30. November 2009
"Ich will was mit Tokio Hotel machen"
Interview geführt von Dani FrommBlumio spricht zwar nicht über Haie, wohl aber über Einfallslosigkeit im Hip Hop, Helge Schneider und das Streben nach Einzigartigkeit, Casting-Shows, Lieblingsrapper und den Auftrag, die Welt zu verbessern.Eigens für seine Tour stellte Blumio die Yellow Man Group zusammen: Eine "richtige Live-Band", wie er betont. Die tingeln im Dezember erstmals über Land, um des Rappers "Yellow Album" den Fans live und direkt zu kredenzen. Reinhören lohnt sich, schließlich ließen hemmungslos zelebrierte Fröhlichkeit und Farbenfreude die Sonne aufgehen, über Rapdunkeldeutschland.
Und ein Telefonat beweist: Mit Blumio kann man keineswegs nur über Haie reden - auch wenn er sich zunächst ein wenig mitgenommen anhört.
Bist Du wach? Du klingst so verknautscht.
Nee, nee. Ich bin hier im Studio. War kurz noch vorm Internet.
Hui, schon voll am Arbeiten.
Genau. Aber wir haben Zeit.
Auf Deiner MySpace-Seite schreibst Du: "Weil der Klügere nachgibt, regieren die Dummen die Welt." Du ziehst Parallelen zur Rapszene. Inwiefern taugt dieser Vergleich für Dich?
Ich finde, man kann sich viel beschweren. Blabla, die Rapszene ist ja so langweilig geworden, und alles ist so monoton - egal, welcher Stil jetzt. Ich will da jetzt gar nicht immer auf Gangsterrap draufkloppen. Weißte, wenn du dann nichts dagegen machst und selbst keine richtige Musik dazu beiträgst, dass es voran geht, dann kannste auch weiter meckern. Die Dummen, die dann die große Klappe haben und sich immer nur in den Vordergrund schieben, die kriegen dann die meiste Aufmerksamkeit. Man kann sich dem einfach nicht entziehen. Man muss da mitspielen, damit man überhaupt gehört wird. Man muss halt auf seine Weise einen großen Lautsprecher haben.
Teilst Du den Eindruck, dass es immer langweiliger geworden ist - oder gilt das nur für die Außendarstellung?
Für mich ist es eher so, dass der Fokus mittlerweile auf der Musik liegt. Das ist eher das Problem für mich. Langweilig ist es ja nicht. (Lacht) Wenn ständig Nachrichten kursieren, 'der disst den', 'für den ist der scheiße', und 'der hat den geschlagen' und so - das hat einen gewissen Unterhaltungswert. Das ist ja praktisch RTL II für Hip Hop-Medien, sozusagen. Ich bin auch ganz froh, dass ich in diesen ganzen gängigen Hip Hop-Medien gar nicht so präsent bin. Das bedeutet eigentlich, dass ich recht gute Arbeit mache, weil da sowieso fast nur irgendwas von 'der schlägt den', 'der hat den erschossen' oder solche Nachrichten erscheinen.
Ist ja klar, dass sich dann jeder zweite Depp denkt: "Ja, wenn ich jetzt meine Klappe aufreiße und das und das sage, gegen den und den, dann komm ich da in die Medien." Was mich gestört hat, ist, dass die Musik einfach zu kurz gekommen ist. Keiner redet mehr über Musik. Irgendwie ist das auch nicht mehr so wichtig. Hatte ich das Gefühl. Jeder macht irgendwelche Beats, rappt irgendwas da drauf und nennt das sein Album. Für mich war das einfach nichts mehr.
Viele Deiner Kollegen sagen, sie interessieren sich gar nicht dafür, was so abgeht. Du scheinst das dagegen schon zu verfolgen.
Ich weiß nicht. Ich kuck' schon regelmäßig auf hiphop.de und so, was die Leute so machen. Sowas krieg' ich immer mit. Diese komischen Gerüchte, denen kann man sich ja gar nicht entziehen oder sich davor schützen. Sowas kriegt man ja automatisch mit. Nur musikalisch verfolge ich das jetzt nicht so. Ich hör' die Singles, und dann denk' ich mir schon, was auf dem Album drauf ist.
In vielen Fällen hat man damit ja auch genug gehört, leider. Mich beschleicht aber in letzter Zeit der Eindruck, dass nach langen, düsteren Jahren endlich wieder Spaß erlaubt ist. K.I.Z. rocken, Kaas hat 'n lustiges Album gemacht, Deins war sehr, sehr witzig. Hat Spaß für Dich einen großen Stellenwert?
Ich lach' halt gerne. Ich bin ein lustiger Mensch, kann ich von mir sagen. Humor ist ein großer Bestandteil meines Lebens. Ich würd' jetzt nicht sagen, dass mein Rap nur aus Spaß besteht. Ich kenn' auch keine Person, die nur lustig ist. Die meisten Leute, die total extrem lustig sind, haben dann auch eine dunkle Seite. Das hab' ich auch schon mitbekommen. Ich finde, trotz aller Lustigkeit sollte man die Ernsthaftigkeit nicht verlieren. Man sollte das Leben trotzdem realistisch widerspiegeln.
Ich hab' jetzt keine Lust, ein Album zu machen, das komplett nur auf lustig basiert. Das ist jetzt vielleicht auch 'ne kleine Gegenreaktion von mir gewesen, weil sich keiner getraut hat. Jeder stellt sich dar als den Übermenschen, der so hart ist, nie lacht, immer böse kuckt und auf die Straße geht und jeden zusammenhaut. Vielleicht wollte ich da so ein bisschen den Gegenpol bilden. Aber: Ein bisschen Spaß muss sein, ne?
Ganz recht. In einem Interview hast Du trotzdem mal gesagt, Du schreibst die besten Texte, wenn Du irgendwie unzufrieden bist. Ist das immer noch so?
Das sind halt extreme Lebessituationen. Wenn du total zufrieden, eigentlich ganz glücklich bist, mit allem, dann ... Ich weiß nicht. Das macht sich dann auch in den Texten bemerkbar. Dann werden die lasch. Vielleicht gibst du dann auch nicht mehr so Gas, vielleicht gibst du dich auch leichter damit zufrieden, was du geschrieben hast. Wenn du dann aber total unzufrieden bist, heißt das aber nicht, dass da auch unbedingt negative Texte dabei rauskommen müssen. Aus dieser Unzufriedenheit kann auch etwas total Positives entstehen. Aaaah, ich muss jetzt meine Gedanken woanders hinlenken, und so. Von daher würde ich das immer noch unterschreiben, ja.
Das heißt: Qual gehört zur Kunst?
Definitiv.
Dein "Yellow Album" hat viel positive Resonanz erfahren, obwohl es Vielem, was ... ich sag' jetzt mal ... gemeinhin als Hip Hop-typisch gilt, widerspricht. Hast Du damit gerechnet?
Nee. Ich wäre auf jeden Fall ein Lügner, wenn ich jetzt behaupten würde, ich hätte von Anfang an gewusst, dass das so gut ankommt. Ich hatte vorher auf jeden Fall ein bisschen Bammel, so: Oooha. Wie kommt das an? Wie wird das aufgenommen? Zum Beispiel bei Songs wie "Anti-Gewalt-Song" dachte ich, dass da 'ne viel stärkere Front von irgendwoher kommt. Dass ist pussy, das ist schwul, oder was-weiß-ich-was. Aber scheinbar haben die Leute - das hab' ich auch schon mal erlebt - doch mehr Humor, als man denkt. Nur verhalten sich die Leute anders oder tun so, als hätten sies nicht. Aber eigentlich sind wir uns doch alle ähnlicher, als wir alle denken.
Ich glaube ja, dass es gerade für diejenigen, die glauben, immer das verkniffene Gesicht machen zu müssen, weil sie denken, das sei cool, eine Befreiung ist. Endlich mal was anderes, endlich mal lustig.
Ja, endlich vor allem auch Mensch sein! Ich finde das alles auch nicht so menschlich, was die für ein Bild von sich darstellen müssen. Ich finde das total anstrengend, in Interviews immer so den überharten, unantastbaren Typen zu geben. Das musst du dann ja auch teilweise auf der Straße verteidigen, dieses Bild, weil die Leute dich ja auch testen wollen. In deren Haut möchte ich nicht stecken.
Das artet richtig in Stress aus. Die Produktionen auf Deinem Album stammen sämtlich von Don Tone und lassen ein merkliches Faible für Soul und Funk durchklingen. Du teilst diese Vorliebe?
Ja, definitiv. Es läuft bei und nicht so, dass ich zu ihm gehe, er spielt mir zehn Beats vor, und ich such' mir einen aus, sondern wir fangen von Null auf zusammen an. Das bedeutet, wir setzen uns auch beatmäßig keine kreativen Grenzen. Auch musikalisch nicht. Das ist so, wie wenn zwei Jungs sich auf dem Spielplatz treffen und sich dann erst überlegen: "Was machen wir denn heute?" Es ist frei, weißte? Es macht einfach Spaß, wenn dann auch jemand da sitzt, der genau so frei denkt wie ich ... Man kann so viel machen. Diese Funk/Soul-Geschichten sind eine Sache. Das ist halt der Groove. Das ist Hip Hop, da muss der Groove immer dabei sein. Andere musikalische Einflüsse sind für mich auf jeden Fall auch sehr interessant. Aber Funk und Soul ... das ist auf jeden Fall meine Leidenschaft, ja.
Wurdest Du damit ... frühkindlich sozialisiert?
Überhaupt nicht. Meine Eltern haben immer irgendwelche japanischen Popsongs und Volksmusik und solche Sachen gehört, auf Kassetten im Auto. Sowas hab' ich in meiner Kindheit mitbekommen. Und natürlich die gängigen Charts-Sachen. Es ist jetzt nicht so, das ich damit so früh in Verbindung gekommen wäre. Das kam irgendwann später. Und dann hats mich auch gepackt.
Nicht die schlechteste Leidenschaft, die man haben kann. Ich kam ja eher aus der anderen Richtung. Habe mit Soul und Funk angefangen und bin darüber Hip Hop-süchtig geworden.
Ja, Hip Hop ist ja aber auch geil!
Ja, Hip Hop ist großartig. Aber was die Leute zuweilen für Hip Hop halten, das ist manchmal schon zum Verzweifeln.
Ja, aber ich sag' immer: Für mich ist Rap so geil. Du kannst in sechzehn Takte so viel reinpacken. Und die Leute bedienen sich so eines kleinen Vokabulars ... Das ist so, als würde ich immer mit Kartoffeln, Fleisch, Salz und Bohnen kochen. Immer ein bisschen anders, aber irgendwie schmeckt alles gleich. Aber du kannst Auberginen nehmen und Artischocken und Fisch ... all das kannst du nehmen. Nur weil Leute von vorneherein sagen: "Okay, das ist Rap, dann muss ich das jetzt fortsetzen" ... Ich denke: Rap ist noch viel mehr. Das ist so eine junge Musikform, da kann man noch viel mehr rausholen.
Aber gerade die Leute, die sich nur oberflächlich mit Rap beschäftigen, kennen halt nur die Kartoffeln und das Fleisch, und eben nicht den Fisch. Ach, man muss missionieren. Man muss einfach mehr gute Musik machen.
Genau. Das sag' ich ja.
Juckt Dich die Zusammenarbeit mit anderen Produzenten auch?
(Pause) Schwer, schwer, schwer. Mit meinem Freundeskreis verhält es sich so: Ich hab' seit Jahren die gleichen Freunde. Was das anbelangt, bin ich echt so'n bisschen Nazi, weißte? (Lacht) Ich weiß halt: Mit Rusbeh, Don Tone, da funktioniert es gut. Ihm vertrau' ich hundertprozentig, bei ihm hab' ich das ganze Paket. Ich hab' einmal das Musikalische: Er hat doppelt so viel Musik gehört und erlebt wie ich. Auf seine Meinung setze ich sehr viel. Er hat als Gitarrist und Bandleader mit Fresh Familee angefangen, ist dann zum Produzenten geworden und hat sich das alles hier aufgebaut. Er ist ja erst mit 19 aus dem Iran nach Deutschland gekommen und hat alles schon gesehen.
Dann hab' ich die Freiheit, diese Kreativität: Er steht halt auch auf total verrückte Sachen, auf neuartige Sachen, die findet er superinteressant. Und dann natürlich der fette Sound, der auch sehr wichtig für mich ist. Dass es erst mal richtig angemischt ist, und dann diese ganzen Kompressoren und Zeug, alles, was er da dazusetzt ... Bei ihm hab' ich eben das Gesamtpaket. Ich hatte letztens ein Interview zusammen mit K.I.Z., auf jeden Fall: Für DJ Crafts Album hab' ich was gemacht, das hat er ja dann auch produziert. Jaaaa, ich sag' jetzt nicht nein. Aber für meine eigenen Sachen bin ich vorerst schon sehr fokussiert auf die Arbeit von Don Tone, weil das ist so wie eine Band, weißte?
Du bist also eine treue Seele.
'Ne treue Seele, ja schon, das auch. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass das jetzt nur Vetternwirtschaft ist, bei uns. Es ist so, dass ich seine Musik einfach am geilsten finde. Ich möchte jetzt nicht anderen Produzenten gegenüber respektlos reden, aber es ist einfach mein Geschmack, dass ich ihn am geilsten finde. Andererseits natürlich, wenn jetzt Timbaland kommen würde (lacht) oder Dr. Dre, dann sag' ich auch nicht nein.
Gibts - außer Udo Jürgens - einen Künstler, mit dem du gerne mal zusammen einen Track aufnehmen würdest?
Da gibt es sicherlich einige. Ich finde solche Crossover-Geschichten schon interessanter, als mit anderen Rappern was zu machen.
Warum?
Mit anderen Rappern, das ist so ... begrenzt. Mit anderen Rappern hab' ich ein anderes Projekt vor. Darüber möchte ich aber noch nichts verraten, das liegt noch in ferner Zukunft. Aber diese typischen Feature-Geschichten, die reizen mich nicht so sehr. Das hat es schon tausendfach, millionenfach gegeben. Die meisten Features sind leider so, dass man die Strophe von dem Song vom einen mit der Strophe von dem Song vom anderen auf einen Song packen könnte. Dazu noch 'ne Hook, fertig ist das Feature. Wenn Feature, muss das für mich etwas sein, was nur die beiden erschaffen können. Dann eher schon andere Sänger, Gitarristen ... sowas.
Hast Du konkrete Namen im Kopf?
Nein, ich bin da offen. Klar gibt es Spielereien im Kopf. Xavier Naidoo. Den find' ich großartig. Ich finde jeden Song von ihm geil, ich krieg' einfach jedes Mal 'ne Gänsehaut, wenn ich den Mann höre.
Wobei es Rapper im Verbund mit so 'nem Soulsänger ja auch schon reichlich gab.
Klar, klar! Natürlich. Aber wenn ich dann was mit dem mache, dann wird das was Besonderes. Ich würd' auch gerne mit Bill von Tokio Hotel was machen. Warum nicht? Er wirds wahrscheinlich nicht machen - oder sein Management. (Lacht) Aber man soll ja nie nie sagen. Ich fänds einfach interessant. Oder, hier, Beatsteaks find' ich auch geil, find' ich sehr cool. Solche Sachen.
"Ich möchte so exzentrisch wie möglich sein"
Vorbild: Helge Schneider?Mir gefällt die Freiheit, die er ausstrahlt. Er kennt ja auch keine Grenzen in seiner Kunst. Alle dachten ja, Jazz müsse immer ernst sein und (singt) bididi-badidi-buuuuu, und er hat einfach sein komplett eigenes Ding draus gemacht und genießt jetzt die Freiheit, die er sich über die Jahre herausgenommen hat und den Status, den er jetzt hat. Er ist immer er selbst geblieben. Und ich finde ihn natürlich auch einfach extrem lustig. Der fährt natürlich diese reine Spaßschiene. Das würd' ich nicht nur machen.
Oh, das würde ich aber nicht sagen. Ich halte ihn für einen exzellenten Jazzmusiker.
Natürlich, was die Musik betrifft. Das Musikalische würde ich gar nicht ansprechen wollen. Ich meinte jetzt, von den Texten her. Da ist er schon sehr auf Spaß fokussiert. Aber ich finde ihn schon sehr groß. Sehr groß, ja. Und sehr eigen auch. Ich mag einfach dieses Exzentrische. Ich möchte auch immer so exzentrisch wie möglich sein. Das ist mein Streben schon immer gewesen. Dieses Einzigartig-Sein. Wenn jetzt alle auf einmal das machen würden, was ich mache, würde ich was komplett anderes machen.
Dann müsstest Du aber das finstere Gesicht ziehen.
(Lacht) Ja, genau. So in der Art.
Ach, du scheiße. Dann hoffen wir doch, dass das die anderen noch 'ne Weile lang übernehmen. Gegenüber rap.de hast Du mal gesagt, andere Rapper haben Dich eher weniger inspiriert. Angesichts von "Meine Lieblingsrapper" möchte ich das gar nicht glauben.
Was heißt "inspiriert"? Künstlerisch eigentlich überhaupt nicht. Flowtechnik und solche Sachen hab' ich mir schon in meiner frühesten Jugend abgeschaut. Doppelreime, wie man das macht. Flow, wie es cool klingt. Solche Sachen sind für jeden Rapper interessant. Da gab es natürlich auch in Deutschland Vorreiter. So Leute wie Samy, Savas ... die haben einen damals schon sehr geprägt, und die waren auf dieser technischen Ebene definitiv wegweisend. Nur meine Kunst an sich inspirieren andere Rapper weniger. Da möchte ich schon, wie gesagt, einzigartig sein.
Will meinen, Du brauchst überhaupt keine Inspiration? Oder beziehst Du sie aus Ecken, in denen man nicht damit rechnet?
Meine Inspiration liefern ganz komische Sachen. Irgendwelche Dokumentationen können mich inspirieren. Heute zum Beispiel hab' ich eine Dokumentation auf arte gesehen, da hab' ich direkt eine Songidee dazu gehabt. Von jemandem einfach so dahergesagtes Blablabla-blabla oder irgendwelche komischen Alltagssituationen - alles kann mich inspirieren. Diese Rap-typischen Sachen inspirieren mich nicht. Ich mag auch diese ganzen Sachen nicht, diese typischen Representer, ey yo, ich bin der Beste und so. Vielleicht zwei Songs von zwanzig auf dem ganzen Album, die sind so. Aber manche füllen damit ihre ganzen Alben.
Da gibts diese Hip Hop-Nazis, die sagen: "So muss Rap klingen." Die meisten sind dann so eingeschüchtert, dass sie sich dem dummerweise auch noch unterordnen und sagen: "Okay, stimmt. So muss ja Rap klingen." Aber Rap muss so klingen, wie es klingt. Es ist frei. Jeder kann so klingen, wie er möchte. Das will ich der Welt auch mitteilen. Rap ist noch lange nicht am Ende. Da gibt es noch so viele Sachen, die man machen kann. Technisch, klar auch. Aber vor allem inhaltlich. Ich könnte auch Märchen erzählen, ich könnte alles mit Rap machen. Man muss nicht immer diese Standardsachen machen. Für mein nächstes Album will ich da definitiv noch eine Schippe draufsetzen.
Wann kommt das?
Auf jeden Fall nächstes Jahr. Ich freu' mich drauf.
Von der Zukunftsmusik mal ganz zurück zu Deinen Anfängen: Du hast Deinen ersten Plattenvertrag tatsächlich bei einem MC-Talent-Wettbewerb gewonnen?
Genau, das stimmt. Den Plattenvertrag auch. Don Tone hat damals mit Plattenpapzt zusammengearbeitet bei seinem ... ich weiß nicht genau, war es sein zweites oder drittes Album? Auf jeden Fall das, das nach "Full House" kam. ["Dreamteam" wohl. Das war das zweite, d. Red.] Die haben sich dann überlegt, dass sie so einen Rapper-Contest machen und haben einen Beat mit aufs Album gepackt, damit die Leute dann da draufrappen und das dann einschicken. Ich war der einzige, der da 'ne dreckige, kleine, alte Kassette hingeschickt hat, aufgenommen mit nem Kassettenrekorder. Alle anderen waren da schon auf CD und MD und so. Ich hab' da 'ne Kassette eingeschickt - und hab' tatsächlich trotzdem gewonnen.
Seitdem bin ich schon mit Rusbeh unterwegs. Da kam ich mit 17 hin, noch mit 'ner Zahnspange, voll eingeschüchtert, voll die komische Bommelmütze hatte ich da noch auf. Ich hatte da auch noch sehr lange Haare, muss ich zu meiner Schande gestehen. Der Iro kam irgendwann später dazu. Ja, das war schon eine witzige Erfahrung. Da hab' ich natürlich hier die ganzen Leute schon kennen gelernt. Von den Fantas bis Savas, wer auch immer hier gerade so die Runde gemacht hat. Die kennen mich alle noch von früher. Die wussten schon damals, dass ich ein sehr talentierter Junge bin. Das haben die mir damals schon gesagt, da hab' ich mich natürlich sehr gefreut.
Ja, Klappern gehört zum Handwerk, ich weiß. Doch im Grunde ist ein Talent-Wettbewerb ja nichts anderes als 'ne Casting-Show. Das heißt: Du bist ein Casting-Sternchen.
Pffff, ja. Wenn du das so darstellen willst. (Lacht) Aber die Jury war halt cooler als Detlef D! Soost und so.
Nicht sehr schwer. Verfolgst Du diesen Casting-Zirkus, der überall Blüten treibt?
"Popstars" nicht. Ich finde, "Popstars" ist der letzte Schrott. Dadurch, dass das 'ne Band ist und die haben von Anfang an eine feste Vorstellung - das ist ja komplett unfrei. "Superstars" ist ja noch ein bisschen freier. Wenn du da ein bisschen schräg bist, kommst du auch noch ein Stückchen weiter. Dadurch ist das schon ein bisschen unterhaltsamer. Da gibts eine Schlagersängerin, und dann noch so eine und so eine ... das find' ich dann schon interessanter. Ich kuck' das ab und an, ich finds auch ganz lustig. Aber im Grunde ist das 'ne ganz große Schande, dass diese Leute da für diese Geldmaschinerie so ausgebeutet werden. Aber sie kriegen ihre fünfzehn Minuten, und wenn sie so dumm sind, da mitzumachen, dann kann ich da auch nix machen. Dann sind sie selber schuld.
Kein Mitleid?
Andererseits spielen sie da schon ein bisschen mit den Träumen der Leute. Wie die Werbung schon ist: "Mach' deinen Traum wahr! Komm zum Casting!" und so, aber ... naja. Ich glaube, es gibt schlimmere Schweine in Deutschland.
Wobei mich die Blauäugigkeit der Kandidaten teilweise schon erstaunt. Es ist ja nicht die erste Staffel von diesem Zeug, die da läuft. Man weiß ja, was da passiert.
Ja, aber wenn du 18 bist oder 40 bist und immer noch nichts erreicht hast, dann gehste da halt hin. Glaub' ich. Aber so großartige Sänger gab es da noch nie. Die Besten der Besten gehen da eben doch nicht hin.
"Die meisten haben mehr Humor, als man denkt"
Wir müssen natürlich trotzdem über die "Lieblingsrapper" reden. Schließlich war der Track Dein erster richtiger Aufmerksamkeits-Generator. Kann man das so sagen?Auf jeden Fall. Aber auch sehr Hip Hop-affin.
Absolut. Wie bist Du draufgekommen, dass Du offensichtlich Talent zum Imitator hast?
Da hat mich auch wieder Rusbeh draufgebracht. Ich hab' immer beim Aufnehmen von Songs in der Kabine rumgeflachst. Hab' immer, ey, yo, yo, D-Flame, glaub' ich, gemacht. Und Jan Delay. Das waren gerade mal zwei Rapper. Und er meinte: "Mach' doch mal einen ganzen Song daraus. Du kannst bestimmt noch viel mehr." Ich so: "Ey, Rusbeh. Ich hab' grad mal D-Flame nachgemacht und Jan Delay" - und die sind nicht mal besonders schwer.
Die zwei mit den unikaten Stimmen.
Genau, genau, genau. "Wie, ich soll 'n Song daraus machen?" Und er meinte: "Probier' einfach mal aus." Dann hab' ich halt zu Hause 'n bisschen rumgeflachst, und je mehr ich rumgeflachst hab', um so mehr Stimmen kamen aus mir raus. Teilweise lag ich unter der Dusche und hab' mich über mich selber kaputtgelacht, weil ich das so lustig fand, dass ich diese ganzen Stimmen nachmachen konnte. Irgendwann hab' ich acht Rapper gehabt. Das Schreiben ist mir dann eher weniger schwer gefallen.
Hast Du keinen Schiss gehabt, dass dir die Porträtierten das übel nehmen könnten?
Samy fands cool. Curse hab' ich letztens getroffen. Der ist mir mit einem Lächeln entgegen gekommen. Die meisten sind da sehr, sehr positiv gewesen. Auch Azad, Eko auch. Massiv weiß ich jetzt nicht, ich hab' mit ihm noch nicht gesprochen, Ju von Massive Töne auch noch nicht. Ich weiß nicht, aber ich glaub', die meisten haben da schon mehr Humor, als man generell denkt.
Die Gefahr, auf dieser Nummer hängen zu bleiben und darauf reduziert zu werden, bestand ja auch.
Die bestand definitiv. Ich dachte, das Ding kommt jetzt noch zwei, drei Jahre auf mich zu. Aber ich hab' die Leute, muss ich zugeben, ja auch bombardiert mit neuen Videos von mir. Dadurch, dass "Hey, Mr. Nazi", "Anti-Gewalt-Song", "Rosenkrieg" und solche Sachen so gut ankamen ... Früher auf der Straße hieß es immer: "Heeeey, mach' ma Massiv!" Und heutzutage heißt es: "Hey, Mr. Nazi!" Zu meinem großen Erstaunen hat sich das wirklich von Grund auf gewandelt, innerhalb weniger Monate.
Gerade die beiden erwähnten Videos, "Anti-Gewalt-Song" und "Hey, Mr. Nazi", haben eine extrem gegensätzliche Ästhetik. Einmal quietschebunt, einmal relativ reduziert und schwarz-weiß. Machst Du die Clips selbst?
Mein Label, Japsensoul, das sind ich und Rusbeh. Wir sind eine Zwei-Mann-Armee. Das ist, was mir die Genugtuung aus dem Gesicht strahlen lässt: Wir machen alles selber. Wir haben diese Videos von Grund auf selber gemacht, teilweise mit null Euro Budget. Das Budget war einfach knapp, infolge gewisser Umstände aus der Vergangenheit und Business-Leuten, die uns hintergangen haben - aber das ist eine viel längere Geschichte, das würde jetzt den Rahmen sprengen. Vor dem Album standen wir da mit Nichts. (Lacht) Ihr könnt auch ruhig 'ne Bravo-Story draus machen, das ist die Wahrheit: Wir standen original da mit Nichts.
Wir hatten null Budget, wir hatten nur die Möglichkeit, gute Musik aufzunehmen und zu produzieren, und Freunde, Musiker, die wir natürlich kannten. Aber budgetmäßig, Geld für Videos, für die CD-Pressung ... das haben wir uns alles wirklich zusammengekratzt. "Anti-Gewalt-Song": Wir kannten nicht Final Cut oder solche Programme, wir wussten gar nichts. Licht setzen oder so, in diesem Bereich haben wir uns alles erst jetzt selber angeeignet. Mit Green Screen, da haben wir uns jetzt im Studio erst grünen Stoff gekauft, den hinter uns gehangen und alle möglichen Sachen ausprobiert - was man ja auch sieht. Im "Anti-Gewalt-Song", das sieht ja teilweise so geil aus (lacht). Aber wir haben eben alles von Grund auf gemacht. Letztes Wochenende haben wir nochmal für drei Songs Videos gedreht, und: Wir werden immer besser, kann ich nur dazu sagen.
Wann gibts die?
Ah, Rusbeh kommt auch gerade rein. (Fragt in den Hintergrund) Wann kommen die Videos? (Aus dem Off: "Bald!") Bald.
Ah. Bald.
Irgendwann nächsten Monat. (Gemurmel aus dem Off) 9. Oktober sollte das vorläufige Datum sein. [Inzwischen gibts farbenprächtige Clips zu "H.D.G.D.L." und "Lass Mal Über Haie Reden", d. Red.] Da kommt dann demnächst auch die Single raus, das passt.
Etliche Deiner Tracks besitzen eine durchaus politische Botschaft. Siehst Du Dich als politischer Typ?
Ich bin ... (überlegt) Ich bin jetzt nicht der Überfachmann. Ich bin auch viel zu ungebildet für irgendwelche Diskussionen beim ZDF oder so, wenn die Leute mich einladen wollen. Ich kann nur so ideologische Sachen sagen. Menschlichkeit und sowas. Aber dieses Über-Fachwissen hab' ich jetzt nicht. Deswegen würd' ich mich nicht als über-politischen Menschen darstellen, sondern eher als Menschenfreund. Ich möchte der Menschheit helfen. Ihr zeigen, wie man die Welt verbessern kann.
Glaubst Du, Künstler haben den Auftrag, die Welt zu verbessern?
Nee, überhaupt nicht. Jeder für sich hat einen Auftrag, ob Künstler oder Nicht-Künstler. Auch der Müllmann hat einen Auftrag. Auch du hast einen Auftrag. Jeder sollte versuchen, die Welt besser zu machen. Aber jeder ist frei.
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