27. August 2004
"Wenn Marilyn Manson Eier hätte ..."
Interview geführt von Daniel StraubWer gerne eine dicke Lippe riskiert, der muss auch einstecken können. Um diese Erfahrung ist der muskelbepackte Darkrocker Glenn Danzig spätestens seit seiner handfesten Auseinandersetzung mit North Side Kings-Frontmann Danny Marianinho reicher. Von einer ganz anderen Seite zeigte er sich glücklicherweise im Mai dieses Jahres, als er in Köln die ersten Songs seines neuen Albums "Circle Of Snakes" der versammelten Musikpresse zu Ohr brachte.
Direkt dem Flieger aus L.A. entstiegen, mit dem Zug eiligst nach Köln gebraust, erwartete uns zur Mittagszeit ein zwar übernächtigter, aber dennoch bestens gelaunter Glenn Danzig, um mit uns über das anstehende Albumrelease, seinen Comicverlag Verotic und die Sehenswürdigkeiten von Köln zu plaudern. Das neue Danzig-Album erscheint am 30. August.
Ich habe gerade ein paar Tracks deines neuen Albums gehört und muss zugeben, dass ich überrascht bin. Es klingt wieder rauher und rockiger als deine letzten Releases.
Das liegt vielleicht auch am daran, dass die CD noch nicht gemastert ist. Der endgültige Mix wird erst in ein paar Wochen fertig sein. Die fünf Tracks, die du gehört hast sind also noch nicht die endgültige Fassung des Songs. Zuerst spielt man immer die einzelnen Instrumente ein und anschließend wird es am Mischpult nochmal abgemischt. Ich habe alle Spuren schon aufgenommen und bin dabei, sie für die endgültige CD richtig abzumischen.
Produzierst du deine Alben selbst?
Ja klar, das habe ich immer gemacht. Dann habe ich die Kontrolle.
Deine ersten beiden Alben sind aber noch mit Rick Rubin als Produzent entstanden ...
Ok, aber das ist schon eine ganze Weile her (lacht). Inzwischen mache ich alles selbst.
Hat die neue Platte schon einen Titel und ein Cover?
Sie hatte einen Titel (lacht), aber der hat sich nun wieder geändert und ich werde lieber noch ein bisschen warten bis ich ihn verrate. Das Coverartwork ist bis auf die Schrift schon fertig. Wir haben alle nötigen Fotoshootings bereits gemacht und die Bilder gelayoutet, so dass das neue Album Anfang Juni in die Plattenläden kommen wird.
Bei Danzig gab es recht viele Line Up-Wechsel in der Vergangenheit. Wer genießt im Moment dein Vertrauen?
Außer mir spielen Jerry Montano am Bass, Tommy Victor, der außerdem auch bei Prong singt, Gitarre spielt sowie Schlagzeuger Bevan, der in der Band von Jerry Cantrell (Ex-Mitglied von Alice In Chains) trommelte.
Und stimmt die Chemie zwischen euch?
Ja, es läuft alles ganz gut. Wir haben im letzten Jahr schon einige Konzerte in dieser Besetzung gespielt. Wir waren für einige Shows in Schweden, leider nicht in Deutschland, und im Dezember beim "Blackest Of The Black"-Festival in London. Danach sind wir gleich ins Studio gegangen, zunächst noch ohne Gitarrist, weil Tommy mit Prong in Europa unterwegs war. Er hat seine Gitarrenparts erst ganz am Ende eingespielt.
Das Ergebnis kann sich auf alle Fälle sehen lassen. Die Songs klingen frisch und rocken kräftig ab. Ein deutlicher Schritt weg von den Industrial-Alben "Blackaciddevil" und "6: 66 Satan's Child", die ja stärker auf elektronische Sounds setzten.
Elektronische Sounds? Was meinst du damit?
Auf den beiden Alben klingt deine Stimme verfremdet oder verzerrt und die Danzig-Sounds insgesamt klingen sehr elektronisch, ein bisschen wie Nine Inch Nails.
Das hört sich nur so an. Wir haben für "Blackaciddevil" und "6: 66 Satan's Child" nur natürliche Instrumente verwendet. Eigentlich haben wir das auf einem ganz billigen Zwei-Spur-Gerät eingespielt mit einigen Effekten drauf. Das kann wirklich jeder machen. Bei der neuen Platte haben wir produktionstechnisch wieder aus dem Vollen geschöpft, was man dem Album auch anhört.
Johnny Cash covert auf einer seiner American Recordings-Alben deinen Song "Thirteen". Wie gefällt dir seine Interpretation des Songs?
Johnny Cash covert "Thirteen" nicht. Ich habe "Thirteen" extra für Johnny geschrieben. Das war zu der Zeit, als ich mit Rick gearbeitet habe. Es muss noch irgendwo einige Filmaufnahmen geben ... Ich bin damals zu Johnny ins Studio geflogen und habe ihm beigebracht, meinen Song zu spielen. Eigentlich habe ich noch ein zweites Lied für ihn geschrieben, aber nach dem Prozess gegen American Recordings wollte ich Rick das Stück nicht mehr zur Veröffentlichung geben.
Zur gleichen Zeit etwa hast du auch deinen Verlag Verotic gegründet, der sich auf Comics spezialisiert hat.
D: Ja, (freut sich) wir haben dieses Jahr zehnjähriges Bestehen. Der Verlag läuft sehr gut.
War das eine Art Kindertraum, den du dir mit Verotic erfüllt hast?
So kann man das schon sagen. Wobei das ja alles andere als Kindercomics sind, die bei Verotic erscheinen. Weißt du, zu der Zeit, als ich aufgewachsen bin, war die Comic-Industrie gerade im Niedergang begriffen. Alle großen Superhelden haben Marvel und die anderen renommierten Verlage verlassen. Seither bin ich ein leidenschaftlicher Comicfan, der 1994 seinen eigenen Verlag gegründet hat. Wir machen jedoch keine Kindercomics, sondern Bücher für Erwachsene.
Zeichnest du die Comics auch selbst?
Nein, ich überlege mir den groben Handlungsrahmen und einige der wichtigsten Charaktere und gebe die Sache danach ab an die Zeichner, die die Ideen umsetzen. Ich lasse den Zeichnern viel Freiraum, so dass sie die Figuren individuell gestalten können.
Hast du irgendwelche Lieblingscharaktere oder Themen, die du gerne in deinen Comics sehen möchtest?
Nein, eigentlich nicht. Meine Vorlieben für einzelne Charaktere oder Handlungen ändern sich immer wieder mal. Da bin ich nicht auf eine Figur festgelegt.
Welche Ähnlichkeiten siehst du zwischen Comics und Musik?
Beides sind zunächst einmal Kunstformen. In den Comics wie in der Musik geht es für mich darum, etwas Dauerhaftes, Beständiges zu schaffen. Ich will nicht irgendeinen Müll produzieren, den man nach kurzer Zeit wieder wegwirft. Das ist bei Comics und bei Musik genau dasselbe. Man soll sich die Sachen auch in zehn oder zwanzig Jahren noch angucken oder anhören können, ohne dass sie peinlich oder total deplaziert klingen. Das ist es, wonach ich in beiden Künsten strebe. Ich bin Künstler und will etwas Dauerhaftes in meiner Arbeit erschaffen.
Du scheinst eine starke Affinität zu den visuellen Künsten zu haben.
Oh, ja. Ich habe in New York Fotografie studiert und kürzlich auch bei meinem ersten Film Regie geführt. Eine wilde Geschichte über ein Wesen, dem eine Hand abgetrennt wird, und das dann an Stelle seiner Hand eine gewaltige Klinge aufsetzt und sich daran macht, einen Rachefeldzug anzutreten (grinst). Eine Art Fantasy-Geschichte.
Ist das ein animierter Film oder spielen richtige Schauspieler darin?
Es ist kein Anime. Wir haben so was in der Vergangenheit schon mal gemacht. In der Art, wie die japanischen Comics filmisch umgesetzt sind. Aber dieser Film ist ganz normal mit richtigen Schauspielern besetzt. Es hat viel Spaß gemacht bei den Dreharbeiten, und ich bin voll zufrieden.
Bei deiner Liebe zu Fotografie und Film frage ich mich, ob du das Danzig-Logo selbst entworfen hast?
Ja, das habe ich selbst gemacht.
Nach dem Columbine-Massaker kamen Musiker wie Marilyn Manson in die Kritik, sie würden die Jugend mit ihren Songs und ihrer Vorliebe für schwarze Klamotten negativ beeinflussen. Hast du davon auch etwas gemerkt?
Marilyn Manson zieht schon seit Jahren keine schwarzen Klamotten mehr an. Und wenn er Eier hätte, dann würde er allen, die ihn mit solchen Vorwürfen konfrontieren, ein "Fuck You!" an den Kopf werfen. Ich habe niemals damit Probleme gehabt, dass ich mich gerne schwarz anziehe.
Werden dich deine Fans in Deutschland bald wieder auf der Bühne sehen? Spielst du während deines Besuches hier in Köln auch Konzerte?
Wir werden mit der neuen Platte im Gepäck hoffentlich einige Festivals spielen. Genaue Termine haben wir aber noch keine. Es wird natürlich eine Tournee geben, aber erst im Sommer. Jetzt im Moment bin ich nur zu Promotionzwecken hier ohne Band. Deshalb gibt es auch keine Konzerte. Ich werde heute nach den Interviews noch ein bisschen Sightseeing machen. Ich war schon öfters in Köln und kenne mich hier gut aus. Jedesmal, wenn ich hier bin, schaue ich mir den Dom an. Warst du schon mal da?
Ja, ich war einmal drin und habe mir das bekannte Kruzifix angeschaut.
Warst du schon mal oben im Turm? Du musst unbedingt einmal dort hinaufsteigen. Man kann bis ganz hinauf in die Spitze des Turmes klettern. Von dort hat man eine fantastische Sicht über die gesamte Stadt. Das ist wirklich ein Tipp.
Dann weiß ich ja schon, was ich nachher mache. Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Daniel Straub
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