laut.de-Kritik

Zwischen Walzer-Schmalz und depressiven Weltuntergangselegien.

Review von

Conor Oberst ist Workaholic. Fünf Monate sind seit seinem hyperventilierenden Wutausbruch "Read Music / Speak Spanish" mit den Desaparecidos ins Land gegangen, die letzten Akkorde der US-Tour sind gerade verklungen, da serviert er uns das nächste Produkt pessimistischer Lebensanschauung in Reinform. Bewaffnet mit einer mutmaßlich verstimmten Akustikgitarre jammert er in der Tonqualität eines veralteten Kassettenrecorders aus einem Autoradio.

Rauschen im Hintergrund. Die Fahrerin summt ein paar Töne mit. Sechs Minuten lang schluchzt er sich in Ekstase. "The hook is in deep, boys, there is no more time. So you can struggle in the water and be too stubborn to die or you could just let go and be lifted to the sky – dann bricht "The Big Picture" auf seinem Höhepunkt abrupt ab. Das war's. Der nächste Song, bitte.

Normal ist Conor Oberst nicht. Mit 13 verteilt er erste Demotapes, heute - mit 22 - hat er bereits acht Longplayer eingespielt, von diversen EPs und (Split-)Singles ganz zu schweigen. Und in dieser Zeit hat sich einiges geändert. Ging er früher noch alleine zum Weinen in den Keller, leistet ihm heute ein 38-köpfiges Kleinorchester in einem Studio Gesellschaft.

Nur in wenigen Liedern wie dem Opener knarzt der Lo-Fi vergangener Tage aus den Lautsprechern. Statt dessen regnet es mit Pauken und Trompeten Glockenspiele aus einem Himmel voller Geigen. Große Gesten mit großen Mitteln. Auskotzen, nicht kleckern!

Ein schwieriges Unterfangen. Doch mit "Lifted..." übertrifft Oberst jegliche Erwartungen! In 73 Minuten verquickt er Walzer-Schmalz ("False Advertising"), depressive Weltuntergangselegien ("Don't Know When But A Day's Gonna Come"), rührende Liebeslieder ("You Will. You? Will. You? Will. You? Will."), krude Countrysongs ("Make War") und dilettantisch wirkende Lo-Fi Delikatessen ("Waste Of Paint") zu einem schwer zugänglichen, aber grandiosen Meilenstein, der weniger Wünsche als vielmehr Fragen offen lässt. Zum Beispiel wie Herr Oberst sich noch steigern möchte.

Trackliste

  1. 1. The Big Picture
  2. 2. Method Acting
  3. 3. False Advertisings
  4. 4. You Will. You? Will. You? Will. You? Will.
  5. 5. Lover I Don't Have To Love
  6. 6. Bowl Of Oranges
  7. 7. Don't Know When But A Day Is Gonna Come
  8. 8. Nothing Gets Crossed Out
  9. 9. Make War
  10. 10. Waste Of Paint
  11. 11. From A Balance Beam
  12. 12. Laura Laurent
  13. 13. Let's Not Shit Ourselves (To Love And To Be Loved)

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