laut.de-Kritik

Bräsig, unwitzig, merde!

Review von

Chilly Gonzales' Musik ist oft richtig gut – aber Spaß macht sie selten, von Ausnahmen wie "Too Long" abgesehen. Das mag daran liegen, dass er partout nie dieselbe Musik zwei Mal vorlegen will. Fieserweise könnte man sagen: nicht meistern will. Es reicht ihm aus, die Finger hier und da hineinzutauchen und die Gewissheit zu haben, ziemlich gut in diesen Fingerübungen zu sein. Selbst seine Klaviermusikreihe wirkt nie so wirklich seriös, live brauchen wir erst gar nicht anzufangen.

Nun sind also Chansons dran, passenderweise en français, Gonzales' erstes Werk in seiner Muttersprache. Wer angesichts des Covers nun mit wem wie Liebe machte, sei einmal dahingestellt. Das Album beginnt mit "French Kiss", das davon handelt, dass Chilly nun auf französisch singt ("Je vous French Kiss, avec la langue de Molière / Ça vous excite, quand je vous baise dans l'oreille"). Das ist genau so interessant, wie es sich anhört - gar nicht. Dazu stolpert der Frankokanadier über eine anfangs schöne Pianofigur, die gegen einen später hinzukommenden Billo-Beat und des Sängers prägnante Stimme gleichwohl nie eine Chance hat.

Schon hier zeigt sich ein gravierendes Problem: Chansons als Kunstform waren nicht nur das französische - und ungleich weiter entwickelte - Äquivalent zum Schlager, sondern auch das Pendant zum Volkslied. Alors, es für Chanson als solches also gar nicht unüblich, wenn der Vortragende keine Engelsstimme besitzt. Im Gegenteil. Bei einigen der berühmten Chansonniers, von Michel Sardou bis Jacques Dutronc, lässt sich trefflich darüber streiten, ob diese Herrschaften zum Singen bestimmt waren. Angesichts des oft sozialkritischen Inhalts verliehen die unperfekten Stimmen dafür Authentizität.

Gonzales hingegen spricht. Beim besten Willen kann man ein Singen kaum vernehmen. Auch das wäre okay, man kennt es ja von ihm. Nur bog er damals das Material so hin, dass es zu ihm passte. Auf "French Kiss" gelingt dies nicht, beziehungsweise er versucht es erst gar nicht. Stattdessen tobt er sich auf der Platte einfach aus, eine Art riesige Hommage an Frankreich und Pop-Chansons mit Witzen, die nur Gonzo selbst versteht ("Gangstavour"). Französisch ist eine wundervolle Sprache, klüger macht sie einen aber nicht, und deshalb bleiben Gags wie "Wonderfoule" und die dazugehörigen Paarreime auch in der Sprache von Houellebecq doof.

Das Cover zeigt es schon, Gonzales hat eine bescheide Behausung auf der Ile Saint-Louis gefunden, von wo aus er die noch im Regen weiterbrennende Kathedrale besingt: "Il Pleut Sur Notre-Dame", dazu gesellt sich mit Bonnie Banane eine aktuelle, an sich vernachlässigbare, weil viel zu brave, französische Popsängerin. Auf "Il Pleut Sur Notre-Dame" macht sie einen guten Job, ganz einfach deswegen, weil der Kontrast zu Gonzales bräsiger Stimme (hein hein, "drame" reimt sich auf "Notre-Dame") so wohltuend ist, und er jede interessante Textidee (wie eben die brennende Kathedrale im Regen) durch lasche Gags zunichtemacht.

"Lac Du Cerf" kennt das Problem nicht: ein Instrumental. Gonzales spielt gutes, aber nicht überragendes Klavier, dazu spielt Christine Ott auf dem Ondes Martenot, eine Art frühes Theremin. Toll, dass es sowas gibt und es jemand spielen kann, der Song hat aber eher musealen Wert. Unterhalten wird man nicht. Das schafft auch "Nos Meilleures Vies" mit dem Rapper Teki Latex nicht. Der gute Rapper rappt gegen Gonzales Kitsch-Klavier an, dass man das Gefühl nicht los wird, hier versuche sich ein geschmacksverirrter 15-Jähriger am Trennen und Zusammensetzen von disparaten Tonspuren.

"French Kiss" hat zu keiner Zeit irgendeinen Mehrwert. Das gute "Cut Dick" von Mr. Oizo biegt er auf Orchester hin, ohne dem Track irgendetwas hinzuzufügen. Auf "Piano à Paris" unterstützt die Disco-Sängerin Juliette Armanet, die wirklich exquisit in den Song hineinhaucht, voller Leben und Sehnsucht nach Richard Claydermans Musik. Sie kitzelt sogar Gonzo kurzzeitig eine Gefühlsregung aus der Stimme, bis der sein Organ wieder in einer Bratzigkeit quält, als würde er in einem Burger King arbeiten und King Nuggets verweigern.

Der ganze selbstbezogene, dabei aber nach außen pubertär-gockelnd angebende Aspekt des Albums gipfelt in "Richard Et Moi", in dem der bereits angesprochene Clayderman mit Gonzales Klavier spielt. Das machen beide recht gefällig, nur ist man als Hörer unsicher, ob Gonzo die Vergleiche zwischen Clayderman und ihm (von Vater und Sohn bis hin zu Asterix und Obelix) nicht doch ernst meint, so bierernst und verkrampft ist man beim Hören dieser unlockeren Scheibe bereits.

Die besten Tracks des Albums sind "Romance Sans Paroles No 3" und der Closer "Message Personnel". Gonzales spielt einfach nur Klavier, ohne von der Bürde seines verkopften Konzepts in die Seine gezogen zu werden. Mehr als gute Salonmusik kommt dabei aber auch nicht rum. "French Kiss" zeigt erneut, mit welcher Verve Chilly Gonzales sein Potenzial für brauchnabelbeschauenden Müll verschleudert, statt Musik zu machen, vor der er selbst Respekt hat, um so einer derjenigen Großen werden zu können, über die er so gerne spricht.

Trackliste

  1. 1. French Kiss
  2. 2. Il Pleut Sur Notre-Dame (feat. Bonnie Banane)
  3. 3. Lac Du Cerf (feat. Christine Ott)
  4. 4. Nos Meilleures Vies (feat. Teki Latex)
  5. 5. Wonderfoule (feat. Arielle Dombasle)
  6. 6. Cut Dick
  7. 7. Romance Sans Paroles No 3
  8. 8. Gangstavour
  9. 9. Piano à Paris (feat. Juliette Armanet)
  10. 10. Richard Et Moi (feat. Richard Clayderman)
  11. 11. Message Personnel

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8 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 7 Monaten

    Also mit objektiver Berichterstattung hat diese Rezession wenig gemeinsam. Das ist eine rein subjektive Meinung. Geschmack ist verschieden aber etwas als „brauchnabelbeschauenden Müll“ zu bezeichnen (was ist das eigentlich für ein Ausdruck?) finde ich ziemlich schwach.

    Ich vergebe 3 Sterne. Mir gefällt die Stimmung, die sich durch das ganze Album zieht. Die Stücke selber treffen nicht immer meinen Geschmack. Wer mit der Prise Humor, die Gonzales typisch mit einfließt, auch was anfangen kann tut sich vielleicht leichter.

  • Vor 7 Monaten

    Man kann auch Kritik äußern ohne in eine beleidigende Kerbe einzuschlagen. Wenn ich ein Problem damit hätte, dass anders berichtet wird als ich es möchte, müsste ich unter viele Rezensionen meinen Senf dazu geben. Von „Deutschlands meistgelesenen Musikmagazin“ hätte ich das erwartet…aber meist gelesen heißt ja nicht gleich qualitativ bestes, siehe Bild Zeitung.
    Ich wollte hier niemanden beleidigen oder Kompetenzen anzweifeln. Bei Kauf Rezension z.B. würde mich die Wortwahl überhaupt nicht stören, wenn jemand etwas als derart schlecht empfindet. In einem Artikel in einem Fachmagazin erwarte ich für meinen Teil reflektiertere Äußerungen.

  • Vor 6 Monaten

    Hier wurde anscheinend das Gesamtkonzept des Chilly Gonzales schlichtweg nicht verstanden oder bewusst ignoriert.

    Wer diesen Mann einmal live gesehen hat (zB. Philharmonie Köln, zu Zeiten seiner Solo Piano Alben) der versteht sehr schnell die Kunst dieses Mannes.

    Wer es schafft ein hochbetuchtes, klassisch orientiertes,
    Philharmonie Publikum zu begeistern und dieses fürs Stage Diven nutzen kann ist nicht mehr angewiesen auf Rezensionen kleiner TikToker die sich als Musikjounalisten ausgeben :)

    • Vor 6 Monaten

      "Hier wurde anscheinend das Gesamtkonzept des Chilly Gonzales schlichtweg nicht verstanden"

      Muss es auch nicht, hier geht's ja um ne Besprechung eines Albums.
      Mieser Einstieg, lösch dich direkt wieder.