laut.de-Kritik

Roh, sexy, selbstbewusst: die Shoes übertreffen sich selbst.

Review von

Seit fast zehn Jahren dreschen Laura-Mary Carter und Steven Ansell als Blood Red Shoes auf Gitarre und Schlagzeug ein. Die geballte Wut und jugendliche Unzufriedenheit entfesselte sich 2008 auf ihrem Debüt "Box Of Secrets" in griffigen, lauten, nach vorne schießenden Songs zwischen Alternative Rock, Grunge und Punk.

"Fire Like This" schlug zwei Jahre später in die gleiche Kerbe, beim Drittwerk "In Time To Voices" blickten sie 2012 über den krachigen Gitarre-Schlagzeug-Tellerrand hinaus und wagten sich an ruhigere Nummern und Synthies.

Nun also das vierte, selbstbetitelte Album "Blood Red Shoes". Und wenn eine Platte schon den Bandnamen trägt und es sich dabei nicht um das Debüt handelt, steht das oft für Veränderung. Das Duo aus Brighton macht da keine Ausnahme. Nachdem es die ersten drei Alben mit der Unterstützung von Produzent Mike Crossey (Arctic Monkeys, Jake Bugg) eingespielt hatte, trennte es sich dieses Mal von ihrem Langzeit-Helfer, zog sich sechs Monate in ein Berliner Studio zurück und nahm "Blood Red Shoes" in Eigenregie auf.

Ganz klassisch begründet Ansell diese Entscheidung im Interview so: "Kein Produzent, kein Techniker, keine A&R-Leute, nur wir zwei in einem großen, betonierten Raum in Kreuzberg, in dem wir jammten und aufnahmen, wann immer wir wollten, wie wir wollten, ohne, dass wir uns gegenüber jemand anderem als uns selbst rechtfertigen mussten. Heraus kam eine Platte, die nach unserer rohsten, schwersten, sexiesten und selbstbewusstesten bisher klingt."

So viel vorweg: Wem "In Time To Voices" zu glatt produziert und gesetzt war, der kann sich jetzt wieder über kantigen, zügellosen Sound freuen, der vor Kraft und Schmutz nur so strotzt. Selbst die ruhigeren Tracks überrollen den Hörer mit schweren, übermächtigen Arrangements.

Von denen findet sich zu Beginn der Platte allerdings keine Spur. Beim Instrumental-Opener "Welcome Home" brettern die Blood Red Shoes mit Höchstempo und Lautstärke los, um gleich mal jeglichen Verdacht aus dem Weg zu räumen, dass sie über die Jahre irgendetwas an fokussierter Aggressivität verloren haben.

"Everything All At Once" knüpft ohne Verschnaufpause an und verwandelt ihre ehemalige rebellische Unzufriedenheit in fordernde Fuck-You-Attitüde: "I'm not asking for your permission to live anymore / I'm not waiting for the future that might never come" und "It makes no difference, if you stop or if you start again / Tomorrow never comes, I know I never learn / So give me everthing I can carry in my hands" ächzt Ansell, ehe Carter ihn im spitz ausgestoßenen Refrain unterstützt.

Die zweite Single-Auskopplung "An Animal" plädiert ebenfalls für den Ausbruch und dafür, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dank catchy Riffs und Songzeilen ein klarer Hit, der auch das Ergebnis davon sein könnte, dass die ("AM"-)Arctic Monkeys die Foals covern. Nicht zuletzt die Lyrics "I'm just an animal, I can't be controlled" erinnern an das schmetternde "Providence" vom letzten Foals-Album "Holy Fire".

Laura-Mary Carter übernimmt in "Grey Smoke" dann zum ersten Mal den Hauptanteil der Vocals. Rauchig, verführerisch und dreckig setzt sie sich gegen dumpfes Schlagzeug und knarzende E-Gitarre durch. Mit dem görenhaften Gesang von Songs wie "It's Getting Boring By The Sea" hat das nichts mehr gemein. Vergleiche mit Garbage oder The Kills muss sie schon länger nicht mehr scheuen.

Auf den starken Lärm-Auftakt folgt mit "Far Away" ein fast schon melancholisch vor sich hindröhnender Midtempo-Track: "Where we're going, I don't know / I just wanna be anywhere but here / Far away out of sight". Während dieser Ruhepol sich noch als recht solide erweist, erreichen die Shoes wenig später mit "Stranger" einen Tiefpunkt: Dröge instrumentiert und in Tonhöhen umgesetzt, die Carters Stimme weniger schmeicheln, zieht sich der Song vier Minuten theatralisch hin.

Auch wenn die Blood Red Shoes viele ihrer Trümpfe gleich zu Beginn ausspielen und die zweite Hälfte dann nicht mehr ganz so mitreißen kann, springen einen hier noch Highlights an: Die erste Single "The Perfect Mess" ist eines der besten, wenn nicht sogar das beste Stück des Albums. Druckvoll mit Feedback, verzerrten Gitarren und pochendem Schlagzeug auf den Punkt gebracht, möchte man nicht die Person sein, der sie "Go on and disappear" hinterherrufen. Eine kurze Atmo-Aufnahme aus der Berliner U-Bahn rundet die Nummer ab.

Der schwurbelige 90s-Rock-Song "Behind A Wall" überzeugt auf seine sanfte Art, bei "Cigarettes In The Dark" dümpeln sogar Synthies vor sich hin, die etwas Abwechslung in die E-Gitarre-Schlagzeug-Kombo bringen. Mit "Speech Coma" setzen sie noch einen knackig-rotzigen Zweieinhalb-Minüter drauf.

Die große Versprechungen, die Steven Ansell im Vorfeld machte, kann die Platte durchaus erfüllen. Die eine oder andere Schwachstelle gibt es, insgesamt übertreffen sich die Blood Red Shoes mit ihrer ersten Eigenregie jedoch selbst. Die knarzigen Gitarrengewitter, das stürmische Drumming und die Texte, die von nachdenklich bis wütend reichen, bringen die Engländer dieses Mal auf den Punkt, ohne an Kanten einzubüßen. So kann das gerne auch nochmal zehn Jahre weitergehen.

Trackliste

  1. 1. Welcome Home
  2. 2. Everything All At Once
  3. 3. An Animal
  4. 4. Grey Smoke
  5. 5. Far Away
  6. 6. The Perfect Mess
  7. 7. Behind A Wall
  8. 8. Stranger
  9. 9. Speech Coma
  10. 10. Don't Get Caught
  11. 11. Cigarettes In The Dark
  12. 12. Tightwire

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LAUT.DE-PORTRÄT Blood Red Shoes

Sie kommen zwar aus dem englischen Brighton, sind dort aber nicht aufgewachsen. Wo genau die beiden Mitglieder Laura-Mary Carter (Gesang und Gitarre) …

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