laut.de-Kritik

Ein echtes Premiumprodukt - bei halber Spielzeit.

Review von

DJ Tom Select, ein im Underground beheimateter Weltenbummler und Mastermind hinter dem losen Künstlerkollektiv Sound Survivors, hatte irgendwann keine Lust mehr auf Sample-basierten Boom-Bap-Hip-Hop und krempelte in dem Zuge gleich sein Studio um. Dabei fielen ihm alte ZIP-Disks in die Hände, die seit Jahren in irgendwelchen Schubladen verstaubten. Die direkt von der MPC auf das veraltete Speichermedium übertragenen Beats kramte er im vergangenen Winter nun hervor und begann, sie auszuproduzieren. Heraus kam ein Sammelsurium an Beats, Fragmenten, Instrumentals, Loops und ganzen Rap-Song: "ZIPDRIVEDISCO".

Die Platte clappt mit dem ersten Song, "Dead Format Walking", schon ganz ordentlich vornweg, bietet schöne Bassläufe, verschachtelte Samples, unerwartete Wendungen und wiederkehrende Melodien. Hier geben die Samples Takt und Ton an - Kopfnicken geht von ganz alleine. Ein super Start.

"Far From ... (feat. Jaecyn Bayne)" gleicht danach einem lockeren Parkspaziergang. Die Sonne blinzelt durch die Baumwipfel, Jaecyn gibt ein paar entspannte, manchmal leicht stolpernde Rap-Strophen mit, was der insgesamt samtig ruhigen Boom-Bap-Atmosphäre nicht im Weg steht.

Wer nun glaubt, dass sich dieses Muster durch das Mixtape zieht, ist falsch gewickelt. Schon mit dem nächsten Track "Clubrusher" legt Tom Select eine dystopische, finster und schwer greifbare Nummer aufs Parkett, die einen ratlos zurücklässt.

Vinyl-knisternde Bummtschack-Songs und -Instrumentals wechseln sich fortan mit kurzen, mal mehr und mal weniger gelungenen Interludes ab. Dazu Tracks mit geloopten Saiteninstrumenten oder hypnotische Songs - Langeweile kommt jedenfalls keine auf. Dass die Strophen der größtenteils unbekannten MCs nicht auf allerhöchstem Niveau stattfinden, sei da verziehen. Abgesehen von der Nummer mit deutschen MCs, "Tri Nitty", deren C-Klasse-Niveau schon auf der Sound Survivors-Platte "The Backspin Project" negativ auffiel. Warum kriegen die nicht mal den Laufpass?

Zu "Basement Overture" lässt sich wunderbar tagträumen: Fast so, als säße man irgendwo in einem kleinen Dorf in der Pampa, jemand spielt ein paar Töne auf einem Saiteninstrument, der Wind fährt einem durch die Haare, Sand zwischen den Zähnen, es ist heiß und der Bus kommt nicht - und trotzdem ist man bester Laune, wippt mit dem Kopf und wünscht sich insgeheim, dass der Bus gar nicht kommen möge. "iOmega Ode", ähnlich chillig und entspannt, kommt als lockeres Hip-Hop-Instrumental, unaufgeregt, dafür mit viel Liebe für die Sache.

Insgesamt gerät die Platte dennoch etwas zu wirr und mit 29 Anspielstationen einfach zu lang. Hätte Tom Select die mittelmäßigen von den wirklich starken Songs getrennt und die Spielzeit halbiert, hätten wir es mit einem echten Premium-Produkt zu tun gehabt. So verwässert er leider sein Können an den Reglern. Nichtsdestotrotz darf man gespannt sein, was bei dem neuen, live eingespielten Bandprojekt herauskommt, für das er sein Studio auf den Kopf gestellt hat.

Trackliste

  1. 1. Dead Format Walking
  2. 2. Far From ... (feat. Jaecyn Bayne)
  3. 3. Clubrusher
  4. 4. Lonely Doors
  5. 5. Freedom Americana (feat. Nino Graye)
  6. 6. Baam Boo
  7. 7. O Bow (feat. Buzz T.)
  8. 8. Unstable Ammunition (feat. Inspectah Deck, Bronze Nazareth, Jaecyn Bayne)
  9. 9. La La (feat. Van Tomas)
  10. 10. For My Father
  11. 11. Quality Control (feat. Craig G.)
  12. 12. Basement Overture
  13. 13. Summer Sketch
  14. 14. Gypsi Things
  15. 15. Too Easy (feat. Marabou, Chino XL)
  16. 16. Relapse (feat. Buzz T.)
  17. 17. About A War
  18. 18. Sinthetic Stand-off
  19. 19. Daz Wassup (feat. Snoop Dogg, Kurupt, Daz Dillinger, M-Eighty)
  20. 20. One Straight Seven
  21. 21. Tri Nitty (feat. C-Rayz Walz, Fantomas, Kalmann)
  22. 22. iOmega Ode
  23. 23. Zukunst
  24. 24. When The Sun Goes Down
  25. 25. Woodbridge (feat. Doktor Dogma, MC ADR, Harry)
  26. 26. Curcuma (feat. SVC)
  27. 27. Take 1 (Live Session Outtake)
  28. 28. Moaning (Live Session Outtake)
  29. 29. Strike Out

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LAUT.DE-PORTRÄT DJ Tom Select

"Bei uns zu Hause lief irgendwie immer Musik, als ich klein war, das hat auf jeden Fall geprägt. Ich wollte sehr früh schon unbedingt selbst Musik machen.

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