laut.de-Kritik

PJ Harvey, Elvis und Nina Simone im Knebelgriff des Dunkelfürsten.

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Erst kürzlich erinnerte das "Nothing Else Matters"-Cover wieder daran, welch soghafte Wirkung seine Stimme entfalten kann. Eine erstaunliche Erfahrung, denn der Dave Gahan der jüngeren Vergangenheit zog es ja bekanntlich vor, die Manege im Stil eines brünstigen Zuchthengstes zu betreten. Wie viel Ausdruck dadurch verloren ging, bemerkt man auf dem überraschend gelungenen "Imposter" gleich beim eröffnenden "The Dark End Of The Street", bekannt geworden durch James Carr, einer Randfigur des Southern Soul.

Hier tritt ein völlig anderer Gahan auf, einer, der sich dem Song unterordnet. Das wird im Laufe von "Imposter" noch häufiger positiv ins Gewicht fallen, vor allem bei den bekannten Originalen. Gemeinsam mit den Soulsavers hat der Depeche Mode-Sänger ein reines Coveralbum aufgenommen. Eine Idee, die zwar auch in die verhasste Rubrik "Things Martin L. Gore already did" fällt, aber in diesem Fall war es Gahan zum Glück egal. Nach fast zwei Jahrzehnten, in denen er eigene Songs schreibt, fürchtet er sich nicht mehr vor Vergleichen mit dem DM-Chefsongwriter. Fast schon selbstironisch kommt einem da der Albumtitel "Imposter" vor, Hochstapler. Für Nichteingeweihte mag es irritierend klingen, aber so fühlte sich der 59-Jährige noch in den 2000ern, und das nur, weil die weltberühmten Songs, die er vortrug, nicht von ihm selbst stammten. Wie Neil Young oder Mark Lanegan müsste man sein, Songwriter vom alten Schlag.

Auf "Imposter" kommt er diesem Wunsch absurderweise so nah wie nie und legt sein ganz eigenes American Songbook vor. Geschrieben haben es andere (auch Nicht-Amerikaner), doch seine Dunkelfürst-Aura bemächtigt sich der Kompositionen mühelos. Im Grunde genommen erfahren wir, was wir eh schon wussten: Im Interpretieren von Fremdkompositionen ist dieser Mann eine Macht. Bis auf "Always On My Mind" präsentiert er zudem eine fast schon nerdmäßige Auswahl, die auf profunde Auseinandersetzung mit der weiten Musikgeschichte schließen lässt. Zur flirrenden Hammondorgel legt er in "The Dark End Of The Street" alle Crooner-Qualitäten offen, die er auch in den Folgetracks beibehält: "Strange Religion" schwimmt mit seiner reduzierten Instrumentierung fast schon zu nah am Original des Drogen-Soulmates Lanegan, was natürlich auch keine Beleidigung darstellt. Wenn der Rekonvaleszent dann in Nina Simones "Lilac Wine" zur Zeile "I drink much more that I ought to drink / because it brings me back you" anhebt, ist man mittendrin im Gahan-Universe voll Verzweiflung, Schuld und Dunkelheit.

Frei von unnötig gepresstem oder seinem sattsam bekannten Knödelvortrag findet der Musiker hier wieder zurück zur Schönheit seiner Stimme, die im Umfeld dieser Blues- und Gospelpalette samt Backgroundchören selige "Songs Of Faith And Devotion"-Zeiten herauf beschwört. Die zerbrechliche Candelight-Atmo zerhackt im Anschluss das gut 70 Jahre alte "I Held My Baby Last Night" von Mr. Slide Guitar Elmore James, das Gahan in seinen gefürchteten Kraftmeier-Blues umarrangiert.

Ansonsten macht er nur noch wenig falsch: Neil Youngs Ode "A Man Needs A Maid" über die Unzulänglichkeiten in einer Beziehung behandelt er werktreu, Cat Powers "Metal Heart" ist dagegen kaum wieder erkennbar, wenn Gahan für den Refrain seine Arena-Kompetenzen ausspielt. PJ Harveys "The Desperate Kingdom Of Love" hätte etwas weniger Bombast indes gut getan.

Selbst am großen Dylan scheitert er nicht: Vielmehr liefert "Not Dark Yet" vom "Time Out Of Mind"-Album mit seinen aufschaukelnden Gitarrenwänden allein schon gesangstechnisch die wohl größte Diskrepanz zum Original. Maßgeblich zum Gelingen des Albums tragen die Soulsavers bei, die jeden Song atmen lassen und im Zusammenspiel mit der zehnköpfigen Band in Rick Rubins Shangri La-Studios einen warmen und organischen Sound kreieren. Dass die Platte praktisch live eingespielt wurde, fördert den Vibe.

Nachdem er in dem durch Charlie Chaplin berühmt gewordenen "Smile" nur von Klavier begleitet wird und so am Ende auch noch die hohe Hürde "Always On My Mind" spielend nimmt, ist Dave Gahan endgültig bei sich selbst angekommen. Seine Ausnahmestimme auf diesem fremden Terrain zu hören, ist ein feiner Kontrast zu seiner Hauptband, auch wenn ein Johnny Cash-Cover den großen Kreis perfekt geschlossen hätte. Zumal auf den Briten nach dieser Vorstellung auch folgender Cash-Text zutrifft: "I'm not a savior, and I'm not a saint / the man with the answers I certainly ain't / I wouldn't tell you what's right or what's wrong / I'm just a singer of songs."

Trackliste

  1. 1. The Dark End Of The Street
  2. 2. Strange Religion
  3. 3. Lilac Wine
  4. 4. I Held My Baby Last Night
  5. 5. A Man Needs A Maid
  6. 6. Metal Heart
  7. 7. Shut Me Down
  8. 8. Where My Love Lies Asleep
  9. 9. Smile
  10. 10. The Desperate Kingdom Of Love
  11. 11. Not Dark Yet
  12. 12. Always On My Mind

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6 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Immer wieder erstaunlich, wie sich durch den Aufdruck "Dave Gahan" bzw. "Depeche Mode" Scheiße so gut verkauft.

    • Vor 3 Jahren

      Ganz so drastisch würde ich es nicht ausdrücken, aber Imposter ist wirklich schwer erträglich in seiner Eintönigkeit.
      The light the Dead see war noch großartig, der Nachfolger ganz okay, aber das hier ist einfach nur noch auf Albumlänge ausgewalzte Langeweile.

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Ist doch mit allen großen Namen so. Das hat nichts speziell mit Depeche Mode zu tun. Alle zehren vom früheren Erfolg. Mache 20 Jahre nichts und nimm dann ein richtig besch... Album auf - und es verkauft sich wie geschnitten Brot.

    • Vor 3 Jahren

      Ich finde das Album klasse. Die anderen zwei Soulsavers-Alben weniger. Gut singen kann er, komponieren eher weniger.

  • Vor 3 Jahren

    Furchtbarer Kerl. Die frühe 80er-Phase, in der er noch Martin Gores Stücke singen durfte, war trotzdem ziemlich geil.

  • Vor 3 Jahren

    Fürchterlich überproduzierte Platte, viel zu viel Ballast und Bombast in den Songs. Positiv ist, dass Gahan hier nicht so rumknödelt, wie er es in den letzten Jahren leider viel zu viel tut. Alles hat eine Schwere und behauptete Bedeutung, die aber kaum untermauert wird, sondern einfach nur im Kitsch ertrinkt.

  • Vor 3 Jahren

    Ein gelungenes Album. Tolle Songauswahl, dazu sehr gut produziert - sehr luftiger, transparenter, warmer Klang - und der Gesang einfach wunderbar. Besser als die Songeigenkreationen der vergangenen zwei Alben.

  • Vor 3 Jahren

    Seine Stimme wird immer besser und Metal heart ist ein toller song. Der Rest ist mir auf Dauer aber zu pastoral und eintönig.

    Ich würde mit ein Retro-Album wünschen, wo sie die Sounds der 80er nochmals an den Start bringen (und Alan Wilder an Bord holen).

  • Vor 3 Jahren

    Ich habe mich vor allem auf "Always on my mind" gefreut, weil es ein wirklich großér Song ist und mit der Konstellation Gahan / Soulsavers wirklich was hätte werden können... Hätte...

    Ich verstehe nicht, warum alle Coverversionen bisher (bis auf die der Pet Shop Boys) so schwülstig sein müssen. Absoluter Tiefpunkt ist übrigens die Emigrate / Lindemann Version...

    Das Original von Elvis kommt so leicht und locker daher und nimmt diesem eientlich kitschigen Song den Kitsch. Haben die Soulsavers leider verkackt...