laut.de-Kritik

Es gibt ein Leben abseits von Seeed.

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Angesichts der Umtriebigkeit des Dancehall-Caballero-Kollektivs möchte man es zwar kaum für möglich halten, aber doch: Es gibt ein Leben abseits von Seeed. Peter Fox hats bewiesen, Dellé hats bewiesen, und Demba Nabé schon längst - allerdings liegt das schon so lange zurück, dass man sich kaum noch erinnern kann.

Während Kollege Dellé ein astreines Reggae-Album zelebrierte und Peter Fox - wenn man so will - deutschem Hip Hop eine weitere Facette einschliff, fällt beim Dritten im Bunde eine Klassifizierung schwer. Als viel zu komplex erweist sich sein Klangkosmos, in dem sich mannigfaltige Einflüsse die Hände reichen.

Jeder Track für sich spannt ein ganz eigenes kleines Sounduniversum auf. In jedem einzelnen lohnt es sich, sich darin zu verlieren. Zwischen perlenden Klavierläufen und blechernen Claps gedeiht die "Fireflower" - mit treibendem Rhythmus eine exzellente, weil packende Wahl für eine Eröffungsnummer.

Mitgerissen findet man sich unmittelbar darauf mitten im farbenfrohen Gewusel von "Doku" wieder: Wuchtig rumpeln die Trommeln. Trotz der präsenten Synthieclaps dominiert der organische, natürlich gewachsene Eindruck. Hymnische Gesänge, Dancehall-Bässe und afrikanische Elemente stecken darin: Verschiedene Kontinente und Kulturen verschmelzen, verbinden sich zu einer ganz neuen Einheit.

In nahezu jeder Nummer exerziert Demba Nabé einen solchen Spagat. Wiederholungsgefahr besteht dennoch nicht. Dazu schöpft "Ear" einfach aus zu vielen Quellen. Breitwandig fährt "Destiny" auf. Zwischen schillernde Synthieflächen, Elektrogefiepe und heulende Sirenen schmiegt sich Dembas berückender, tiefer Gesang.

Seine stimmlichen Fähigkeiten beweisen allerdings wahre Chameleon-Talente. Temporeicher Sprechgesang ("Fireflower"), in bester Barry White-Manier geraunte Intros ("Cool"), lässiger Flow ("Roundclub") oder ein Falsett, das Prince alle Ehre gemacht hätte: Der Kerl hat einfach jede Ton- und Stimmungslage drauf.

Zudem beweist "Ear" auch noch beneidenswerte Kenntnis der Musikgeschichte - auf unzähligen angerissenen Gebieten. Wenn sich die Singleauskopplung 80er-Synthie-Pop- und Eurodance-Zitate krallt, sie einmal umkrempelt und anschließend quer durch die Disco ins Dancehall-Basement prügelt, dann passt einfach nur ein Titel: "Bang"!

Weich und wattig, nach Soul und doch auch ein bisschen nach "Puttin' On The Ritz" tönt "Cool". "On The Way" hält das Revue-Gefühl - jedoch nur kurz, ehe ein räudiger Bass um die Ecke bratzt. Eine Runde zappeln im "Roundclub", sich danach dem Softporno-Sound von "Love Loaded Gun" ergeben, ehe das wahre Groovemonster "Beezkeeperz" zurück auf die Tanzfläche schwärmen lässt: "Ear" macht all das nicht nur möglich, sondern geradezu zwingend nötig.

Einziges Manko dieser funkelnden, ständig in alle möglichen und unmöglichen Richtungen ausbrechenden Platte: Die variantenreiche Stimme bekommt mehrfach einfach nicht den Platz zugewiesen, den sie verdient hätte.

In "Doku" wirkt es, als müsse Demba einen für einen Chor ausgelegten Part ganz alleine bestreiten, während er in "On Your Way" oder "Roundclub" in den überbordenden anderen Sounds fast ein wenig untergeht. Zudem ist "Twilight" mit seinen über fünf Minuten vielleicht doch ein wenig zu langatmig geraten. Doch so lange sich ausgeklügelte Rhythmen ins Fleisch bohren und einen direkt am Skelett zu packen bekommen, bleibt ohnehin keine Zeit, sich glaubwürdig zu beschweren. Bounce!

Trackliste

  1. 1. Fireflower feat. Beccy Boo
  2. 2. Doku
  3. 3. Destiny
  4. 4. Fast Life
  5. 5. Bang feat. Oceana
  6. 6. Cool
  7. 7. On Your Way
  8. 8. Roundclub
  9. 9. Love Loaded Gun
  10. 10. Beezkeeperz
  11. 11. Trust
  12. 12. Twilight
  13. 13. Doku (Live-Remix)
  14. 14. Louder (Live-Remix)

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