11. Juni 2014
"Ich bin kein Diktator"
Interview geführt von Kai ButterweckSchwergewichtig, bärtig und Riff-süchtig bis ins Mark: Crowbar-Frontmann Kirk Windstein gehört sicherlich zu den einflussreichsten Gestalten, wenn es um tiefe Hartholz-Klänge geht. Mit ihrem zehnten Studioalbum "Symmetry In Black" beweisen Kirk und Co, dass sie noch längst nicht zum alten Szene-Eisen gehören.
Schicksalsschläge, Jubiläums-Feiern, Studio-Exzesse und Abschiede: Im Leben von Crowbar-Frontmann Kirk Windstein ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Wir verabredeten uns mit dem sympathischen Sludge-Urgestein und plauderten mit ihm über die Band-Anfänge, seinen Ausstieg bei Down und die Zukunft von Crowbar.
Hi Kirk, zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zum 25-jährigen Bandjubiläum.
Kirk: Oh, hab Dank. Schön, dass du das auf dem Schirm hast. Bei vielen deiner Kollegen ist das dieser Tage ein bisschen untergegangen (lacht).
Das kann ich mir vorstellen. Die letzten Monate ist ja auch viel passiert.
Das stimmt wohl.
Trotzdem in Feierlaune?
Absolut. Dieses Jubiläum bedeutet mir persönlich unheimlich viel. Ich meine, 25 Jahre! Das ist schon ne ziemlich heftige Hausnummer.
Absolut. Hättest du zu Beginn deiner Laufbahn gedacht, dass du auch im Jahr 2014 noch Crowbar-Interviews gibst?
Nein, um ehrlich zu sein. Das soll aber nicht bedeuten, dass ich von der Band nicht überzeugt war. Wir waren schon relativ früh sehr gefestigt und wussten genau, was wir wollten. Unser Debütalbum ("Obedience Thru Suffering") lege ich auch heute noch gerne auf. Wir hatten aber keinen langfristigen Masterplan, verstehst du? Wir sind einfach losgezogen und haben unser Ding durchgezogen. Das wurde dann über die Jahre immer intensiver und professioneller. Irgendwann steckt man dann total drin und realisiert, dass dieser Job zum Lebensinhalt werden kann.
Gab es einen bestimmten Moment, in dem du gemerkt hast, dass aus dem Ganzen mehr werden könnte?
Das ist eine schwere Frage, denn gerade zu Beginn gab es unheimlich viele Highlights, die man erstmal verarbeiten musste. Ich denke, dass unser zweites Album und die erste Zusammenarbeit mit Phil (Phil Anselmo, Pantera) ein großer Schritt für die Band war. Da stand unser Bandname plötzlich in den Magazinen. Das war ein tolles Gefühl.
Die gute alte MTV-Headbanger's-Ball-Zeit.
(Lacht) Ja, genau. Auf einmal waren wir mittendrin im Zirkus.
Apropos Phil Anselmo: Mit ihm hast du die Jahre danach sehr viel Zeit verbracht.
Ja, das ist wohl wahr. Er ist ein verrückter Hitzkopf, aber im Herzen ein ganz feiner Kerl (lacht). Nun war es aber an der Zeit Prioritäten zu setzen.
"Ich kann einfach nicht mehr an tausenden Orten gleichzeitig sein"
Du meinst deinen Ausstieg bei Down?
Genau.
Viele Down-Fans waren entsetzt, als sich die Nachricht von deinem Austieg verbreitete. Die meisten von ihnen hatten immer den Eindruck, als würdest du auch im Doppelpack zu Höchstleistungen in der Lage sein. Hattest du ein anderes Gefühl?
Nein, ich habe mir dahingehend sicherlich nichts vorzuwerfen. Ich habe immer versucht, für beide Bands an die Grenzen zu gehen. Trotzdem fühlte es sich irgendwann nicht mehr gut an. Ich meine, Crowbar ist mein Baby. Diese Band habe ich gegründet. In den letzten Jahren hatte ich einfach das Gefühl, dass ich mit mehr Freiheit noch mehr aus der Band herausholen kann. Also habe ich mich hingesetzt und eine Entscheidung getroffen, mit der ich sehr glücklich und zufrieden bin. Ich gehe jetzt auf die 50 zu und will mich nur noch aufs Wesentliche konzentrieren. Und das ist Crowbar.
Und deine Familie. Du bist ja jetzt verheiratet.
Ja, sogar glücklich verheiratet (lacht). Das spielte natürlich auch eine Rolle, ganz klar. Ich kann einfach nicht mehr an tausenden Orten gleichzeitig sein. Die Musik steht aber immer noch an erster Stelle. Da bin ich auch heilfroh, eine Frau gefunden zu haben, die das mitmacht.
Keine Selbstverständlichkeit.
Absolut nicht. Nur weil ich jetzt nicht mehr bei Down spiele, heißt das ja nicht, dass ich mehr Zeit zur Verfügung habe. Es fühlt sich eher so an, als wären die Tage noch kürzer geworden.
Weil du dich bei Crowbar nicht nur um die Musik, sondern auch um den Großteil des Drumherums kümmern musst?
Genau. Aber ich liebe es. Es ist nicht so, dass mein Ego sich danach gesehnt hat. Ich bin nicht der Chef-Typ, der gerne von oben herab guckt. Es geht mir eher darum, abends in den Spiegel zu schauen und zu wissen, dass alles, was die Stunden zuvor mit der Band zutun hatte, auch mit mir zutun hatte. Wie gesagt, Crowbar ist mein Baby. Ich will nicht mehr andere Leute zur Schnecke machen, wenn irgendwas mit der Band nicht funktioniert hat, sondern mir selber in den Arsch treten. Genauso will ich mir aber auch andersrum kräftig auf die Schultern klopfen, wenn etwas Positives entsteht.
Ich habe letztens ein Foto gesehen, auf dem zu sehen war, wie du deinen eigenen Amp auf die Bühne schleppst. Gehört das auch zu den positiven Nebenerscheinungen?
(Lacht) Oh ja. So lange ich mir keinen Bruch hole, passt das schon. Ich liebe es, Verantwortung zu übernehmen. Und ich bin mir auch nicht zu schade, meinen eigenen Krempel beisammen zu halten. So fing alles an und so soll es auch irgendwann enden. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, sollen sehen und merken, dass ich einer von ihnen bin und nicht auf einem Sockel stehe, nur weil ich Kirk Windstein heiße. Wir sind ein Team. Ich gebe zwar den Ton an, aber ich bin kein Diktator. Ich kann auch anpacken. Damit habe ich überhaupt kein Problem.
"Man muss sich ein dickes Fell anlegen"
Wer lange Zeit nicht mehr so richtig anpacken konnte war euer Drummer Tommy Buckley. Er musste sich im vergangenen Jahr einer Krebs-Operation unterziehen. Wie geht es ihm mittlerweile?
Es geht ihm wieder richtig gut. Er musste sich die komplette Prostata entfernen lassen, um sicher zu gehen, dass der Krebs vollständig verschwindet. Das war eine sehr schwere Zeit für ihn und natürlich auch für die Band. Aber wir wussten alle, dass er eine starke Persönlichkeit ist und das auch schaffen wird.
Viele Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, machen in so einer Situation eher den Deckel drauf. Tommy machte den kompletten Prozess – von der Diagnose bis zur Operation – öffentlich.
Ja, das tat er. Ich glaube, er konnte damit vielen Menschen Kraft und Hoffnung spenden, die in einer ähnlichen Situation waren, oder noch immer sind. Hut ab!
Tommys Krebs-Drama, deine Heirat, dein Ausstieg bei Down und die Rekrutierung eines neuen Bassisten (Jeff Golden): Es war ganz schön was los in den vergangenen Monaten. Wie habt ihr es dennoch geschafft, ein derart unbefangenes und fettes Album wie "Symmetry In Black" aus dem Boden zu stampfen?
Gute Frage (lacht). Ich glaube, dass uns all diese Ereignisse noch enger zusammengeschweißt haben. Alle Beteiligten waren mit unbändigem Einsatz bei der Sache. Ich weiß, das hörst du wahrscheinlich im Vorfeld eines jeden Albums. In unserem Fall kann ich dir aber garantieren, dass kein Crowbar-Album in der Vergangenheit mit ähnlich viel Enthusiasmus angegangen wurde wie "Symmetry In Black". Das soll jetzt nicht heißen, dass die Vergangenheit fürn Arsch war. Ich stehe auch heute noch hinter jedem Album wie ein Fels. Diesmal war es dennoch etwas anderes.
Die Sludge-Gemeinde freut sich natürlich darüber, dass auf Crowbar auch nach 25 Jahren noch Verlass ist. In der Branche passierte ja nicht mehr allzu viel. Woran liegt das? Wo ist der New-Orleans-Vibe hin?
Keine Ahnung. Aber ich sehe das ähnlich. Die Szene ist mit den Jahren immer kleiner und übersichtlicher geworden. Außer uns machen natürlich Eyehategod noch richtig Alarm. Dann gibt es auch noch Bands wie Soilent Green und Goatwhore. Das war's dann aber auch schon. Ich kann die Entwicklung auch nicht so richtig nachvollziehen. Die letzten 25 Jahre wurde wahrlich genug präsentiert, um der nächsten Generation ein Fundament zu ebnen. Jammern hilft aber nicht weiter. Es ist nun mal ein hartes Business, in dem man nur überlebt, wenn man mit ganzem Herzen bei der Sache ist – und das nicht nur über einen kurzen Zeitraum. Man muss sich ein dickes Fell anlegen. Dafür sind aber scheinbar nur die wenigsten bereit. Aber, keine Angst: So lange wir noch am Start sind, wird New Orleans nicht von der Weltkarte der harten Klänge verschwinden.
Wie lang wird das noch sein?
Puh, das hängt von vielen Faktoren ab.
Zum Beispiel?
Zunächst einmal müssen alle Verantwortlichen gesund bleiben. Das vorausgesetzt, muss es natürlich auch musikalisch weiterhin passen. Dahingehend mache ich mir aber keine Sorgen. Insofern bin ich bester Dinge, dass wir uns bestimmt nicht das letzte Mal unterhalten haben (lacht).
Das würde mich freuen.
Vielleicht werde ich nicht irgendwann auf der Bühne zusammensacken; aber ein paar Jährchen würde ich gerne noch die Sau rauslassen. Man lebt ja schließlich nur einmal, hab ich mir sagen lassen.
1 Kommentar
Ich würde das neue Eyehategod Album sogar noch besser als Symmetry in Black bewerten. Nach dem letzten Eyehategod Album hatte ich nicht mehr geglaubt, dass sie nochmal was gutes rausbringen würden, aber die neue LP hat mich absolut überrascht.