Hab seine Sideprojects hier gecheckt und es ist keine 1/5.

    • Vor 6 Monaten

      Pitchfork und Needledrop lassen sich bestimmt noch zwei, drei Wochen Zeit, bevor Sie dieses epochale Meisterwerk beweihräuchern.

    • Vor 6 Monaten

      Irgend welche Besserwisser die keinen Plan von der band haben denken sie könnten Blink beurteilen. Wer damals dabei war weiss wie es da abging. Fühlt euch ruhig groß wenn ihr auf anerkannte Rockbands drauf schlägt. Ernst nimm euch keiner.

    • Vor 6 Monaten

      Ernst nimmt dich keiner.
      Wäre die Mucke gut müssten die Songs gut abgehen auch wenn ich keinen Plan von der Band habe. Denke in diesem Fall hat jede Veröffentlichung ihre Zielgruppe, in diesem Fall Leute die gern davon schwafeln wie es damals abging, wie legendär es doch damals war und wie wenig es heutige Bands dich drauf haben.
      Musik für Typen die sich mit Mitte 40 Tattoos stechen lassen, sich dann mit Kai Pflaume ablichten um zu zeigen wie hart und jung sie doch noch sind.

  • Vor 6 Monaten

    Die meisten bewerten das Album als das beste blink Album, andere zumindest auf Augenhöhe mit Untitled aber dieses Review hier ist das unehrlichste und so grausam dahingerotz, dass es die Lesezeit nicht wert ist.

  • Vor 6 Monaten

    Schön, wie die ersten Fanboys hier direkt herbeifantasieren, dieses album sei auf einer Höhe mit dem richtig, richtig gutem Self-titled album von damals.

    Dad rock ist sicherlich keine treffende Wortwahl, aber wie kalkuliert dieses Album Blink-Klischees von 2000 nach Schema F runterspielt (und dafür auch noch ein halbes Dutzend externe Songwriter dafür braucht) ist eine kreative Bankrotterklärung.

    Das heißt nicht, dass die Platte keine Ohrwürmer hat, aber so extrem ideenlos war nicht mal Neighborhoods.

  • Vor 5 Monaten

    Dieser Kommentar wurde vor 5 Monaten durch den Autor entfernt.

  • Vor 5 Monaten

    So, hab mal durchgeskippt. Das ist wirklich richtig, richtig richtig schlecht, cringe, und auf hochnotpeinliche Art und Weise aus der Zeit gefallen. Jede einzelne Person, der das gefällt, ist ein geschmacksverirrter Lauch mit zu gering ausgeprägtem Schamgefühl und wahrscheinlich auch ein paar grauen Zellen zu wenig.
    Die Leute, die das hier auch noch aus den Augen schwitzend verteidigen, sollten sich wirklich mal den Kopp untersuchen lassen, da läuft doch was nicht ganz rund mit euren 85MHz-Prozessoren, ihr Clowns.

  • Vor 5 Monaten

    One more time ist ein gutes Album, sicherlich, es gibt bessere, aber man sollte niemanden seinen Musikgeschmack aufdrängen. Ich bin Blinkfan der ersten Stunde, aber höre auch ganz viele Bands, bei denen ich auch abgehe. Blink 182 ist älter und reifer in ihren abgegeben Tönen geworden und wer es nicht hören mag und nur meckern kann, sollte sich ins Heiabettchen begeben und vorher noch das Kopfkissen mit seinen verzweifelten Tränchen anfeuchten. Bleibt cool und hört was ihr wollt.