17. Februar 2004

"Hoffentlich müssen wir nie zum Grand Prix!"

Interview geführt von

Wer deutschen Hip Hop - rein technisch gesehen - objektiv bewertet, kann den Töpfen nicht an den Karren fahren. Die Geister scheiden sich eher an der textlichen Ebene, bleiben die fünf Münchner doch der inhaltliche Gegenentwurf zum teutonischen Gangsta-Konzept. Dass das auch in Zukunft so bleiben soll, beteuern die Töpfe immer wieder gern.

Was sagt ihr zum Auftrieb, den die Berliner Rapszene gerade erfährt? Haben Rap-Hörer keine Lust mehr auf intelligente Texte à la Fanta 4 und Blumentopf?

Holunder: Nee, denk ich nicht. Die Beginner müsste man da ja auch dazu zählen, und das letzte Jahr war ganz klar ein Beginner-Jahr.
Schu: Ich denke auch, dass Hip Hop in Deutschland einfach langsam dazugehört. Dass da mehr Facettenreichtum entsteht, ist ja nur logisch und auch gut so.

Ihr tourt jetzt schon das zweite Mal mit eurem aktuellen Album. War die erste Tour so erfolgreich?

Schu: Ja!
Sepalot: Ja, schon.
Schu: Es ist ja nicht direkt eine zweite Tour, eher eine Fortsetzung der ersten. Wir besuchen halt jetzt die Städte, die beim ersten Mal nicht drankamen. Aber unsere bisherigen Touren waren alle ziemlich erfolgreich.

Was war euer interessantestes Tourerlebnis?

Holunder: Das kann man nicht so sagen. Das Schöne an einer Tour ist, dass immer sehr interessante Sachen passieren.
Schu: Unsere Touren sehen auch ganz anders aus als früher. Wir spielen viel Liveinstrumente tagsüber.
Sepalot: Ja, inzwischen essen wir sogar Salat (deutet auf sein Essen). Und wir saufen nicht mehr die ganze Nacht (lacht). Wir stehen schon um 12 Uhr auf, dann gehts zum Workout.

Könntet ihr euch vorstellen, mal ein Unplugged-Konzert zu spielen?

Holunder: Wenn wir noch fünf Jahre üben (grinst)
Sepalot: Gib uns Zeit. Viel Zeit.
Schu: Das ist sicherlich eine Sache, auf der wir gerade hängen bleiben. Wir üben ziemlich viel. Es gibt jetzt live sogar schon einen kleinen Block, wo wir selbst Instrumente spielen. Das passt. Für ein Konzert würde es allerdings nicht reichen. Lust hätten wir allerdings schon.
Holunder: Es macht einfach Spaß, wenn du mit so was neu anfängst. Früher haben wir ja alles nur im Rechner gemacht. Und wenn du halt ganz frisch anfängst damit, merkt man auch noch die Verbesserung von Tag zu Tag.
Sepalot: Das Tolle ist, jeder spielt alles gleich schlecht.
Holunder: Wir können alles auf Einsteigerniveau, so dass wir uns noch gar nicht auf eine feste Verteilung der Instrumente festgelegt haben.

Eure Alben zeigen eine Entwicklung zu mehr Melancholie hin auf. Seid ihr ernsthafter geworden?

Schu: Naja, es gab eigentlich schon immer auch eine melancholische Seite auf Blumentopf-Alben. Auf "Kein Zufall" gab es schon ein paar Tracks, "Anfang vom Ende" zum Beispiel, ebenso auf "Großes Kino". Vielleicht klingt alles etwas erwachsener, das kann natürlich sein, wir werden ja auch älter. Einen Song wie "Mustermann" konnten wir damals nicht machen, es wäre schon komisch gekommen. Achtzehnjährige, die übers Rentnerdasein rappen... Es ist uns aber wichtig, unseren Humor zu bewahren. Wir wollen kein Album komplett in einem Stil halten. Das dauert ja fast zwei Jahre, bis so ein Album fertig ist. Und sich so lange Zeit nur melancholisch zu fühlen, das wäre ja auch nicht Sinn der Sache.

Ihr habt einige Solostücke auf eurer aktuellen Platte ...

Schu: Ja, aber das gab's früher schon.
Holunder: Auf der "Eins A" waren es weniger, aber auf der "Großes Kino" gab es auch schon mal so viele Solostücke.

Könnt ihr euch vorstellen, auch Soloplatten rauszubringen?

Schu: Naja, Sepalot hat jetzt eine Soloplatte mit Esther gestartet, also die Beats produziert. Aber sonst kann ich es mir nicht vorstellen. Es macht einfach so viel Spaß, gemeinsam zu arbeiten, da kommt nie das Gefühl auf: "Hey, ich mach das hier ja nur für Blumentopf, eigentlich möchte ich ja ...". Und jeder von uns hat ja durch die Solostücke die Möglichkeit, sich ganz auszuleben und zu sagen, das Stück ist von vorne bis hinten nur meins.

Kommen wir zum "Frauenflüsterer". Mir kam es vor, als wärt ihr durch "2000 Mädchen" von den Ärzten beeinflusst?

Schu: Naja, das Lied hat wahrscheinlich den selben Inhalt wie 500 andere Stücke.
Holunder: Ja, wir sind stark davon beeinflusst. Leider kennen wir das Lied nicht (lacht). Aber die Ärzte-Sachen sind eigentlich ganz geil.
Schu: Ja, die Ärzte sind toll, auch die Interviews sind immer extrem lustig. Sicher beeinflussen einen Sachen, die man hört, aber wir wollen nichts abkupfern. Wenn du dich umschaust, die meisten Themen sind halt einfach schon angesprochen, deshalb kann es immer sein, dass dich Sachen von uns an andere erinnern und andersherum ebenso.
Holunder: Mit dem Thema Frauen befasst sich sowieso jedes zweite Lied.

Wie fielen die Reaktionen auf "Danke Bush" aus?

Schu: Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen, auch etwas negatives, aber deswegen war es trotzdem richtig, es zu machen.

Nur von Fans?

Sepalot: Naja, da wir das Lied ja zum Download auf unserer Homepage hatten, kamen die Reaktionen schon großteils von Fans.
Holunder: Manche Leute meinen dann natürlich auch: "So ein Scheiß, hättet ihr nicht "Danke Saddam" schreiben können?

In "Alle Sind Da" bringt ihr derbe Anspielungen auf die deutsche Rap-Jugend. Findet ihr die lächerlich?

Schu: Das sind keine derben Anspielungen. Wir haben uns nur die Clubs angeschaut, in denen wir stehen. Und machen uns von innen drüber lustig gemacht, ohne drüberzustehen.
Sepalot: Du musst ja nur mal auf eine Hip Hop Party gehen. Da sind halt im Endeffekt (lacht) ja, alle da. Wenn das die Leute als Verarsche sehen, können wir da nichts dafür. Eigentlich ist es nur eine Bestandsaufnahme der deutschen Szene.
Holunder: Ich finde aber auch nicht, dass das eine böse Verarsche ist. Eher ein freundliches miteinander Über-sich-selbst-lachen. Weißt du, nach dem dritten Cuba Libre steh ich auch da und droppe die Wu-Tang-Zeilen mit. Das ist doch schön, und genau so soll es ja auch sein.

Der direkte Vergleich zwischen eurem "Mein Block" und dem gleichnamigen Stück von Sido offenbart genau den Unterschied zwischen euch und dem Rest der Rapszene. Genau das ist es ja, was euch die 'Ghettorapper' vorwerfen ...

Sepalot: Ich bin froh, dass ich in einem Vorort aufgewachsen bin, in einer Reihenhaussiedlung ...
Holunder: Ich seh' ganz ehrlich nicht, was uns vorgeworfen wird. Wir können natürlich nur authentisch erzählen, wie es bei UNS ist. Und wenn sich jemand anders denkt, er macht es ganz anders und erzählt, wie es bei sich ist, ist das doch das Beste, was passieren kann. Das macht das Ganze doch erst interessant. Uninteressant hingegen wäre es, wenn ich jetzt beispielsweise erzählen würde: "Yo, bei mir im Treppenhaus, und alle mit Knarren und blabla". Das wäre einfach nicht wahr. Wenn es bei ihm so ist, und er erzählt mir das, dann finde ich es cool.

Wenn ihr euch einen Featurepartner für einen Rapsong aussuchen könntet. Wer wäre das?

Holunder (zeigt auf Schu): Ich würd' ihn gerne mal featuren.
Schu: Ja, ich würde auch gerne mal was mit Holunder machen (lacht). Nee, im Ernst, bei uns ist das nicht so. Ein Featurepartner muss einer sein, den wir kennen, von dem wir wissen, dass man mit ihm auch mal zwei, drei Tage locker rumhängen kann. Wenn dann nicht sofort eine Idee kommt, fühlt sich keiner angepisst oder denkt, er kommt jetzt nicht schnell genug an Kohle. Unsere Featurepartner sind alles Kumpel, die wir natürlich auch deshalb featuren, weil wir es richtig gut finden, was sie so machen. Mit manchen hat sich leider noch nichts ergeben. Dendemann zum Beispiel ist da ganz vorne dabei.
Holunder: Und wir haben uns fest vorgenommen, uns nach der Tour mit Nico Suave zu treffen und mit ihm was zu machen. Er hat uns ja supportet.

Was sagt ihr zu Schwester S beim Grand Prix?

Sepalot: Ich finde das vollkommen egal. Vorher war mir der Wettbewerb viel suspekter. Ich weiß nicht, ob das in anderen Ländern auch so ist, aber bei uns traten da ja immer nur Künstler und Interpreten auf, von denen man vorher fast nichts gehört hat. Jetzt sind halt mal Popmusiker am Start, die auch sonst präsent sind.
Schu: Und denen es von den Verkaufszahlen her so schlecht geht, dass sie auch bei sowas mitmachen müssen (lacht).
Sepalot: Ja, genau. Also ich würde uns da nicht sehen wollen.

Ihr würdet also definitiv nein sagen?

Schu: Ja, da würden wir nein sagen.
Holunder: Ich weiß auch nicht, ob man dazu eingeladen wird. Kann man sich da nicht einfach anmelden?
(Arbeiter im Hintergrund): Ich glaube, da wird man nominiert.
Schu: (lacht) Oh Gott, hoffentlich nominiert uns keiner!

Letzte Frage geht an dich, Schu. Du berichtest häufig in deinen Songs von Problemen mit Türstehern. Gibt es etwas, was du allen Türstehern Deutschlands gerne mal sagen würdest?

Schu (schreit): Losst Mi Nei!

Danke für dieses Gespräch!

Das Interview führte Philipp Gässlein

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LAUT.DE-PORTRÄT Blumentopf

Blumentopf aus München sind seit 1992 Kung Schu, Holunder, Specht und Master P, die ungeniert und direkt über heikle Themen rappen und dabei von DJ …

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