laut.de-Kritik
Düsterer Synthie, betörende Stimme: This must be love.
Review von Anne NußbaumBereits die ersten Takte fangen den Hörer ein wie eine Spinne in ihr dicht verwobenes Netz: Hypnotisch scheppern die Percussions, der Synthie brummt düster, leise knarzen alte Tannen. Ein dunkler, verschneiter Wald tut sich vor uns auf. "I'm only here sometimes / Under the tree of life". Willkommen in der Welt von Blonde Redhead.
Allein der erste Song ist so betörend, dass einem der Atem stockt. Das nunmehr achte Werk des italienisch-japanischen Trios ist gleichsam nicht von dieser Welt. Immer schon hatte die Band einen Hang zum Mystischen, Rätselhaften, Geheimnisvollen. Diese Tendenz besiegeln Kazu Makino und die Pace-Brüder auf "Penny Sparkle" nun endgültig.
Das Album beschreitet andere Pfade als die Vorgänger: Die Sonic Youth-Gitarren treten zurück und machen Synthie-Effekten Platz. Verträumt und verspukt bleibt es trotzdem. Die Band schraubt die Elektronik hoch und sinkt in düsterere Soundgefilde ein, in die schon die unvergleichlichen My Bloody Valentine abtauchten.
Eine lodernde Soundwand, auf die Makino fragile Vocalkleckse zaubert: In "Not Getting There" verhallt die Melodie hinter geisterhaften Electronica-Elementen, die finster aus den Boxen rieseln. Nervenflirrend und hauchzart wie einst auf "Misery Is A Butterfly" betört die Japanerin uns auf "Oslo" und "Penny Sparkle".
Unsagbar traurig pocht die Drum-Machine, der Beat tropft schwermütig auf die in höchsten Lagen schwebende Mädchenstimme: "If Penny could tell me all she knows and about the way the wind can hurt". Die dunkle Schönheit der Songs vermag jedes Melancholikerherz in Stücke zu zerreißen.
Leichtfüßiger segelt "Everthing Is Wrong" durch die nebelschwangere Luft. Die Band dreht die Beatzahl hoch, bleibt aber im Halbschatten verborgen. "Everything is wrong here, let's all have a think / Everything is wrong here, let's all have a laugh". Die zweideutige Versponnenheit lässt CocoRosie und die Cocteau Twins durchschimmern.
"Living in dim dim light / There are people saying / It's going to be a long long night": Dämmrig und trübe schleppen sich die Beats dahin, bis hellere Melodien das Nachtdunkel durchbrechen. "My Plants Are Dead" zerfließt zu verschwärmtem Echo.
In den Schoß von Makinos ätherischer Stimme schmiegen sich verspulte Feedbacks, tiefhängende Postpunk-Nebelschwaden und shoegazig wabernde Soundwolken verschmelzen ineinander, bis man schlaftrunken in einen halluzinogenen Wachtraum abdriftet.
Die gespenstischen Kompositionen erinnern stellenweise an ruhigere, zurückhaltendere The Knife-Momente wie "Marble House" oder an die mythenhaft kühlen Arrangements von Fever Ray. Das verwundert kaum, immerhin hatte das Produzentenduo Van Rivers & The Subliminal Kid die Finger im Spiel.
Manchmal funkeln durch gesetzte, hintergründige Melodien und noisige Electronica-Flächen ein paar Sonnenstrahlen ins ambiente Zwielicht hervor. Doch überwiegend bleibt es schattig, gedrückt, jenseitig.
Wunderschön betrüblich pendeln sich die Percussions auf dem funkelnden "Love Or Prison" zwischen Makinos unwiderstehlichen Gesangparts ein. "In your love I swear / In your love I hide / In your love I sleep / In your love I turn / In your love I cry". Melancholisch perlt der Synthie über reduzierte Melodiemuster und verhallte Effekte. "Is this love or prison?", fragt Makino zerbrechlich. Und liefert, verunsichert, gleich selbst die Antwort: "This is love." Wir bestärken sie, fernab jeglichen Zweifels: This must be love.
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