laut.de-Kritik

Erinnerungsfetzen ohne Zusammenhang.

Review von

"Leere Gläser Voller Geschichten" ist noch keine zehn Sekunden alt, schon schreckt Bosca mit einem missmutig vorgetragenen "Nur Gott kann uns richten" ab. Ein ehrfürchtiger Sound begleitet ihn, als erklimme er nun Berge. Der Freunde-von-Niemand-Rapper blickt auf kleinere ("Wir haben Euros aus den Taschen gezockt") und größere Delikte ("Wir warfen Flaschen auf die letzten Cops") zurück, um sich dann selbstmitleidig im Gefängnis wiederzufinden. Symptomatisch für das folgende Album hangelt er sich an Erinnerungsfetzen entlang, ohne eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen.

Das Altglas-Motiv wiederholt sich bereits in "Sesampaste". "Weil wir zu viele Probleme hatten, fliegen auf die Streifen wieder Jägerflaschen", erläutert Bosca mit fragwürdiger Logik. Selbst der bodenständige Khrome ergänzt: "Sobald die erste Flasche fliegt, fühl' ich mich wie im Paradies." Celo & Abdi liefern ihre Parts in "Teer" ebenfalls nur passabel ab, sorgen aber umgehend für einen Charme-Booster. Francey ("Wofür Ich Atme") und Helena Fin ("Bleib Bitte Wach") steuern mit ihren Refrains eine Prise Dienstleistungspop bei und Chayn mimt in "Tageslicht" ein preisgünstiges Substitut für Apache 207.

Doch Anbiederungen dieser Art stören deutlich weniger als Boscas eigene Gesangsversuche. So bemüht er sich, unfallfrei durch die Pop-Hook der sentimentalen Single "Sommerzeit" zu lavieren. Er schwelgt dabei in Erinnerungen, die er ganz im Widerspruch zu den anderen Stücken als "sorgenfrei" charakterisiert. Inbrünstig singt der Wiesbadener sein Klagelied "Zu Lange Am Boden". Und auch im Falle von "Wieder Ein Tag Verschwendet" legt er sich ins Zeug, um als eine Art Singer-Songwriter wahrgenommen zu werden, obwohl ihm die Rolle nur eingeschränkt steht.

"Wieder Ein Tag Verschwendet" ist ein weiteres Beispiel für sein vages Storytelling. "Betäubt schon vor zehn durch das deutsche System", bemängelt er konturlos das "System". Bosca klagt über düstere Träume und Schlaflosigkeit, aber was seine Seele nun genau plagt, bleibt unklar. Im Gegensatz zu besseren Rappern wie Haftbefehl oder Lance Butters vermittelt er auch keinen depressiven Eindruck. "Sommerzeit" nimmt von derlei Störungen sogar explizit Abstand: "Alle auf Beck's, keiner auf Antidepressiva." Es bleibt rätselhaft und erschwert die potenzielle Anteilnahme mit ihm.

"Das hier sind deutsche Straßenrapper und kein Bibelkreis. Und deshalb werf' ich auf die Streife mit einem Ziegelstein", frönt er auch in "Im Herzen Der Stadt" seinem Hobby, die Ordnungsmacht mit Wurfgeschossen zu malträtieren. Interessanter klingt aber der erste Teil, denn gerade Bosca rappt mit beinahe religiösem Eifer. In seiner Humorlosigkeit kommt stets ein gewisser Dogmatismus zum Tragen. Da wundert es wenig, wenn der "Ehrenmann" im störrischen "Müde" zugibt: "Ich habe geschrieben, als ob's Verse für die Bibel waren."

"Zu viel erlebt, dass ich die Augen nicht mehr schließ'", behauptet er in "Teer". Am Ende des Albums fehlt der Hörerschaft noch immer jegliche Vorstellung von der Biografie und den Beweggründen der Figur Bosca. Reflexion bietet "Leere Gläser Voller Geschichten" nur in minimaler Dosierung, etwa wenn er sich in "Im Herzen Der Stadt" eingesteht: "Das hier war kein Talent, sondern nur reiner Wille." Damit ließe sich weiterarbeiten, doch der Freund von Niemand reißt es umgehend wieder ein: "Bester Rapper und sie wissen, dass ich weiter kille." So bleibt mal wieder nur die leere Pose übrig.

Trackliste

  1. 1. Leere Gläser Voller Geschichten
  2. 2. Sesampaste (mit Khrome)
  3. 3. Wieder Ein Tag Verschwendet
  4. 4. Beltracchi
  5. 5. Sommerzeit
  6. 6. Wofür Ich Atme (mit Francey)
  7. 7. Zu Lange Am Boden
  8. 8. Mir Egal Wer Du Bist
  9. 9. Bleib Bitte Wach (mit Helena Fin)
  10. 10. Teer (mit Celo & Abdi)
  11. 11. Im Herzen Der Stadt
  12. 12. Müde
  13. 13. Rauf Zu Den Sternen
  14. 14. Tageslicht (mit Chayn)

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1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor 7 Monaten

    "Im Gegensatz zu besseren Rappern wie Haftbefehl oder Lance Butters vermittelt er auch keinen depressiven Eindruck. "Sommerzeit" nimmt von derlei Störungen sogar explizit Abstand: "Alle auf Beck's, keiner auf Antidepressiva." Es bleibt rätselhaft und erschwert die potenzielle Anteilnahme mit ihm."

    Küchenpsychologie bitte den echten Pseudologen überlassen. Schlussfolgerung natürlich maximal dämlich, also wirklich schmerzerregend dumm. Hab deswegen das Lesen abgebrochen und werde nicht herausfinden, ob es wieder einmal eine reine Reimereview ist oder ob irgendwo auch die Musik angesprochen wird.