laut.de-Kritik
Halb Plüschdecke, halb beißender Essig.
Review von Sven KabelitzBücher über sich selbst zu schreiben, das ist so ein Ding für sich. Waren Autobiografien früher etwas für Menschen, die kurz vor ihrem letzten Atemzug noch einmal ihr Erlebtes und ihre Gedanken weiter geben wollten, ist daraus heute ein unflätiger Markt geworden.
Jeder, der kurz mit dem Rampenlicht in Berührung kam, meint, ein Buch unter die Menschheit werfen zu müssen. Sei es der Graf von Unheilig, die Hupfdohle an der Seite unseres Altpräsidenten oder ein x-beliebiger Zweitligakicker. Bob Mould hat immerhin zarte 51 Lenze gewartet, bis er "See A Little Light: The Trail Of Rage And Melody" veröffentlichte. Ein Alter, in dem manch eine Frohnatur traurigerweise schon nicht mehr unter uns weilt. Mach es gut, Dirk Bach.
Bob Mould scheint sich beim Abarbeiten seiner Lebensgeschichte sowie der Überarbeitung der gerade neu veröffentlichten Sugar-Alben an alte Stärken erinnert zu haben. Zwar handelte es sich bei "District Line" und "Life And Times" keineswegs um schlechte Platten, doch durch "Silver Age" weht ein mittlerweile fast ungewohnt frischer Wind. Ein Extrakt aus dem Pop der Sugar-Ära, verbunden mit der Direktheit früher Hüsker Dü-Aufnahmen.
Gleich mit "Star Machine" beweisen Mould und seine Mitstreiter Jon Wurster von Superchunk und Jason Narducy von Verbow, dass sie genug Sugar im Blut haben um nicht zum Süßungsmittel zu verkommen. Der Refrain setzt mit Kraft und Fokus ein, die den letzten Longplayern abgingen. Pikiert schnappt sich der Altmeister seinen scharfkantigen Sound von unzähligen Epigonen zurück, setzt sich grantelnd drauf und reklamiert diesen für sich selbst. "Meins!"
"Never too old to contain my rage", knarzt Mould seinen Nachfolgern im Titeltrack entgegen. Nach wie vor hebt sich seine Stimme, halb Plüschdecke, halb beißender Essig, von den zerrenden Gitarren ab, die melodisch durch "Siver Age" treiben. "You can't get this feeling anywhere, but here / Right here, right now", erkennt er folgerichtig in "The Descent".
Das massive Schlagzeug von "Fugue Sate" wehrt sich tapfer gegen die Gitarrenarbeit voller Hochdruck. Ebenso tapfer schreit Mould in den selbst herauf beschworenen Orkan.
Voller Nachdruck und mit ordentlich Rabatz begegnet der Sänger in "Briefest Moment" nochmals seiner Vergangenheit. "I was a small-town kid with no possessions / And I was bored beyond belief." Erst "Steam Of Hercules" verzögert das Tempo leicht, doch kaum merklich.
"Silver Age" findet mit seinem eingängigen, direkten und forschen Klang keinen Platz für Ruhe. Mit dem Kopf durch die Wand und das Gesicht in einen Ventilator gesteckt. Bob Mould hat wieder den Copper Blues.
4 Kommentare
Endlich mal 'ne Rezension, bei der man sich nicht die Finger verbrennt.
toll...bin gespannt...für mich ist bleibt bislang noch immer "Black Sheets Of Rain" das maß aller mould dinge
Das sehe (höre) ich genauso. "Black Sheets Of Rain" ist Bobs Meisterwerk.
Allerdings sind die Sugar Sachen auch nicht schlecht. Und die neue Scheibe klingt wie Sugar. Also mir gefällts...