laut.de-Kritik

"Lass uns kommunizieren auf Körpersprache": Spitzenidee!

Review von

"Alle fragen: Seit wann ist Capo ein Star?" Ist er das? Ach, so. Na, wenn seine plötzliche Popularität mal bloß nicht mit dem Erfolg seines Bruders zusammenhängt ... Den lädt Capo zwar auf zwei Tracks seines Albums als Gast, die Welle nimmt man ja gerne mit. Als jüngerer Haftbefehl-Durchschlag möchte er sich aber keinesfalls betrachten lassen.

Um diesem Schicksal zu entgehen, vollzog Capo in den vergangenen Monaten einen recht radikale Metamorphose: weg von den Messerstecherthemen der Azzlackz mit dem Hinterhof-Jargon, mitten hinein ins kostspielige Luxus-Leben in den Edelclubs, in denen ausschließlich die Weiber billig zu haben sind. Tschüß, Offenbach. Hallo, Monaco. "Ihr habt lang gewartet, doch jetzt ist er da." Was freu' ich mich.

Ein leises wissenschaftliches Interesse an der Antwort auf die Frage, wer zum Teufel sich so etwas mit Genuss anhören kann, treibt mich ja spätestens seit Shindys "NWA" um. Einmal um die Welt und zurück jetten, zwischendurch einen durchziehen, einen, zwei, viele heben, "Champagner Für Alle" und auch sonst mit vollen Händen Geld aus dem Fenster schmeißen und rudelweise hohle Barbies pimpern, die blöd genug sind, es für ein Privileg zu halten, für aufgeblasene Jungmännchen Titten und Arschbacken schütteln zu dürfen: Das klingt zugegebenermaßen schon irgendwie nach Spaß.

So man denn auf Hühner steht, deren Qualifikation sich darin erschöpft, den Tanga passend zum BH auszuwählen und in High-Heels geradeaus wackeln zu können. Wenn man aber nicht selbst drinsteckt, fühlt sich das so dröge an wie ein Abend, an dem man die viertausend Urlaubsdias der Nachbarn vorgeführt bekommt. Wenn die Erläuterungen dazu dann auch noch von einem Zeitgenossen mit übersichtlichem Horizont und Wortschatz stammen, hat der Spaß gleich doppelt ein Loch.

"Wooo-hooooooooo! Seid ihr bereit für 'Hallo Monacooooooo-hoooooooo'?" An gediegener Beatverschwendung darf sich jedenfalls nicht stören, wer dem ein 'Ja' zurück schmettern möchte. Die Synthie-Wände, die meist die Bounce Brothas und Abaz, gelegentlich auch Bazzazian und Pzychedelic für Capo aufschichten, pumpen größtenteils atmosphärisch und stimmungsvoll und transportieren bedrückend schwüle Schwere. So erfreut "Champagner Für Alle" mit waberndem Sound voller 90er-Zitate. Auch "Mein Film" besitzt - auf der musikalischen Seite - durchaus "Miami Vice"-Appeal. "Tief In Die Nacht" fährt eine jaulende, asiatisch inspirierte Melodie auf.

Was die Produktion betrifft: alles richtig gemacht. Bloß hilft das nicht viel, wenn sich darüber ein Rapper mit beschränkten sprachlichen Fähigkeiten und offenbar noch beschränkterer Vorstellungskraft austobt. Das inhaltliche Vakuum verursacht, begeht man den Fehler, auf die Texte zu achten, Lochfraß in der grauen Substanz. "Immer, wenns geregnet hat, wurde der Kanacke nass."

Grammatikalische Ungeschicklichkeiten und schiefe Bilder lassen den Vorschlag "Lass' uns kommunizieren auf Körpersprache" wie eine Spitzenidee anmuten. Klopse des Kalibers "Du bist das Ding, das so leuchtet wie ein Rohdiamant bei Nacht" blieben einem, schaltete Capo aufs Gestikulieren um, vermutlich erspart. Mal ganz davon abgesehen, dass ein Rohdiamant nicht besonders funkelt, im Dunklen schon gleich gar nicht: Was Capo zusammen mit Cro hier abzieht, klingt, als haben es Grup Tekkan ausgerülpst.

"Ich bin im Rausch und aggressiv", nölt Capo in "Engel Der Nacht", als schlafe er jeden Moment ein. Den Titel hat er sich wohl bei Nena ausgeborgt. Auch die ständigen Beschwörungen der "Party des Jahrhunderts" geraten derart träge und lahm, dass man auf dieser Fete nicht tot überm Zaun hängen möchte. Na, Hauptsache, es geht "von Club zu Club, von Nacht zu Nacht, von Bitch zu Bitch, von Stadt zu Stadt". In Shindy findet Capo einen passenden Begleiter, mit dem er sich das Doppelzimmer im "Ritz Carlton" teilen kann. Für den Sunshine-Reggae von "Wenn Du Willst" quäkte zuvor schon Chima den Refrain.

Die erste gute Metapher - es soll die einzige bleiben - findet sich in "Venus & Mars", wenn Capo seine Hoffnungen zum Trocknen auf die Wäscheleine hängt. Leider walzt Rola den leise positiven Eindruck mit dem Chorus und dem ausgelutschtesten aller ausgelutschten Männer/Frauen-Mars/Venus-Geseiere gleich wieder flunderflach. "Die Erdkugel ballt eine Faust und schlägt mir auf die Stirn." Sicher, dass sie sich nicht selbst an den Kopf gefasst und Capo dabei versehentlich erwischt hat? Hinein gelaufen in einen Global-Facepalm: Das erklärte einiges.

Am Ende besingt Capo nach dem ganzen Halligalli noch schnell die "Schwere Zeit". Auch das noch, möchte man meinen. Die düsteren Erinnerungen an den verstorbenen Vater gepaart mit den Ängsten, dessen depressive Veranlagung geerbt zu haben, geraten dann aber doch erschütternd berührend. Erstmals wirkt Capo nicht wie ein Abziehbild, drischt keine Bling-Bling-Phrasen, sondern verarbeitet eigenes, unerfreuliches Erleben. Hätte er sich wenigstens hier die autogetunete Hookline verkniffen, "Hallo Monaco" hätte tatsächlich einen ganzen Track geboten, den es sich anzuhören lohnt.

Trackliste

  1. 1. Hallo Monaco
  2. 2. Champagner Für Alle ft. Haftbefehl
  3. 3. Mein Film
  4. 4. Rohdiamant ft. Cro
  5. 5. Was Geht Heute Nacht
  6. 6. Wenn Du Willst ft. Chima
  7. 7. Engel Der Nacht
  8. 8. Bis Ich Frei Bin
  9. 9. Tief In Die Nacht ft. Bausa
  10. 10. Ritz Carlton ft. Shindy
  11. 11. Geburtstag
  12. 12. In Paris ft. Haftbefehl
  13. 13. Venus & Mars ft. Rola
  14. 14. Bodylanguage
  15. 15. Ich Zeig Dir Die Welt
  16. 16. Schwere Zeit

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13 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    "in paris", "hater" ( mit einem monster part von baba haft), "schwere zeit" und "erzähl mal" sind sehr gelungen, "wenn du wilst" und "tief in die nacht" sehr catchy....der rest sauber produzierte füller und eigentlich nur ein richtiger griff ins klo, nähmlcih "rohdiamant". insgesamt flowt capo sehr entspannt und lässigt ( und gott sei dank NICHT atom) über fette produktionen insbesondere die der bounce brothas. ob das 2 punkte wert sein soll, das sei mal dahingestellt. das ist ja das tragische an dieser cd. der ganze sound ( produktionen + lyrics) ist ganz klar auf kommerz und masse ausgerichtet und defintiv cooler und innovativer als das luca hänni/pietro/tim bendzko gedöns das meine armen ohren im radio quält, aber über das klassische hiphop publikum kriegt doch kaum einer was von dieser platte mit. und wenn es dann mal seinen weg zu einem maistream portal wie laut.de findet wird, bekommt eine dani fromm die gelegenheit ihre anti kanaken komplexe auszuleben, schön versteckt hinter dem decktmantel der "kritik" an zu anspruchslosen texten bei clubs songs (!). vllt geht es nciht mit ihrem habitus konform in gewöhnliche clubs abzusteigen wo sich der gemeine pöbel zum feiern versammelt, aber falls das doch mal der fall gewesen sein sollte, hätte sie sicher zu kenntniss genommen das es lyrische "meisterwerke" wie tyga's "bouncin on my dick" oder "rack city" waren, die den club zum brennen gebracht haben. und das ist nähmlich das einzig relevante kriterium in der disziplin der clublieder! eine demokratiche abstimmung mit den füßen sozusagen. natürlich wäre diese art von mugge für die couch parties ihrer studentenzeit definitiv nicht die richtige musikalische untermalung für anspruchsvolle gespräche im stile von " was studierst du denn eigentlich" unde " ich hab die schon gehört, als die noch keiner kannte" gewesen bis man sich mit 5euro fusel aus dem lokalen edeka seines vertrauens genug mut angesoffen hätte um sich letztendlich auf die Hühner zu stürzen,weil die feier sich sonst so dröge angefühlt hätte "wie ein Abend, an dem man die viertausend Urlaubsdias der Nachbarn vorgeführt bekommt". (krasses wortspiel übrigens)
    vllt ist es auch der frust darüber, das vor monaten schon ein veriss geschrieben wurde in erwartung eines straßenalbums mit den "oh schreck, welch überraschung" immer gleichen messerstecher-themen. die ursache für diese mehr als unsachliche review wird mir auf ewig schleierhaft bleiben. mein name ist spence olchin, ich verkaufe u-bahn tickets!

  • Vor 6 Jahren

    Wann kommt die Alles Auf Rot Review???

  • Vor 6 Jahren

    Hat eigentlich jemand ins neue Album reingehört? "Hallo Monaco" hatte schon vereinzelt stabile Tracks, aber insgesamt ging der abrupte Stilwechsel dann doch nicht auf, da Capo den fast durch die Bank gelungenen Beats einfach nicht gewachsen war.