laut.de-Kritik

Gegen den "J.Lo-Junk".

Review von

"Eine Blondine, eine Brünette und eine Rothaarige. Alle besuchen die dritte Klasse. Welche hat die größten Brüste? Die Blondine, denn sie ist achtzehn", erzählt Jon Bon Jovi in einem herausgeschnittenen Abschnitt des Konzerts. "Ich fühle mich wie ein Crooner heute Abend", gibt er zu, lässt sich scherzhaft Frank nennen und redet über Las Vegas. Da die Spielstadt in Nevada zur Zeit fest in den Händen Celine Dions und Elton Johns liegt, muss sich der kurze Sänger mit zwei Auftritten am 14. und 15. November 2003 im Borgata Hotel Casino & Spa in Atlantic City zufrieden geben. Das Publikum sitzt an Tischen, das Ambiente wirkt dezent, Lichterketten sorgen für feierliche Weihnachtsstimmung. Den Höhepunkt der Gediegenheit liefert aber die Tracklist, auf der alte Bon Jovi-Songs in neuem akustischen Gewand stehen.

Los geht es mit "Love For Sale", das sich zwar stark am Original anlehnt, aber auch Elvis-Spuren in sich trägt. "You Give Love A Bad Name" kündigt die Umstellung des Kanons an: Aus dem Gröhllied mit krachenden Gitarren ist eine verspielte Bluesnummer geworden. Bezeichnend ist, dass sich die Ballade "Wanted Dead Or Alive" mit einem monotonen Bass als vergleichsweise härtestes Stück entpuppt. Ansonsten bewegt sich die Veranstaltung in eher pop-folkigen Gefilden. Fast könnte man meinen, einer gut eingespielten Coverband zuzuschauen.

Zu den Stücken der gleichnamigen CD, die alle vertreten sind, kommen noch einige hinzu, darunter "Sometime I'll Be Saturday Night", "Blood On Blood", "Joey" und "Misunderstood". Neben dem Doctor Hook & The Medicine-Cover "Sylvia's Mother" bietet die Band auch noch zwei bislang unveröffentlichte eigene Lieder. "Last Man Standing" ist eine Hommage an die Figur des live auftretenden Singer/Songwriters, den Bon Jovi aussterben sieht. "Es bricht dein Herz, ihn singen zu hören, seine Lieder waren mehr als Musik, sie waren Abbildungen der Seele ... behaltet euren Pseudo-Punk, Hip Hop, Pop-Rock-Müll und eure digitalen Downloads", lautet der Textauszug im Booklet. "J.Lo-Junk" heißt es dann explizit im Konzert. "Thief Of Hearts" ist dagegen die übliche romantische Klischeenummer à la "Bed Of Roses" ohne dessen Ohrwurm-Qualitäten.

Eine lebendige Kameraführung sorgt bei den Auftritten für Abwechslung und hält den Aufmerksamkeitspegel konstant. Den optimal abgemischten Sound liefern neben der Band in Kernbesetzung (Gitarrist Richie Sambora, Schlagzeuger Tico Torres und Keyboarder David Bryan) zusätzlich ein Bassist, ein Perkussionist, ein Gitarrist und ein Klavierspieler. Nichts scheint dem Zufall überlassen, dennoch wirken die Musiker locker. Echte Profis eben.

Das Angebot rundet eine ganze Reihe an zusätzlichen Features ab. Auf der ersten DVD befinden sich neben dem Konzert ein wenig ereignisreiches halbstündiges Making Of sowie heraus geschnittene Comedy-Einlagen. Die zweite enthält dagegen ein recht lustiges Pokerspiel mit der Band, bei dem Ausschnitte eines Auftritts in London 2003 zu gewinnen sind, eine ausführliche Q&A-Session über das neue Material, eine Videojukebox mit Liveaufnahmen und Konzert-Sequenzen simultan aus neun Winkeln.

Bon Jovi beweisen mit dieser DVD erneut, eine fannahe Band zu sein. Nicht nur beim Kernprogramm, auch bei dem Schnickschnack haben sie sich Gedanken gemacht und sichtlich Mühe gegeben. Alles sitzt perfekt wie die blonden Haare des Anführers. Ob er diesen Witz von Komödiant Dennis Leary kennt? "Warum hat es gerade Stevie Ray Vaughan erwischt ... hätte es nicht Jon Bon Jovi sein können? Hey Jon, komm her, steig in den Hubschrauber! Ja, keine Bange, es ist ein Friseur an Bord ..."

Trackliste

  1. 1. Love For Sale
  2. 2. You Give Love A Bad Name
  3. 3. Wanted Dead Or Alive
  4. 4. Livin' On A Prayer
  5. 5. It's My Life
  6. 6. Misunderstood
  7. 7. Lay Your Hands On Me
  8. 8. Someday I'll Be Saturday Night
  9. 9. Last Man Standing
  10. 10. Sylvia's Mother
  11. 11. Everyday
  12. 12. Bad Medicine
  13. 13. Bed Of Roses
  14. 14. Born To Be My Baby
  15. 15. Keep The Faith
  16. 16. Joey
  17. 17. Thief Of Hearts
  18. 18. Always
  19. 19. Blood On Blood
  20. 20. Everyday With Bon Jovi
  21. 21. Off The Record: Outtakes
  1. 1. Clip Poker
  2. 2. Q&A
  3. 3. Video Jukebox
  4. 4. Fotogallerie
  5. 5. Director's View

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