11. Dezember 2007

"Dann pisste er in ihren Drink"

Interview geführt von

2004 jammten sie hin und wieder zusammen. Jetzt sind sie auf dem Weg nach ganz oben. Laura-Mary erzählt von den vergangenen drei Jahren mit den Blood Red Shoes und was uns in Zukunft erwarten wird. Dabei geht es um Frauen mit Gitarren, verunreinigte Getränke, Underage Partys und uncoole Vergleiche.Während Steve noch mit dem Soundcheck beschäftigt war, trafen Kollegin Daniela Reichert und ich die reisegeschädigte Laura-Mary von den Blood Red Shoes in Zürich zum Interview. Nachdem wir es uns Backstage mit ein paar Getränken bequem gemacht hatten, konnte die Fragestunde beginnen.

Wir haben uns ein paar Interviews mit euch durchgelesen - ihr werdet jedes Mal nach der Bedeutung eures Namens gefragt, obwohl die doch jeder zu kennen scheint. Ist das nicht nervig?

Yeah ... Oder, es nervt mich nicht unbedingt, es wird nur ein bisschen langweilig für uns, weil wir es in fast jedem Interview erzählen müssen.

Habt ihr da nicht schon öfters mit dem Gedanken gespielt, einfach irgendeine Geschichte zu erzählen?

Oh klar, wir haben natürlich die eine Geschichte über unseren Namen, die sich auf den Film "Fred & Perry" bezieht. Manchmal erzählen wir aber auch nur irgendeinen Schwachsinn und alle reagieren dann mit "Oh, ich dachte ...".

Wo du schon vom Geschichten erzählen sprichst: Da gibt es eine Story, dass Steve sich in die Drinks anderer Leute erleichtert hat. Ist das ebenfalls erfunden?

(lacht laut los) Oh nein, die Geschichte ist wirklich wahr.

Und, haben sie's getrunken?

Jaja, die, denen er das angetan hat, haben es getrunken. Er hat ihnen dabei zugeschaut.

Was steckt da für eine Geschichte dahinter, erzähl uns davon.

Ok. Das ist schon Jahre her, und jetzt weiß wirklich jeder davon, das ist ekelhaft. Also, wir haben diesen Gig in London gespielt. Das war noch sehr früh und wir haben dort diese Band supportet. Die Band besteht aus zwei Mädchen, und die waren wirklich gemein zu jedem. Die waren total von sich überzeugt. Wir haben in einer sehr kleinen Location gespielt, und dort gab es einen Backstageraum für das Equipment. Sie meinten zu uns, dass es ihr Umkleideraum sei. Der Organisator sagte ihnen, dass er das nicht sei, weil es außer beim Publikum keinen anderen Platz für das Equipment gäbe. Trotzdem dachten sie, den Raum voll für sich beanspruchen zu können, und ich musste meine Sachen halt da rein legen. Als ich den Raum betrat, schrieen sie mich an: "Raus hier! Raus aus dem Raum!" und "Blablablabla ...". Die haben sich einfach wie die größten Rock'n'Roll-Stars benommen, obwohl sie das ganz und gar nicht waren. Die waren eine sehr schlechte Band. Außerdem waren sie wirklich scheiße zu den Tontechnikern.

Wie war ihr Name?

Robots in Disguise. Die sind nicht sehr bekannt. Manche Leute kennen sie, weil sie mal in einer Fernsehsendung waren ... aber jedenfalls, sie sind schlecht! Die haben einen Backingtrack und singen nur darüber.

Naja, sie waren so gemein zu den Tontechnikern, sie waren einfach zu jedem gemein. Rundum gemein. Zu jedem. Zu uns und den anderen Bands, die dort auch noch mit uns spielten. Steve nervte das total, er wurde richtig wütend. Er bemerkte, dass sie Wodka mit Apfelsaft tranken. Als sie dann auf der Bühne waren, um zu spielen, nahm er ihre Drinks und pisste rein. Dann hat er ihnen dabei zugeschaut, wie sie es tranken, und jeder wusste davon.

Als wir jetzt in Camden in London waren, um dort zu spielen, war eins von den Mädels mit einem Freund von uns da. Wir wurden einander vorgestellt und wir waren total erschrocken. Sie hingegen meinte "Jaja, ich weiß, wir spielten schon mal zusammen" und war wirklich sehr nett. Wahrscheinlich, weil wir in ihren Augen jetzt erfolgreicher sind. In England wissen die Leute jetzt eben, wer wir sind, und sie wollen deswegen unsere Freunde sein.

Wir haben sie nur angestarrt. Ich könnte schwören, dass sie es nicht weiß, aber sie ... na ja, es weiß eben eigentlich jeder... ach, keine Ahnung. Also ich wäre ziemlich wütend, wenn das jemand bei mir machen würde.

Vielleicht hat sich auch schon einmal jemand in deinen Becher erleichtert ...

Yeah, vielleicht. Was meinst du, war's Steve? Das wird wohl auch der Grund sein, warum ich mich krank fühlte (lacht). Das macht er bestimmt ständig.

"I'm glad, I'm glad that it sounds like that"

Na dann, Prost ... Jetzt aber wieder weg vom Urin und hin zur Musik. Wir haben uns gefragt, warum ihr denn fünfmal euer Label gewechselt habt.

Ach, dafür gibt es keinen bestimmten Grund. Wir wurden eben immer nur von irgendwelchen "Bedroom Labels" gefragt, ob wir eine Single bei ihnen rausbringen wollen. Sie meinten eben immer: "Yeah, cool! Wir bringen eine Single raus" und dann kam jemand anderes vorbei, bei dem wir eine andere Single veröffentlichten. Da ging es aber immer nur um Singles, ein Album stand da nie zur Debatte.

Dann waren wir, bevor wir zu V2 kamen, wo wir jetzt sind, bei Excel. Das ist eine richtig große Plattenfirma. Sie wollten mit uns eine Single veröffentlichen und vielleicht eben auch eine ganze Scheibe. Wir wollten das letztendlich nicht mit denen machen. Dann haben wir V2 gefunden und machten den Deal mit ihnen. Bis dahin waren es meistens unsere Freunde, mit denen wir was gemacht haben, und die hatten auch wirklich immer nur kleine Homerecording Labels.

Und ihr wollt jetzt bei V2 bleiben?

Jaja, wir haben jetzt ja einen Vertrag bei ihnen unterschrieben.

Ein paar eurer Singles sind nur auf Vinyl erschienen. Kannst du mir sagen wieso, hat das in irgendeiner Weise etwas mit Idealismus zu tun?

Äh ... wir mögen einfach diese 7inch-Platten. Außerdem lassen sich kaum mehr CDs verkaufen, da wollten die Labels lieber Vinyl. Kein Mensch kauft mehr CDs, die Leute holen sich alles aus dem Netz. Die 7er-Scheiben gehen immer besser weg und, ja, wir liebten Schallplatten schon immer. Daher machten wir das, unsere neue Single kommt in England nur auf Vinyl oder zum Download raus. Ich glaube, das ist sogar heute ...

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, eure Musik so im Internet anzubieten, wie es Radiohead gerade machen?

Ich finde es ziemlich cool, aber ich glaube, wir könnten das nicht so machen. Glaube ich wirklich. Uns kennt einfach noch niemand, und wie du wahrscheinlich weißt, haben die einfach mehr Kohle. Ich finde es aber ziemlich cool, das ist eine richtig gute Sache.

Bringt ruhig weiter eure Platten so raus. Mir gefällt das Design echt gut. Wir haben gelesen, dass du das ganze Artwork selbst machst.

Richtig! Gestern war ich wieder daran ... Wir hatten rund zwei Stunden Zeit zwischen den Konzerten, und ich habe in der Zeit am Album gearbeitet. Ich mache das, während wir noch auf Tour sind. Das ist wirklich hart. Besonders, weil wir die ganze Zeit im Bus unterwegs sind, und malen im Van ist wie ... ist eben richtig hart. Ich denke es wird letztendlich eine Mischung aus Fotos und Gemaltem. Es ist nur ein bisschen stressig, weil ich es in den nächsten zwei Wochen fertig haben muss.

Zwei Wochen? Die Platte kommt aber doch erst im Januar.

Ja, es braucht eben so lange, um es zu checken usw. Ich muss außerdem noch das nächste Singleartwort machen ... das ist alles ein bisschen verrückt.

Was können wir dann bei dem neuen Album denn außer einem tollen Cover so erwarten?

Ich denke es ist das beste Zeug, das wir je hatten. Es klingt eher so, wie wir uns live anhören, und es ist ein bisschen härter. Es sind auch ein paar neue Songs drauf, die wir noch nicht veröffentlicht haben. Einfach Rock eben, und ich wette, die Leute sind ein bisschen schockiert davon, weil es nicht so ist, wie das Zeug der meisten englischen Bands zur Zeit. Nicht so dieses "Indie-Jinglie-Janglie" ... nein, es ist Rock (lacht). Ich bin richtig froh darüber. "I'm glad, I'm glad that it sounds like that". Wir sind eigentlich beide froh darüber und hoffen, dass es den Leuten gefallen wird.

Sind viele neue Songs darauf zu hören?

Äh ... es sind eben die Songs, die du wahrscheinlich schon kennst, "It's Getting Boring By The Sea" und "ADHD" haben wir neu aufgenommen und unsere neue Single "I Wish I Was Someone Better". Der Rest ist aber neu.

"Mädchen, die Gitarre spielen, sind einfach nicht normal."

Wenn ihr Songs schreibt, was inspiriert euch dabei? Gibt es da spezielle Bands?

Nein, nicht wirklich. Es gibt verdammt viel, was wir mögen - den Grunge aus den 90ern und so Zeug. Wir denken aber nicht wirklich darüber nach, wenn wir etwas schreiben. Wir gehen dabei nicht irgendwie so vor, dass wir sagen, wir wollen das es sich so und so anhört. Wir fangen einfach an, zusammen jede Menge Lärm zu machen, und wenn dabei etwas herauskommt, dass uns wirklich gefällt, halten wir's fest. So gehen wir vor. Zum Schluss schreiben wir dann die Texte.

In England gibt es diese Underage Szene. Ihr habt da schon ein paar mal gespielt, worum geht es denn dabei?

Das ist wirklich spannend. Das Ganze hat, so weit ich weiß, in London angefangen. Da waren einfach Kids, die entschieden haben, Gigs zu organisieren, auf denen die Leute unter 19 sein müssen, weil sie es einfach leid waren, nirgends reinzukommen. So hat sich die Szene entwickelt, und jetzt ist das eine große Sache geworden. Das ist wirklich die spannendste Entwicklung in der Musik seit langem. Es ist großartig, weil all diese Kids die Gigs organisieren, und sie machen das wirklich gut. Manche von den Konzerten, die wir dort gespielt haben, waren besser organisiert als alle anderen, bei denen ich jemals war. Und die Leute dort ... niemand trinkt, sie genießen einfach nur die Musik. Da gibt es einfach nichts, als sie selbst und die Musik.

Als wir dort gespielt haben, waren wirklich nirgends Eltern oder so. Da gab es einen "Drop Point", bis zu dem die Erwachsenen mit konnten. Dort konnten sie warten, aber das war rund eine Meile von der Veranstaltung entfernt. Das ist echt das Beste überhaupt. Dort in der Szene macht es auch keinen Unterschied, welches Geschlecht man hat. Ich weiß nicht, wie viele Jahre vorher weibliche Musiker einfach nicht richtig anerkannt wurden. Das ist heute irgendwie immer noch komisch. In der Underage Szene spielt es keine Rolle, ob du ein Junge oder ein Mädchen oder sonst was bist. Da gründest du einfach eine Band und hast mit ihr eine gute Zeit.

Meinst du, dass Frauen in Bands nicht so beliebt sind?

Ich weiß nicht, es wird immer besser. Ich meine, früher haben mich die Leute wirklich auf der Bühne angeschrieen, und andere Bands haben über uns gelacht, weil ein Mädchen Gitarre spielte.

Dich angeschrieen?

Ja. Das denkt man in der Regel nicht, aber ich wurde bei den meisten Konzerten wirklich richtig böse angeschrieen. Nicht in Europa aber in England. Das Publikum und die Leute von der Crew denken auch oft, dass ich nur die Freundin von jemand wäre, sie checken nicht, dass ich spiele. Die würden meine Hand nicht schütteln und das ist irgendwie ...(zuckt mit den Schultern). Es ist nicht mehr so schlimm, aber es ist immer noch nicht okay, wie es ist. Selbst in der Musikindustrie sind kaum Frauen in höheren Positionen. Die machen dort die dort Presse- oder Promoarbeiten, sind aber nie in den hohen Positionen.

Dabei gibt es doch so viele weibliche Popstars. Denkst du, dass ist so eine Sache in der Rockmusik?

Jaja, ich denke das ist vor allem bei der Rockmusik so. Mädchen, die Gitarre spielen, sind einfach nicht normal. Ich könnte wetten, dass jedes Mädchen in einer Band dir so etwas erzählen würde. Ich denke, es machen sowieso nicht so viele Mädchen Musik. Es werden zwar immer mehr, trotzdem ist der Unterschied immer noch groß. Es gibt so viele Jungs, die Gitarre spielen, und jedes Mal, wenn wir spielen kommt danach jemand und meint: "Oh, ich dachte nicht, dass ein Mädchen so spielen könnte, aber du kannst es". Naja, da sage ich dann eben nur: "Danke". Ich weiß immer noch nicht, was ich dazu sagen soll.

Und meinst du, dass eure Junge/Mädchen-Besetzung auch der Grund ist, warum ihr immer mit den White Stripes verglichen werdet?

(stöhnt genervt) Oh ja, immer! Das ist wirklich das Nervigste überhaupt!

Wieso, weil es ganz und gar nicht das gleiche ist?

Es ist komplett unterschiedlich. Als wir angefangen haben, war es nicht so, dass wir unbedingt zu zweit sein wollten. Wir jammten einfach nur und wir waren wohl sehr gut dabei. Jemand fragte uns, ob wir ein Konzert spielen wollen weil er uns im Proberaum gehört hat. Wir hatten uns überlegt, dafür noch jemanden dazu zu holen. Dafür reichte aber die Zeit nicht. Anschließend merkten wir, dass wir eigentlich gar niemanden brauchten.

Wir haben nie darüber nachgedacht, wie wir werden könnten. Wir haben nie über die White Stripes nachgedacht, ich mag die nicht so. Ich finde, die haben ein paar ganz gute Songs, aber ich kenne sie nicht wirklich. Ehrlich gesagt weiß ich gar nichts über sie. Und jetzt ist es so wie in jeden Interview, in jeder Kritik und jedem Magazin – man sieht ihren Namen in Verbindung mit uns. Wenn wir auf Tour sind, sehen wir unser Bild oft in irgendwelchen Magazinen, und wir können die Texte nicht lesen, weil wir die Sprache nicht sprechen. Wir sehen aber jedes Mal irgendwo "White Stripes" stehen.

Wir können das nicht so ganz nachvollziehen, wir hören uns nicht im entferntesten ähnlich an. Bei uns singen auch wir beide. Bei ihnen ist das doch eigentlich Jack Whites Musik. Wir schreiben die Songs zusammen, spielen andere Instrumente, sind keine Bluesband ... Es ist nur, weil wir ein Typ und ein Mädchen sind.

Was nervt mehr, die Geschichte mit dem Namen oder…

White Stripes! Das mit dem Namen ist kein Problem. Ich wusste schon im Voraus, dass die Leute das wissen wollen. Aber das mit den White Stripes ist ...(ihr Gesichtsausdruck spricht für sich)

Mit wem würdet ihr denn gerne verglichen werden?

Mit jedem anderen! Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wer ähnlich klingt. Manche Leute sagen die Yeah Yeah Yeahs. Die finde ich cool, ich denke aber nicht, dass unsere Stimmen wie die Karen Os klingen. Musikalisch gibt es aber schon ein paar Ähnlichkeiten. So weit ich weiß, gibt's aber niemanden, dem wir so richtig ähnlich sind. Besonders niemanden mit Zweierbesetzung. Manche Leute sagen Death From Above. Kennst du die?

Nein, aber das kann ich doch als angehender Musikjournalist nicht zugeben ...

Ach so. Das ist eben eine Band aus zwei Leuten und anscheinend klingen die von allen Bands dieser Besetzung am ehesten wie wir.

Ich werde es mir mal anhören. Das wars von unserer Seite. Oder hast du noch irgendwas zu sagen?

Äh, nein. Ich fühle mich immer noch, als würde ich in einem fahrenden Bus sitzen. Ich weiß nicht so recht (lacht) ...

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LAUT.DE-PORTRÄT Blood Red Shoes

Sie kommen zwar aus dem englischen Brighton, sind dort aber nicht aufgewachsen. Wo genau die beiden Mitglieder Laura-Mary Carter (Gesang und Gitarre) …

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