laut.de-Kritik

Blunt anzünden und auf Repeat drücken.

Review von

"Temple doors open up, smoke billows out. Now you hoping what, for mercy? Get your soul brittled out." Acht Jahre nach dem letzten Studioalbum "Rise Up" kehren Cypress Hill in Form von "Elephants On Acid" mit akustischen Halluzinogenen zurück. Dabei geht es ihnen diesmal nicht nur um den Blick aus der grünen Brille, sondern um eine transzendente Erfahrung. Passenderweise leiten sie ihren psychedelischen Trip mit Tabla- und Sitar-Klängen ein, die nicht nur einen indischen Vibe erzeugen, sondern auch Bezug auf die drogengeschwängerte Pop-Musik der 1960er nimmt.

Ein hypnotischer Gitarren-Loop ergänzt in der Single "Band Of Gypsies" die bunte Soundpalette des asiatischen Subkontinents. Die verschiedenen Elemente wirken in ihrer Anordnung keinesfalls überkonstruiert, sondern fügen sich unheimlich stimmig in das Hip Hop-Grundgerüst ein. Selbst wenn die kulturelle Aneignung weniger gelungen ausgefallen wäre, würde Sen Dog wohl nur einen begrenzten Rechtfertigungsdruck verspüren: "Smoke a whole pound when I feel myself comin' down. Live how I wanna live and answer to no one".

Noch immer ergänzen sich B-Real und Sen Dog stimmlich hervorragend. Doch der zwischenzeitlich im Hintergrund verschwundene DJ Muggs erhält auf dem neunten Album der Kalifornier die weitreichendsten Entfaltungsmöglichkeiten. Rein instrumentale Stücke wie "Tusko", "Satao", "Holy Mountain", "Elephant Acid", "The 5th Angel" oder "Thru The Rabbit Hole" entschleunigen das Treiben, womit sich Räume zur Meditation eröffnen. "Pass The Knife" feiert beinahe Bergfest bis sich einer der beiden Vokalisten ans Mikro bemüht.

Zur Halbzeit geht der Trip allmählich in die Downphase über. Für "Locos" lassen sie den Ashram weit hinter sich, um mit aggressivem Stakkato-Flow über einem düster treibenden Instrumental zu glänzen. Eine ähnlich unheilvolle Atmosphäre kreierte Muggs jüngst auf "Assassination Day". Der Weg nach unten setzt sich konsequent fort. In "Falling Down" und "Insane OG" prügeln die Bässe auf das Trommelfell ein. Schließlich setzt "Warlord" zunächst mit Sirenengesang ein, bevor blecherne Drums die voranschreitende Kriegsmaschinerie imitieren.

Höchste Zeit dem Tief etwas entgegenzusetzen: "Close your eyes, we up in smoke." "Reefer Man" atmet den traditionellen grünen Dunst der Kalifornier. Seine psychotrope Wirkung verrichtet das THC dann natürlich optimalerweise unter Zuhilfenahme hauseigener Produkte: "You wanna blow some trees, you wanna smoke some real shit? Put it in the paper, roll it with the 'Phunky Feel Tip'". Nur wenige Züge und es geht für das Trio "Thru The Rabbit Hole" zum Hutmacher und der Grinsekatze ins Wunderland.

Doch der Mischkonsum fordert seinen Tribut: "Feels like my head is gonna explode." Schräge Bläser begleiten in "Crazy" den zerebralen Jahrmarkt: "I think I'm going crazy. I'm losing my mind. I see elephants all of the time". Das omnipräsente Elefanten-Motiv hat sich längst vom jovialen, entspannt vom Cover grüßenden, hinduistischen Gott Ganesha zur halluzinierten Bedrohung gewandelt. Inmitten des imaginierten Zirkus breitet sich die Vorstellung aus, Chefbeatbastler Muggs habe das Zeitliche gesegnet ("Muggs Is Dead").

Der befindet sich mittlerweile auf dem "Stairway To Heaven" in Richtung ewiger Glückseligkeit. Ein Ort, den B-Real nie zu erreichen glaubt: "When I die, I probably won't make it to heaven". Aber was will er da auch? Cypress Hill schaffen sich ihren eigenen Himmel auf Erden. Losgelöst von Raum und Zeit genießen sie die unendlichen Möglichkeiten der Twilight Zone. Also auf zur nächsten Runde: Blunt anzünden, "Elephants On Acid" auf Repeat und in die Wiederholungsschleife eintauchen.

Trackliste

  1. 1. Tusko
  2. 2. Band Of Gypsies
  3. 3. Put Em In The Ground
  4. 4. Satao
  5. 5. Jesus Was A Stoner
  6. 6. Pass The Knife
  7. 7. LSD
  8. 8. Oh Na Na
  9. 9. Holy Mountain
  10. 10. Locos
  11. 11. Falling Down
  12. 12. Elephant Acid
  13. 13. Insane OG
  14. 14. The 5th Angel
  15. 15. Warlord
  16. 16. Reefer Man
  17. 17. Thru The Rabbit Hole
  18. 18. Crazy
  19. 19. Muggs Is Dead
  20. 20. Blood On My Hands Again
  21. 21. Stairway To Heaven

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5 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    wie sich die zeiten doch ändern...früher wären bei so einer review binnen sekunden ganze heeresgruppen von genrefremden aufmarschiert, um ihre unkenntnis zu demonstrieren...heutzutage lockt man damit keinen speckpesel mehr hinter dem ofen vor...sollte man sich das aus alter verbundenheit mal anhören?

    • Vor 6 Jahren

      Falls du einen nostalgischen Blick auf ihre ersten 3-4 Alben (allen voran Black Sunday und III) hast könntest du vielleicht positiv überrascht werden, reiht sich da mMn gut ein und mit Heavy Metal hat das Ganze (erfreulicher Weise) nichts zu tun. Der Sound fällt diesmal psychedelischer aus, wobei das auch schon auf BS und ToB Teil des Soundbildes war. Empfehle mal Pass The Knife und Locos (quasi Locotes Teil 2) als Anspieltipps.

      https://www.youtube.com/watch?v=cudK_NRB3Lw
      https://www.youtube.com/watch?v=s-kiuzm_rCI

    • Vor 6 Jahren

      @elbow: vielen dank für die links und deine einschätzung! gefällt mir zumindest besser als ihre metal-hybriden...muss mal genauer hinhorchen...b-reals stimme haut halt immernoch viel raus

  • Vor 6 Jahren

    Einer der rundesten Reviews seit Monaten. Da riskiere ich tatsächlich ein Ohr.

  • Vor 6 Jahren

    Starkes Review. Klingt vielversprechend!

  • Vor 6 Jahren

    Ich habe es nun endlich hören dürfen- das neue Album "Elephants on Acid" von Cypress Hill, einer meiner Lieblingsgruppen des Hip Hops. Ich muss aber zugeben- ich kann das Album noch nicht vollständig einordnen! Mein bisheriges Fazit dazu lautet: "Elephants on Acid" schwankt zwischen Genie und Wahnsinn! Während mit dem Intro in Verbindung mit dem darauffolgenden Eröffnungstrack "Band of Gipsysies" ein wahres Hip Hop Meisterwerk geschaffen wurde, welches man die letzten Jahre vergeblich seines gleichen sucht, sind solche Highlights auf dem Album leider eher Mangelware. Ein wenig kommt das Album wie ein Demo-Tape rüber da viele Songs zu kurz geraten sind und dann plötzlich zu Ende sind. Genauso verhält es sich mit den instrumentalen Zwischensongs, die teilweise unnötig sind. Als Highlights auf dem Album sind "Locos" und "Put em in the ground" zu erwähnen, die ebenfalls sehr gelungene Tracks sind! Alles in allem kann ich dem Album bei aller Liebe aber höchstens 3 Sterne geben, ich werde es mir aber definitiv noch einige Male anhören- da dies unbedingt nötig ist. Denn Kommerz ist hier Fehl am Platz! Das ist wahre Kunst, die man entweder gut findet oder auch nicht!

  • Vor 2 Jahren

    ein solides Comeback in 90s-Jazzy-Bass-Blunt-Smokin-Manier :) DJ Muggs liefert ein Brett nach dem anderen und die Symbiose aus Sen Dog & B-Real erinnert an ihre besten Zeiten zwischen 1991 und 1998. 4/5