laut.de-Kritik
Ein schwelgend schönes Live-Erlebnis.
Review von Vicky ButscherIm Frühjahr spielten Conor Oberst und seine siebenköpfige Band einige "I'm Wide Awake It's Morning"-Gigs in Deutschland. Einen Teil dieser Tour durch 17 Länder, vier Kontinente und die zwei Hemisphären ließ die Band mitschneiden. Allerdings widerlegt dieses Album einige der Live-Eindrücke, die ich von Herrn Conor Oberst auf einem seiner Deutschland-Konzerte sammelte.
Beginnen wir mit dem Offensichtlichsten: Diese CD enthält keine langgezogen-launischen Sprüche des Genies. Sie gaukelt dem Hörer vor, Conor gebe sich live mit knackigen Ansagen zufrieden, um sich ganz der Musik zu widmen. Entweder der junge Mann mit den Rehaugen hat vor und während der Aufnahmen nur Mineralwasser getrunken. Oder - die wesentlich wahrscheinlichere Variante, da hier verschiedene Konzerte zusammengeschnitten wurden - unschönes, ellenlanges, anstrengendes und zu verpeiltes Gequatsche fiel kurzerhand der Schere zum Opfer.
"Sogar das Meckern in der Stimme hat Oberst inzwischen weitgehend abgelegt", schrieb ich nach meinem Live-Erlebnis. Nein, hat er nicht. Immer wieder drängelt dieses eigenwillige Tremolo durch. Doch wie singt Conor selbst so schön? "I could have been a famous singer / If I had someone elses voice / But failure's always sounded better / Let's fuck it up boys, make some noise!" ... Und tut es.
Kommen wir zum Eigentlichen: Den Songs auf "Motion Sickness", was so viel wie Reisekrankheit bedeutet und hoffentlich nicht die Stimmung im Tourbus wiederspiegelt. Die Stücke - vornehmlich von seinem neuesten Folk-Werk "I'm Wide Awake It's Morning" - erscheinen in schwelgender Country-Manier und als reduziertes Singer/Songwritertum in spärlicher Begleitung.
Natürlich wäre ein simples Rezitieren des Albums in der Live-Version auch für Hardcore-Fans wie mich nicht der Grund, sich über die CD zu freuen. Die Songs bleiben eindeutig der Wahnsinn, erzeugen auch in der Live-Version Gänsehaut und Kullertränen. Wirklich bemerkenswert sind allerdings die Single B-Seiten, vor allem das rührende "True Blue", in dem Conor sich und seine Musik perfekt zusammenfasst. Wer ihm hier abnimmt, er meine mit "blueblood" wirklich aristokratisch, der hat keine Ahnung. "That is how I am here today to tell you that it is best man to be true blue".
Auch das Zwiegespräch zwischen dem "ignoranten, arroganten und vor allem inkompetenten" Präsidenten der Vereinigten Staaten und Gott stimmt nachdenklich, allerdings mit einem hämischen Lächeln auf dem Gesicht. Vor allem beweist dieser Song, was für ein großartiger Storyteller in Conor Oberst steckt. Dass er dieses Geschick auch mit mehr Hintergrundinstrumenten einzusetzen vermag, erweist sich nach dem Hören von "Southern State". Es handelt von Athens in Georgia und ist wohl eine Hommage an seine Freundin Maria Taylor von Azure Ray, die aus eben dieser Stadt stammt.
Das 24-seitige Booklet in Form eines Tour-Tagebuchs erklärt unter anderem, wieso die Band ausgerechnet einen Song der Kanadierin Feist in ihr Set aufnahm, aber auch, wie die Band Pizzastücken das Fliegen beibrachte. Leider gelingt den Bright Eyes die Feist-Adaption nicht ganz so gut wie das beim intimen Elliott Smith-Cover "The Biggest Lie" der Fall ist.
Drängte er die Band mit seiner leisen, aber doch heftigen Bühnenpräsenz optisch in den Hintergrund, hört man die Harmonie zwischen dem schüchternen Frontmann und seinen Musikern auf den Aufnahmen ganz deutlich. Ein schwelgend-schönes Live-Erlebnis, das sich auch ohne optische Reize allein über die Musik vollständig erschließt.