laut.de-Kritik
Neue Beats aus den unendlichen Weiten des Welt-(H)alls.
Review von Martin TenschertViele Liebhaber elektronischer Tanz- und Clubmusik sind ihr auch im Alltag verfallen. Auf dem Weg zur Arbeit, im Büro, beim Sport und natürlich in der Freizeit lauschen sie der Bassdrum. Es soll aber auch Clubgänger geben, die dieser Art von Musik ausschließlich tanzend frönen und privat eher die ruhigere Gangart bevorzugen. Die Kölner Jungs von Boxer Recordings haben sich nun beider Fraktionen erbarmt und diesbezüglich ein Compilation-Konzept erdacht.
Alles nahm seinen Anfang mit einem Demo von Paul Nazca, das zwar nicht dem typischen Boxer Release-Schema entsprach, aber dennoch zu gut war, um es zu verwerfen. Daraus resultierte, dass man namhafte Produzenten um exklusive Tracks bat. Einzige Rahmenbedingung: Der Sound müsse sich weitestgehend vom sonstigen Werkkatalog des Künstlers abgrenzen, differenzieren. "Something different", sozusagen.
"Different" lautet der pragmatische Titel der neuen Andersartigkeit. Die Liste liest sich dank des weitgesponnenen Label-Netzwerks wie ein Who Is Who aktuell tonangebender Producer. Dabei sind u.a. Extrawelt, der "Flash"ige Florian Meindl oder Frank Martiniq, der bereits auf eine Releasetradition bei Boxer zurückblickt. Aber auch Künstler aus anderen elektronischen Sparten wie etwa Markus Lange, der sonst eher Hau-Drauf-Rave propagiert, konnten für das "Different"-Projekt gewonnen werden.
So kam die stattliche Zahl von 21 Tracks, gebannt auf zwei CDs, zustande. Extrawelt machen den Auftakt und überzeugen mit "Yummy", einem trancigem Downbeat-Track. Dubbige Anklänge und zirpende Goa-Sounds hat im Anschluss Patrick Chardronnet von Connaisseur Records für "Seeing In The Dark" erwählt. Ambienteske Elemente findet man zwar auch in seinen "normalen" Tracks, hier hat er aber seiner Spielfreude freien Lauf gelassen.
Besonders einprägsam ist das von Goldfish & Der Dulz beigesteuerte "Grashelm", das so warm vor sich hinbumpert, dass es auch in Weilheim entstanden sein könnte. Es klickert und schubbert und ist variantenreich arrangiert. Die zweite CD startet mit Austrias Finest Florian Meindl und seinerseits vertrackten Beats.
Verhallte Franzmann-Fetzen layern um die Wette mit Aphex Twin-schen Zitaten. Bereits erwähnter Stein des Anstoßes Paul Nazca schließt sich an und liefert mit "Rimbo Solo" ganz große Disco. Kosmische Synthies und sehnsüchtige Streicher erzählen eine traurige Geschichte aus den unendlichen Weiten des Welt-(H)alls. Einer der Höhepunkte von "Different". Obwohl es auch keine wirklichen Tiefpunkte gibt. Man findet keinen einzigen dahingeschusterten Track.
Es seien noch Fix und Fertig feat. Haito erwähnt, der in diesem Fall keinen "Spagat" hinlegt, sondern den Track "Romon" beisteuert. Super gecuttete Samples, tighte Streicher und Dynamikwechsel machen dieses Stück aus. Filmmusik, wie sie Hollywood braucht! Ein weiteres Paradebeispiel für liebevolle, intelligente elektronische Musik sind Khan & Mahmoud mit ihrem "Mystery Blues". Der Name ist in diesem Fall wirklich Programm, es schillert sogar ein wenig Voodoo-Zauber und Zirkus-Clownerie hindurch.
"Different" ist also nicht nur eine Alternative für die Lieblingsbar, deren immergleiche Trip Hop- und Downbeat-Compilations (man muss keine Namen nennen) ausgedient haben dürften. Vielmehr bietet die Boxer-Crew Geschmacksbefriedigung für all jene, die frische elektronische Musik jenseits ausgetretener House- und Techno-Pfade suchen.
1 Kommentar
kann jemand weitere eindrücke schildern? bin sehr interessiert an der compilation.
hier kann man sich schön einhören:
http://www.boxer-recordings.com/releases.p…