21. Mai 2015
"The Killers sind die Besten"
Interview geführt von Markus BrandstetterWenn man wie Brandon Flowers in Las Vegas aufgewachsen ist, hat man eine Menge Casinos und sonstiger obskurer Gebäude entstehen und vergehen gesehen. Diese konstante Gesichtsveränderung der Showstadt mitten in der Wüste könnte auch einer der Gründe sein, so der 33-Jährige, warum seine Hauptband The Killers ihren Sound von Album zu Album immer recht radikal verändert hat.
Auch solo hat Brandon Flowers keine Lust, von ihm bereits platt getretene Pfade zu betreten. "The Desired Effect" heißt sein zweites, soeben erschienenes Soloalbum. Dass Flowers einerseits keine Berührungsängste mit Musik aus dem Disco- und 80er-Jahre-Dunstkreis und andererseits auch keine Scheu vor dem ganz großen Pathos hat, war bekannt.
2015 geht er noch ein paar Schritte weiter. Unerschrockene, die Flowers im Foxtrott-Schritt auf das musikalische Traumschiff folgen wollen, dürften großen Spaß an "The Desired Effect" haben. Alle anderen müssen sich bis zum nächsten The Killers-Album noch ein klein wenig gedulden.
Brandon, auf "The Desired Effect" hast du dich ja ganz schön aus dem Fenster gelehnt. Nicht, dass The Killers nicht immer schon gerne für jedes Album ihren Sound verändert hätten, aber auf deiner neuen Platte gehst du schon sehr weit ins Disco- und 80s-Territorium.
Brandon Flowers: Ja, auch wenn das nichts war, dass ich wirklich geplant hatte. Es ist aber definitiv passiert. (lacht).
Ich finde ja, "Dreams Come True" ist eine gute Brücke von The Killers zu deinen Solo-Sachen. Es beginnt als Rock'n'Roll-Epos, dieses Geschichtenerzählen, wie man das von dir ja kennt. Dann gehts musikalisch aber in ganz andere Gefilde.
Das ist eine sehr gute Beschreibung - so habe ich das eigentlich noch gar nicht gesehen, aber das trifft es wirklich gut. Ich glaube, dass dieser Storytelling-Aspekt mich und The Killers von anderen Bands unterscheidet. Das ist etwas sehr Amerikanisches, und das dann auf die verschiedensten Einflüsse und Inspirationen anzuwenden ... ja, ich glaube, dass es thematisch schon ähnlich ist wie das, was ich schon immer gemacht habe. Ich bin wirklich zufrieden mit den Lyrics auf dieser Platte.
Gibt es irgendwelche Autoren oder Musiker, die dich textlich speziell beeinflusst haben?
(überlegt) Ja, Leute wie John Steinbeck zum Beispiel. In den letzten Jahren habe ich sechs seiner Romane gelesen und das dürfte derzeit einer meiner Haupteinflüsse sein. Außerdem habe ich viele Kurzgeschichten gelesen. Kurzgeschichten haben einfach einen klaren Job zu erledigen: man muss sie in einem Zug lesen können, und das ist Songs sehr ähnlich. Ich habe nur vier oder fünf Minuten, manchmal sogar weniger, um eine Geschichte rüberzubringen. Ich habe mir viele amerikanische Kurzgeschichten besorgt, das war sehr hilfreich.
Du hast ja wieder einmal ein sehr Chorus-zentriertes Album gemacht.
Ja, das ist einfach Teil davon, wer ich bin. Da zieht es mich immer hin: zu Refrains.
"Ich liebe es in der Band zu sein, aber ..."
Erzähl doch ein wenig vom Aufnahmeprozess.
Diesmal war es ganz anders. Normalerweise sperrst du dich ein, um zu arbeiten, bist sehr zurückgezogen und isoliert. Das war bei dem Album überhaupt nicht so, wir haben es immer wieder stückweise erarbeitet, das ganze Jahr 2015 über. Das gab mir viel Zeit mit meiner Familie, ich habe ja drei Kinder - und ich hatte wirklich Zeit zu atmen, Zeit, herauszufinden und welche Songs wirklich hängenbleiben.
Abgesehen davon, dass bei The Killers mehrere Leute am Entscheidungshebel sitzen: würdest du sagen, du hast bei deinen Solo-Alben mehr Freiheiten?
Ja, ich denke schon, dass ich in gewissen Hinsichten mehr Freiheiten habe. Ich liebe es wirklich, in der Band zu sein - aber es ist schon auch nett, mal eine Pause zu kriegen und einfach das zu machen, auf was ich gerade Lust habe. Wie fantastisch ist es, dass ich Tony Levin anrufen kann und er spielt mir ein paar Bass-Spuren ein?
Du hast ja auch Bruce Hornsby und Neil Tennant von den Pet Shop Boys auf der Platte. Wie kam das zustande?
Ich habe versucht wie Bruce Hornsby zu spielen, aber ich konnte es nicht. Deswegen habe ich ihn angerufen. (lacht). Er war super, sehr zuvorkommend. Er mochte die Songs auch gerne, es war perfekt. Neil war damals gerade in Berlin, ich hab ihm eine SMS geschrieben - und er sang dann eine Zeile ins Telefon und die habe ich verwendet.
Mal ehrlich: nerven dich Vergleiche zwischen deinen Soloalben und den Killers? Siehst du da überhaupt Parallelen?
Ich glaube, das ist unvermeidbar. Ich verstehe das schon. Es ist aber definitiv etwas anderes. Solo gehe ich in sowohl für mich als auch für die Killers unerforschte Gebiete, Sounds und Grooves. Aber ich sehe es schon ein: meine Stimme hat Wiedererkennungswert, daran können sich die Leute orientieren und vergleichen. Das ist okay, und damit kann ich nicht nur leben, darüber bin ich sogar sehr froh.
"Ich glaube einfach, wir sind die Besten"
Für mich sind The Killers die letzte wirklich "große" Band in der neueren Rock-Musik. Groß im Sinne von: große Refrains, große Gesten, große Stories und so weiter. Das ist für dich jetzt vielleicht schwierig zu beantworten: Wo siehst du The Killers ?
Ich bin dankbar für das, was wir erreicht haben - und ich weiß nicht, ob das alle so sehen wie du. Ich wünschte, die uns nicht mögen, würden uns mal live sehen und dann ihre Meinung ändern. Es gibt derzeit auch eine Menge guter Bands, die großen Erfolg haben - aber ich glaube einfach, dass wir die Besten sind. Und ich möchte, dass wir all die tollen Erfahrungen nehmen und auf unserer nächsten Platte verarbeiten.
Unser Gitarrist Dave Keuning zeigt derzeit gerade viel mehr Interesse an einer neuen Platte als sonst, für mich ist das sehr aufregend. Wenn wir unsere Hände schmutzig machen und alle an einem Strang ziehen: dann sind wir wirklich am Besten.
Also können wir damit rechnen, dass - nachdem du deine Tour absolviert und deine Soloplatte promotet hast - The Killers wieder aufleben?
Ja, absolut! Sogar schon davor, wir spielen zwei Festivals in den Staaten, im Juni und im September. Dave schreibt Dinge, schickt sie mir, wir arbeiten, auch wenn wir nicht im gleichen Raum sind. Irgendwann in naher Zukunft kommen wir dann aber alle zusammen, und ich freue mich schon drauf, eine neue Platte zu machen.
Bei The Killers gingen Veränderungen ja immer rasant, von Platte zu Platte. Allein der Unterschied zwischen "Hot Fuss" und "Sam's Town" ist ja gravierend.
Ja, und ich weiß nicht warum das so ist. Ich weiß nicht mal, ob es da eine Antwort darauf gibt. Ich denke, jedes Album ist eine Reaktion auf das vorige, und wenn es da irgendeine Parallele gibt: Wir sind inmitten von Casinos aufgewachsen, und immer wenn eines zu alt wurde, haben sie es einfach abgerissen und ein neues hingebaut, mit ganz anderem Gesicht. Ich glaube, das kommt daher.
"Sam's Town" war dann ja die missverstandene The Killers-Platte, würdest du mir da widersprechen?
Ich denke, sie hat eine Menge Leute verwirrt. Sie hat sehr polarisiert, traf aber auch viele Herzen. Es ist ein sehr spezielles Album: "When You Were Young", "Read My Mind" - es ist faszinierend, wie sehr diese Songs bei vielen Leuten hängen geblieben sind.
Danach kam 2008 "Day & Age", die Reaktion auf dieses Missverständnis - mehr Disco sozusagen!
Das ist wahr. Ich sollte ja keine Reviews lesen, aber "Sam’s Town" wurde vielerorts wirklich verrissen. Da dachte ich mir, vielleicht sollte ich gar nicht Teil dieser Rock'n'Roll-Geschichten sein wollen und etwas ganz anderes machen. So kam "Day & Age" zustande.
Aber dann war da doch "Dustland Fairytale" auf "Day & Age", doch wieder ein episches, Thunder-Road-artiges Lied ...
(lacht) Ja, das war dann ich, wie ich nicht loslassen konnte.
Mal ehrlich: Ich bin froh, dass du das nicht losgelassen hast, für mich ist "A Dustland Fairytale" der beste Song auf "Day & Age" und einer meiner Lieblingssongs von euch überhaupt.
"A Dustland Fairytale" hat wahrscheinlich meine besten Lyrics. Ich bin also auch glücklich darüber, dass ich nicht loslassen konnte.
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