laut.de-Kritik

Eher grau?

Review von

"Todessehnsucht" eröffnet "Schwarz" mit einem schönen Drone, mit Glöckchen, es wirkt wie Kirche, sofort zieht eine packende Gravitas ein. Das passt zu Dagoberts neuem Werk, denn düsterer als dieser Beginn wird es wohl nur schwerlich. "Ich bin wie gelähmt / kann nur noch weinen / Vermisse meine Freunde / und dich / Sie sind tot / du bist es nicht" – alles klar im Staate Helvetia. Die würdevolle Erhabenheit des Beginns verliert der Schwyzer leider zum Schluss des Songs, der etwas zu lange geht und den Druck und Kontrast des Beginns eintauscht gegen einen Schuss zu viel Lieblichkeit.

Lieblich ist auch "Dagobert Und Die Blumen", aber trotzdem sitzt der Song. Dagoberts manchmal geradezu kindliche Lyrics, wenn er seinen hängenden Kopf mit den Blumen vergleicht, passt zu diesem zunächst ungelenk wirkenden Track, der zunehmend fasziniert. Dominiert am Anfang die Akustikgitarre, führt eine Ernst-Molden-Gedächtnis-Gitarre mit viel Gejaule über zur Orgel. Fein aufgelegt, dieses kokette Liedchen, bei dem nie ganz klar wird, ob die Verflossene nun auf dem Friedhof liegt oder 'nur' abgehauen war. Dagobert kommt auf "Schwarz" (fast) ohne Schlagzeug aus, er setzt auf Orgeln und Harfen und Gitarre und hört sich so ganz anders an als das fast zeitgleich erschienene Orgel-Album "Hadsel", das Erde frisst, wo Dagobert Wolken säuft.

"Stille Abenteuer" Und "Augen Der Nacht" wirken leider wie Fremdkörper auf "Schwarz", das doch so dezidiert traurig sein will. Beides sind übers Liebliche hinausgehende, kitschige Lieder auf die Liebe, die nirgendwo so recht hingehen. "Stille Abenteuer" will zum Schluss hin hymnisch werden, verhebt sich daran aber völlig und passt mit seinem Keyboard-Beat überhaupt nicht zum Rest des Albums. "Augen Der Nacht" ist nur ein wenig besser, auch hier mäandert der Berliner ohne Ziel und ohne eine authentische Emotionalität zu erschaffen.

Es ist bemerkenswert, wie gut Dagoberts Formel auf "Das Omen" danach wieder aufgeht, weil er sich an den eigenen Plan hält. Akustikgitarre, etwas Synthpop, dann und wann Harfe oder was Geblasenes eingestreut, dazu wieder eine Struktur im Text, die trotz dem Trennungsthema aus einem Kinderreim stammen könnte, aber emotional verhakt. "Rabensinfonie" bricht musikalisch aus diesem Muster aus mit einer zumindest faktischen durchgehenden (und auch einer kurzen reingewitternden) Percussion, die ebenso wie die Orgel immer dröhnender wird. Das Stück gerät in seiner stoischen Härte und Schrillheit geradezu transsilvanisch, wozu auch die erneut supersimplen Texte beitragen. Mindestens interessant.

Die Texte fallen bei "Keine Gefühle" dann wieder deutlich über die Kitschschmerzgrenze, zumal Dagobert erneut sein eigenes Topos bricht und von seinen Casanova-Tendenzen berichtet. Der Song ist trotzdem nett, da das Auf und Ab zwischen Dröhnen und lieblichem Gesäusel besonders gut funktioniert. Wie es Lukas Jäger anscheinend ein Zwang ist, gerät "Du Bist Bei Mir" danach fad, eine abstrakte Liebesbezeugung mit ein bisserl Plimplim. Der abschließende Titeltrack ist wie das ganze "Schwarz": schon in Ordnung. Wirklich stören tut eigentlich nur, dass Dagoberts Fähigkeiten mehr als deutlich an allen Ecken und Enden durchschimmern und man fast schon versucht ist zu denken, Dagobert sei eine Kunstfigur, wie sie sonst nur Rapper aufbauen, deren Selbstsabotage und Kitschvernarrtheit doch nicht ernst gemeint sein könne.

Trackliste

  1. 1. Todessehnsucht
  2. 2. Dagobert Und Die Blumen
  3. 3. Stille Abenteuer
  4. 4. Augen der Nacht
  5. 5. Das Omen
  6. 6. Rabensinfonie
  7. 7. Keine Gefühle
  8. 8. Du Bist Bei Mir
  9. 9. Schwarz

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