laut.de-Kritik

Weilheims Antwort auf Mozart.

Review von

Noch nie wurden mir innerhalb der Redaktion derartige Daumenschrauben angelegt. "Die neue Console darf nur besprechen, wer fünf Punkte vergibt". Vor allem die Notwist-Fraktion in Personalunion mit Kollege Friedrich bestand vorab auf ein derartiges Votum und untermauerte diese Forderung mit einem Bombardement aus Netsends und Mails von Konstanz nach Köln. Doch auch er musste zugeben, dass "Reset The Preset" sich einem erst dann als geniales Werk offenbart, wenn man es drei Tage am Stück gehört hat.

Doch ich muss meine Betriebsblindheit eingestehen - der Schläfer ist erwacht! Gretschmann ist Weilheims Antwort auf Mozart und ich liebe ihn für diese "Große Nachtmusik". Der perfekte Sound für meinen nervösen Magen. Keine "Rocket In The Pocket", aber elektronische Massenvergnügungswaffen aus dem Geheimlabor von Prof. Dr. h.c. groov. Gretschmann.

"Reset" gehört Miri Oberrieder ganz alleine. Hat Gretsche da etwa die deutsche Björk entdeckt? Eine, deretwegen es sich lohnt, Songs für sie zu schreiben? Jedenfalls schmiegen sich ihre Lyrics auf "Into The Universe" sehr intim an ein jazziges Xylophon, um dann mit dem Bossa-Beat Sex zu haben. Zusammen verwachsen sie zu einem unentwirrbaren Groove-Knäuel. Da können sich Ladytron ein paar Scheiben abschnippeln! An "Dirt On The Wire" bläst mir dieser geniale Break als Überleitung zu Miris "Channel Ego"-Mantra endgültig die Lampe aus. Ich bin bekehrt und möchte dieser Glaubensrichtung beitreten. Denn "Suck And Run" ist mein Neues Testament. Gretschmann und Oberrieder schreiben auf "Reset" neue deutsche Popgeschichte.

Im LAUT-Interview meinte Gretschmann, er möge Musik, die nichts vom ihm will. Die man beim Abwaschen im Hintergrund plätschern lässt, um dann plötzlich zu erkennen: "Äh, da war doch noch was?" Das könnte das Motto von "The Preset" sein. Oder besser: "How low can you go?" Homerecording-Gefrickel at its best. Verwirrt meint man, Gretsches zweite Heimat Barcelona in "Diagonal" zu spüren. "Independencia" ist die Melancholie in vollendeter Feinheit und schiebt Tränendrüse und Mundwinkel gleichzeitig zueinander hin.

Hinein in einen rhythmischen Tanz um die Nase herum. Zusammen ergeben schon diese beiden Tracks "A+A=B", will sagen zweieinhalb und zweieinhalb macht 5! Genug Stoff für ein zweites Ambient-Set im Stile von "Centre Pompidou", nur bitte dieses Mal auf meiner Wohnzimmercouch.

Trackliste

  1. 1. Your God Eats Me
  2. 2. Surfin' Atari
  3. 3. Into The Universe
  4. 4. Dirt On The Wire
  5. 5. The Times They Are Not A-Changin'
  6. 6. Suck And Run
  7. 7. Secret Game
  8. 8. A+A=B
  1. 1. Diagonal
  2. 2. Para.lel ('Funicular'-Mix)
  3. 3. Para.lel
  4. 4. Marina (Version 'Mallorca')
  5. 5. Independencia
  6. 6. Marina
  7. 7. Diagonal ('Raton Relax!'-Mix)
  8. 8. Independencia ('3/4'-Mix)

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