laut.de-Kritik

In jeder Sekunde tickt die pure Explosion.

Review von

Irgendwann kriegt er sie alle. Irgendwann greifen alle auf ihn zurück. Über wen ich spreche? Den Pop natürlich! Selbst die Blood Brothers lassen sich jetzt auf ihn ein. Und wenn er schon diese fünf völlig verrückten Sprengstoffgürtel dazu bekommt, einen Gang runterzuschalten, dann sieht man sehr schön, wie mächtig er ist.

Dass er die Jungs aus Seattle nicht vollständig um die Finger wickelt, dürfte dabei selbst ihm klar sein. Sie sind einfach zu wütend, und ja, glücklicherweise auch immer noch richtig angepisst. Trotzdem finden die Blood Brothers auf ihrer vierten Platte die Feinheit der Explosion. Und die muss nicht immer laut sein.

Auch wenn "Crimes" im Gegensatz zu seinen Vorgängern deutlich ruhiger und insgesamt weniger ungestüm ausfällt, so tickt trotzdem noch in jeder Sekunde die pure Sprengkraft. Hinter der Energie des Krachs lodert immer wieder bedrohlich die beliebte Teenage-Angst.

Die kommt bei den Blood Brothers natürlich um einiges krasser daher, als bei amerikanischem New-Metal-Blödsinn, den sich andere Sprengstoffgürtelträger antun. Denn hier herrscht ein Grundsatz: keep it real. Die zwei durchgeknallten Helium-Sänger sind so schrill und schräg, wie man es nur in tiefster Verzweiflung sein kann. Das hat mit Typen, die mit dummen Bärten und noch dümmeren Bravo-Punk-Frisuren Depeche Mode rammsteinartig verunglimpfen, recht wenig zu tun. Das hier ist echte Raw Power, wie sie ein inzwischen vernarbter Mann mal zur Schau trug.

Und dennoch: Songs wie das großartige titelgebende "Crimes" sind trotz obligatorischer Schreiphase so abgehangen cool und poppig wie man das dem Songwriter-Kontext der Blood Brothers nicht zugetraut hätte. Und ja, in "Love Rhymes With Hideous Car Wreck" wage ich sogar ein bisschen die dunkle Seite des Pop in Form von The Cure zu hören.

Trotz aller Besänftigungen wissen die Blood Brothers immer noch: "Everybody needs a little devastation!" Das rasende "Beautiful Horses" oder "Teen Heat", das mit einem unglaublich hüftshakenden Part prahlen kann, pfeffern als wahrhaftige Killer durch die Rillen. Im guten alten Style werden pro Song mindestens vier Tracks vollständig verwüstet, wieder aufgebaut, um einem zu guter Letzt doch wieder richtig auf die "Rübe" zu hauen (um Kollege Edele zu zitieren).

Diese Platte ist sicherlich alles andere als einfach hörbar. Anstrengend, komplex und verwirrt beißen die Songs aus den Boxen. Schreien geradezu nach Erlösung. Der normale Hörer sucht da - trotz aller Bewunderung für einen solch abgefahrenen und eigenständigen Sound - immer wieder Erholung in der Stop-Taste. Dabei muss der Hörer sich ständig fragen, wie fünf schlaksige Typen so viel Power haben können, dass er es nicht mal schafft, die Platte am Stück durchzuhören. Es ist wohl einfach nur wahnsinnige Musik in Höchstform.

Trackliste

  1. 1. Feed me To The Forest
  2. 2. Tarsh Flavored Trash
  3. 3. Love Rhymes With Hideous Car Wreck
  4. 4. Peacock Skeleton With Crooked Feathers
  5. 5. Teen Heat
  6. 6. Rats And Rats And Rats For Candy
  7. 7. Crimes
  8. 8. My First Kiss At The Public Execution
  9. 9. Live At The Apocalypse Cabaret
  10. 10. Beautiful Horses
  11. 11. Wolf Party
  12. 12. Celebrator
  13. 13. Devastator

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