laut.de-Kritik

Alles wie immer, sogar die Stimme klingt noch jugendlich.

Review von

"So Happy It Hurts" stört nur selten. Bryan Adams gibt sich so unauffällig wie möglich und zieht innovationslosen Rock bis Rock'n'Roll durch. Alles klingt wie schon vor 40 Jahren, and it "Cuts Like A Knife". Die Klingen des einst messerscharfen Sounds fühlen sich nach vielen Neuaufgüssen heute butterweich an. Dabei gäbe es sonst gegen die Platte wenig einzuwenden. Einzig, dass die Texte hier und da super-seicht und flach mäandern: "Du bist so schön, amazing (...) du bist die einzige, die mein Herz zum Stillstehen bringt", da kratzt das lyrische Level von "Always Have, Always Will" schon an Mark Forsters, wenn nicht gar an Andy Borgs Ergüssen. "Ich kann nicht essen, ich kann nicht schlafen" heißt es in "I Ain't Worth Shit Without You", und schon wieder wird klar: Ohne die bessere Hälfte sei man wertlos und führe ein wertloses Leben - dazu Riffs vom Schlage Robert Palmers. Hm.

Adams hat die Nummern selbst mitgeschrieben. Komisch, dass einer mit 62, der kommerziell alles erreicht hat, solche logorrhoische Sülze singen will. Der CD-Titel fokussiert auf Frohsinn und Optimismus: Alles wird gut. Uplifting, würde der Jamaikaner sagen. Das lockere "You Lift Me Up" leistet leicht-flockige Songwriter-Unterhaltung, stringent, straight forward, irgendwo zwischen Rod Stewart in der Tonlage und Wallflowers, mit Tom Petty-artigem Americana voller Schwung. Eine neue Hit-Hookline vom Kaliber eines "Summer Of '69" hört man zwischen den allzu sehr auf Alternative Country getrimmten Gitarren-Standards leider nicht raus. Dieses Manko haben alle Nummern gemein, so sehr sie sich um zünftigen Classic Rock bemühen. 

"Kick Ass" führt sogar das Alte Testament an: Nachdem Gott den Menschen erschaffen habe, fehlte es an Rockmusik. Ein Tornado sei aufgekommen und eine gottgleiche Gestalt in Blue Jeans erschienen, die schreit: "Let there be guitar! Druuuums! Bass! Piaaaano! (...) Let's go!" Das soll wohl ein bisschen auf Frampton-Sound der Late Seventies machen, Hardrock Café und so. Ganz gut, aber plakativ.

"Never Gonna Rain" predigt Optimismus. Glauben an den neuen Tag. Nach Liebeskummer. Alltagstexte, dafür Sound, der schon zu rockig für Rieselradio-Sound im Frisörsalon ist. Der Kanadier ist wieder einmal das Pendant zur Etheridge, ein Storyteller, dem man oft nur Hooklines zutraut, obwohl die Strophen ebenso in Ordnung sind.

Manches wie "Just Like Me, Just Like You" rauscht einfach vorbei, als wäre nichts gewesen. Einzig ein paar psychedelische Spiral-Echos auf der Lead Guitar erregen etwas Aufmerksamkeit. Durchhörbar gluckert auch "Just About Gone" vorbei, das mit Rock'n'Roll ein bisschen auf Carl Perkins setzt und zudem auf die Jeff Lynne-Pauke kloppt. Bloß hat Bryan Adams sogar jetzt mit 62 noch seine jugendliche Stimme. Somit umrahmt ihn ein Sound, der vergleichsweise dumpf und nicht immer so ganz stimmig zur Gesangs-Tonlage wirkt.

Zwei Anspieltipps im mediokren Gleichklang heißen "On The Road" und "I've Been Looking For You". Bei letzterem crasht astreiner Rock'n'Roll aus den Boxen. Komplett innovationslos - macht jedoch Spaß. Durch "On The Road" fließt eine ordentliche Southern Rock-Linie und lässt keinen Zweifel daran, dass dem Singer/Songwriter sein vehementes Vorwärts-Stompen gefällt. Weniger krachledern, punktet die subtilste Nummer am meisten, nämlich der Schlusstrack "These Are The Moments That Make Up My Life". Er ist der größte Song hier: Nicht weit von Del Amitri in der Machart, und mit einem angenehm fein dosierten Klangaufwand. Eine Spitzendynamik zwischen leiseren, steigernden und entladenden Momenten erhebt den Song zum interessantesten Lied.

Der im Großen und Ganzen soliden Unterhaltung pfuschen punktuelle Schlager-Pop-Ausrutscher wie auch die extrem vorhersehbare musikalische Gestaltung dazwischen. Laufen lassen kann man das Album jederzeit, ohne dafür in einer besonderen Stimmung sein zu müssen. Man kann es aber genauso gut lassen und nichts verpassen. Wer eine geniale Melodie, wagemutige Details oder ein Minimum an Überraschung sucht, geht leer aus. Wer alles will wie immer, hat die richtige Platte.

Trackliste

  1. 1. So Happy It Hurts
  2. 2. Never Gonna Rain
  3. 3. You Lift Me Up
  4. 4. I've Been Looking For You
  5. 5. Always Have, Always Will
  6. 6. On The Road
  7. 7. Kick Ass
  8. 8. I Ain't Worth Shit Without You
  9. 9. Let's Do This
  10. 10. Just Like Me, Just Like You
  11. 11. Just About Gone
  12. 12. These Are The Moments That Make Up My Life

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8 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Der Vergleich mit Mark Forster ist ziemlich hart. So schlimm wird's nun auch wieder nicht sein. Harmlos war das Zeug von Bryan Adams allerdings schon immer.

  • Vor 2 Jahren

    Let me reply in English. don't think you quite understand how Bryan Adams songs work. He releases them at a stage when he thinks they are good enough, but these songs often go on a long journey to come back through the backdoor and become major hits like Summer of 69. Or exist in several versions until one will click with the audience. I was lucky enough to hear this album played by him live in Kingston and I can tell how differently you react to some of these songs if played by him live (he sounded great by the way). Just like you just like me acoustic was absolutely mesmerising. They just started their journey!

    His genre is classic rock nowadays, so I don't know what innovations you would expect there. Also, having a good bit of laugh at himself is always part of his writing. He has been very prolific the past 5 years, also writing the Pretty Woman musical. This album was written during lockdown, where personal interaction and joint studio sessions were impossible. So he played all instruments himself, with some exceptions.

    I think he did a great job by mostly leveraging his best "traditions" and delivering a very listenable collection of songs. It migjt not be the latest craze, but a still a solid oiece of work.

    • Vor 2 Jahren

      "Solid piece of work", "listenable", time is too limited for that, better try to spend it on interesting things ;-)

    • Vor 2 Jahren

      @Baddiebones Wonderful, so it would be good to release the disc including live versions.

      I didn't now he was touring Kingston, so thanks for this info.

      The term "Classic Rock" doesn't mean "old-fashioned Rock". It derives from fusing rock'n'roll with elements of classical music, as the early Genesis, Pink Floyd, Jethro Tull, Emerson Lake & Palmer did.

      A real classic rock lover won't identify with this album as a good one representing the genre.

  • Vor 2 Jahren

    genau wie "Shine a light" (außer "all or nothing") ein schwaches Album mit langweiligen Songs/Arrangements...es clicked, auch mit Producer Mutt Lange, der uns das Meisteralbum "Waking up the neighbours" bescherte, einfach nicht. Schade

  • Vor 2 Jahren

    Ich brauche gerade keine schweren, problembeladenen Songs. Wir haben ne Pandemie seit 2 Jahren. Wir leben mit Einschränkungen. Wir jammern auf hohem Niveau, ich weiß.
    Für mich sind Gute-Laune-Songs genau das Richtige für diese Situation. "SO HAPPY THAT IT HURTS. Über den Titel muss man wirklich mal nachdenken. Das steckt mehr drin, Leute.

    • Vor 2 Jahren

      Hab die Review nur quergelesen, aber ob das Gute-Laune-Songs sind oder nicht, ist doch gar nicht der Punkt. Es geht um fehlende Wagnisse und uninteressantes Songwriting. Man sollte meinen, diese Dinge ließen sich durchaus mit nem Gute Laune-approach vereinbaren.

    • Vor 2 Jahren

      Seht, es ist Faulpelz Eins und sein Sidekick Lazy Zwei!

    • Vor 2 Jahren

      Hab ebenfalls das Gefühl, dass die laut.de-Kommentarspalten mit der heuer anscheinend stetig wachsenden Anzahl tattriger Tandems endlich so was wie ein für sie passendes Pendant zu Gothams dynamischen Duo heranzuzüchten scheinen. :D

  • Vor 2 Jahren

    Er kann noch so oft versuchen sich zu emanzipieren aber "I am sailing" bleibt sein grösster Hit und unerreicht.

  • Vor einem Jahr

    Eine harte Kritik, aber grundsätzlich nicht unberechtigt. Das Album ist, wie auch schon "Shine A Light", einfach nicht gut und für mich eine Enttäuschung. Die Songs klingen dumpf und gleichförmig, die Texte abgedroschen und thematisch ausgelutscht. Und das hat für mich nichts mit Innovationslosigkeit zu tun. Die Zeiten haben sich einfach geändert, Menschen werden älter und die Gesellschaft entwickelt sich weiter, nicht unbedingt zu ihrem Besten. Seit "Room Service", vielleicht noch "Eleven", kam klanglich bis auf ein paar Ausnahmen leider nicht viel Substantielles mehr.

    Die Sachen aus der Vallance-Zeit haben ihren eigenen Charme, der meines Erachtens nicht wiederholt werden kann. Es ist einfach der Klang der 80er und egal wieviel Zeit vergeht, man verbindet es immer mit dieser Epoche, selbst wenn man sie nicht oder nur zum Teil live miterlebt hat. Ich vermute mit diesem Album den Versuch, an diese damaligen Zeiten anzuknüpfen, aber das funktioniert in der Welt der 2020er-Jahre leider nicht mehr.

    Dann kam die Lange-Zeit, in der er sich nach dem Bruch mit Vallance klanglich und kreativ verändert hat. Viele meinen, zum Schlechteren. Kann man so sehen, ich habe es immer als Bereicherung wahrgenommen. Diese Transformation war im Grunde solide, passte in die 90er und funktionierte bis Ende der 2000er-Jahre gut.

    Und dann? Tja, man könnte meinen er hat den Faden verloren. Wollte vielleicht Back-To-The-Roots mit Vallance, aber trotzdem irgendwie modern sein. Aber sein Spätwerk überzeugt mich bisher einfach nicht und ich habe nicht den Eindruck, dass sich das nochmal ändern wird. Und das ist schade.

    "So Happy It Hurts" klingt für mich wie ein Verdrängen einer Gegenwart, die nichts mehr mit der jugendlichen Leichtigkeit von Einst zu tun hat, aber die rosarote Brille zum Ausblenden des Wahn- und Irrsinns im Hier und Jetzt taugt nur bedingt. Um der alten Zeiten willen lege ich dann lieber eine seiner alten Scheiben auf. Das hier funktioniert nicht.